Zwischen Himmel und Meer
Autor: Diana Fuchs
Pommersfelden, Donnerstag, 16. Mai 2019
Ruhe, Weite, die klare Luft, das knisternde Watt. Warum gerade Franken und Friesen gut harmonieren? Eine Spurensuche in der Nordsee.
D er Kloß im Hals ist plötzlich da. Die Halligleute, die am Anleger stehen, werden immer kleiner. Sie winken nochmal. Dann gehen sie zurück in ihr Leben am Ende der Welt - "am schönsten Ende der Welt", findet Erich Marx. Gut, dass auf der Fähre, die einen wieder aufs Festland bringt, der Wind so schneidig weht. Angesichts solcher Umstände kann es einem schon mal ein bisschen Wasser in die Augen treiben.
Rasch verschwindet die Hallig am Horizont. Wie kleine, trutzige Burgen aus rotem Backstein ragen die Warften, die bewohnten Hügel, noch eine Zeitlang aus dem Meer, das in der Abendsonne glitzert. Erich Marx schaut auf die Nordseewellen. Ohne Worte nimmt er Abschied. So hat er es schon oft gemacht. "Zum Glück nie für lange!" Der 77-jährige Zirndorfer handhabt es so: "Sobald der Urlaub zu Ende geht, sagen wir unseren Halligleuten auf Langeneß schon, wann wir wieder kommen."
Von Franken nach Friesland - das ist seit über einem Vierteljahrhundert die Urlaubsachse der Familie Marx. Ganz zufällig war Erich Marx Anfang der 90er Jahre eine Beschreibung des nordfriesischen Wattenmeers in die Hände gefallen. "Durch dieses Faltblatt über die Küste Schleswig-Holsteins hab' ich erfahren, was eine Hallig ist." Die kleinen Eilande, die mehrmals im Jahr von der Nordsee überflutet werden, bis nur die künstlich aufgeschütteten Hügel - die Warften oder Warfen - herausragen, fand der Mittelfranke interessant. Er wählte die angegebene Telefonnummer. "Dort war zwar nichts mehr frei, aber man riet uns, auf der Nachbarwarf anzufragen - die hätten dort gerade den Stall zu Ferienwohnungen umgebaut, hieß es." So landete Erich Marx mit seiner Frau Christine sowie den Kindern Anna und Felix, damals vier und zwei Jahre alt, erstmals auf Langeneß.
Das flache Eiland hatte es ihm gleich angetan. "Wir haben mit den Kindern Muscheln, Austern und Tintenfisch-Schulp gesammelt, durften mit dem Postboten zum Hochseeangeln rausfahren, haben Aal und Makrelen geräuchert. Es war ein Traum. So viel Energie habe ich sonst noch nirgends getankt."
Ob mit dem Auto, dem Zug oder sogar dem Fahrrad: Familie Marx kam von nun an immer wieder zurück zur Hallig. Sohn Felix hat inzwischen selbst eine Familie gegründet und liebt die Auszeit im hohen Norden wie eh und je. "Sobald ich auf der Fähre bin, fahre ich das Geschäftshandy runter. Und mich gleich mit", sagt der Bauleiter.
"Gelassenheit lernen"
Wie sein Vater ist auch Felix Marx davon überzeugt, dass Franken und Friesen ähnlich ticken. "Die Leute sind vielleicht erst mal schroff. Aber wenn man sie näher kennen lernt, sind sie die liebsten Menschen." Es seien starke Persönlichkeiten, die auch bei Sturmflut und "Landunter" nicht die Nerven verlieren. "Von ihnen kann man Gelassenheit lernen", sind sich Vater und Sohn einig. Erich Marx fügt hinzu: "Wenn ich die Hallig betrete, habe ich das Gefühl, dass Hektik und Ballast von mir abfallen."