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Zwei Familien feiern in Kemmern zum ersten Mal Weihnachten


Autor: Petra Mayer

Bamberg, Donnerstag, 24. Dezember 2015

Als Muslime feiern zwei Familien aus dem Irak und Syrien am Donnerstag in Kemmern zum ersten Mal den Heiligen Abend. Um ihren Kindern eine Zukunft geben zu können, verließen sie die Heimat.
Bei einer Kemmerner Weihnachtsfeier bekamen Mohammad und Sana die ersten Weihnachtsgeschenke ihres Lebens.  Foto: pr


Kerzen. Zweige und Christbaumkugeln stehen in einem Glas auf dem Tisch. Ein Kärtchen mit Noten und den Textzeilen: "Kling, Glöckchen, klingelingeling, kling, Glöckchen, kling! Lasst mich ein, ihr Kinder, ist so kalt der Winter, öffnet mir die Türen, lasst mich nicht erfrieren." Barzan Sabah Mohammad, der im Frühjahr aus dem Irak floh, hat mit seinen drei Kindern in Franken Zuflucht gefunden.

Ebenso wie Ilyas Al-Ahmad, der mit seiner Frau und Töchterchen Bailasan im Sommer aus Syrien kam. Am Donnerstag feiern alle zusammen in der kleinen Wohnung, die sich die mittlerweile befreundeten Familien in der Kemmerner Flüchtlingsunterkunft der AWO teilen, den Heiligen Abend, das Fest der Liebe.

Zum ersten Mal besuchten die Muslime am vergangenen Wochenende eine Weihnachtsfeier. Zum ersten Mal hörten sie Adventslieder, sahen die geschmückten Straßen und Plätze ihrer neuen Heimat. So stand für die Flüchtlinge irgendwann fest: "Jetzt sind wir hier, jetzt feiern wir mit", wie Barzan Sabah Mohammad bei einem Besuch erzählte.


Menschen werden abgeschlachtet

Aus Sorge um seine beiden Töchter und den zwölfjährigen Sohn hatte der 41-Jährige die Heimat verlassen. Er floh vor den Kämpfern des "Islamischen Staats", berichtete Mohammad in gebrochenem Deutsch. Menschen würden abgeschlachtet, Frauen vergewaltigt, so der Familienvater, der immer wieder nach den passenden Worten suchte. Dann sprang Orlando Gally als Übersetzer ein - der Migrationsverwalter der Arbeiterwohlfahrt in Stadt und Landkreis Bamberg.

Als Bäcker arbeitete Mohammad im Irak. Und hofft nun, möglichst bald wieder in den erlernten Beruf zurückkehren zu können. "Dafür muss ich aber erst als Flüchtling anerkannt sein und eine Arbeitserlaubnis erhalten."


Freundschaft geschlossen

Während Mohammads zwölfjähriger Sohn und die achtjährige Sana bei unserem vorweihnachtlichen Besuch noch in der Schule waren, war die älteste Tochter schon zu Hause. Große Fortschritte macht Sarah im Deutschkurs, wie ihr Vater stolz erklärte.

Auch eine deutsche Freundin fand die Irakerin mittlerweile: "Rita". Friseurin möchte die 19-jährige Sarah werden. Jetzt aber freute sie sich erst mal aufs gemeinsame Weihnachtsfest, an dem es Reis mit gebratenem Huhn und Kichererbsensoße geben soll, dazu schwarzen Tee. Muslime trinken schließlich keinen Alkohol.

Auf rund 65 Quadratmetern leben die beiden Familien schon seit Monaten: Ein gemeinsamer Aufenthaltsraum, zwei Schlafzimmer, Küche und Bad - viel Privatsphäre haben die Flüchtlinge nicht. Auch Ilyas Al-Ahmad setzte mit seiner Frau Azab alles auf eine Karte, als er Syrien verließ: Dem Bürgerkrieg entfloh das Paar, das mit seiner zweijährigen Tochter im Juli nach Deutschland kam. "Als unsere Heimatstadt bombardiert wurde, waren etliche Häuser in unserer Nachbarschaft zerstört", berichtete Al-Ahmad mit Hilfe Orlando Gallys.

Bald darauf packte die Familie in ihrer Verzweiflung das Nötigste und brach in Richtung Europa auf - in die Fremde. "Wir wollten von Anfang an nach Deutschland, wo unsere Tochter eine bessere Bildung erhalten und später vielleicht einmal studieren könnte." Über Ungarn führte die Fluchtroute der Syrer Richtung Bundesrepublik. "Der schönste Moment nach unserer Ankunft war der, als uns die Menschen umarmten und damit zeigten, dass wir willkommen sind", so Al-Ahmad.


Endlich wieder arbeiten können

Auch der gelernte Lkw-Fahrer wartet darauf, endlich wieder arbeiten und den Lebensunterhalt für seine Familie bestreiten zu können. Sobald seine Arbeitserlaubnis da ist, will sich der Iraker eine Stelle suchen. Irgendwann aber, ja irgendwann, hoffen die Flüchtlinge, wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können - auch wenn es Jahre dauert. Eine derzeit noch vage Hoffnung, über die Al-Ahmads Frau Azab unter Tränen spricht. Ohne ihre Eltern, Freunde, die vertraute Umgebung, Kultur und Sprache muss die junge Muslima nach und nach erst zu leben lernen.