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Zuwendung statt "Spucke"


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Mittwoch, 11. Mai 2016

Derzeit tagen katholische Polizeiseelsorger aus ganz Deutschland im Bistumshaus St. Otto. Der Bamberger Diakon Martin Zenk ist einer von ihnen.
Polizeiseelsorger Martin Zenk hat stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Polizeibeamten. Foto: Matthias Hoch


Immer öfter braucht der "Freund und Helfer" selbst Hilfe. Zumindest ein offenes Ohr, um sich seinen Frust von der Seele reden zu können. "Die Polizei steht vor zunehmenden Herausforderungen und wachsender Gewalt", weiß Diakon Martin Zenk, Geschäftsführender Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Polizeiseelsorge und aktiver Polizeiseelsorger des Erzbistums Bamberg mit Einsätzen in ganz Nordbayern.

Derzeit hält die Bundesarbeitsgemeinschaft, der rund 100 Polizeiseelsorger aus ganz Deutschland angehören, ihre Jahrestagung in Bamberg. Auch der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof ist darunter, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Polizeiseelsorge. Gemeinsam mit Diakon Zenk berichtet er unserer Zeitung in einer Tagungspause über die in vielen Jahrzehnten gereifte Arbeit der Kirche für die Polizei. "Für die Polizisten und Polizistinnen ist Seelsorge wichtiger denn je", bilanzieren die beiden Männer ein problembelastetes Aufgabenfeld.

Was ein Seelsorger - Priester wie pastoral ausgebildeter Laie - heutzutage für die Mitbürger in Uniform tun kann und muss, lässt sich auf die knappe Formel "Zuwendung statt Spucke" bringen. "Polizisten werden bespuckt, beleidigt, angepöbelt - das macht etwas mit einem jungen Polizisten, das geht an die Substanz", sagt der Weihbischof. Dann sei der Seelsorger gefragt, im behutsamen und vertrauensvollen Gespräch diese Form von Gewalt aufzuarbeiten. Denn "mit den Vorgesetzten können die Polizisten oft nicht darüber sprechen", ergänzt Martin Zenk.


Gewissenskonflikt

Der Diakon erzählt von eigenen Einsätzen. So litten beispielsweise Bamberger Polizeibeamte darunter, Asylbewerber aus dem Ankunfts- und Rückführungszentrum in aller Herrgottsfrühe zur Abschiebung abholen zu müssen. "Sie geraten in einen Zwiespalt zwischen Menschlichkeit und Staatstreue, besonders wenn Familien betroffen sind", bringt Martin Zenk einen Gewissenskonflikt auf den Punkt, den er durch seine seelsorgliche Begleitung zu lösen versucht.

Diakon Zenk und seine Kollegen werden gerufen, wenn Polizisten Unglücke wie Suizide, Verbrechen wie die mutmaßliche Ermordung von acht Babys in Wallenfels oder schwere Unfälle aufnehmen müssen und selbst an ihre psychischen wie physischen Grenzen stoßen. Die Polizeiseelsorger hören dann bohrende Fragen nach dem Sinn des Lebens, die Klage, wie Gott so viel Not zulassen kann.

"Wir gehen auch von selbst in die Dienststellen, bieten unsere Unterstützung an", sagt Zenk. Und dies stets vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes und eines Wertekanons, der sich an den allgemein gültigen Menschenrechten orientiert. Besonders die Vermittlung von Werten sei notwendiger als je zuvor, betont der Diakon. Diese Vermittlung würden die Polizeiseelsorger gerade auch im berufsethischen Unterricht während der Ausbildung junger Polizisten leisten. "Das ist kein Religionsunterricht", stellt Martin Zenk klar. Denn neben den konfessionsgebundenen Schülern gebe es ja auch die Angehörigen anderer Religionen oder Atheisten.

Weihbischof Wolfgang Bischof versteht seine Aufgabe als "Lobbyarbeit für die Polizei auf politischer, aber auch kirchlicher Ebene", wie er sagt. So beklagt der "oberste" Polizeiseelsorger die personell nicht ausreichende Ausstattung besonders der Bereitschaftspolizei. In der Kirche müsse sich die Erkenntnis durchsetzen, dass "auch Frauen Polizeiseelsorge leisten können". Nur in Bayern sind vier Pastoralreferentinnen im entsprechenden Dienst.

"Damit Polizistinnen und Polizisten ihren Dienst als Freund und Helfer für die Gemeinschaft und für eine gerechte, friedliche Gesellschaft tun können, braucht es Ethik, Werte und Tugenden sowie Sorge für die Seele", würdigte Erzbischof Ludwig Schick die Polizeiseelsorge, als er am Dienstagabend in der Kirche St. Josef/Hain für die Tagungsteilnehmer den Gottesdienst feierte. Eine gut funktionierende Polizei wiederum garantiere das Gewaltmonopol und lasse nicht zu, dass Selbstjustiz um sich greife: "Ihr Dienst kann gar nicht hoch genug in jeder Gesellschaft geschätzt werden", betonte Schick.