Zupacken in der "Räuberhöhle"
Autor: Werner Baier
Hirschaid, Montag, 19. März 2018
In der ehemaligen Grundschule in Röbersdorf trainieren Polizeibeamte aus der Region den Ernstfall.
Wanderer, hab' keine Sorge, wenn du mal am nordwestlichen Ortsrand von Röbersdorf eine ganze Flotte von Polizeifahrzeugen antriffst und einen Trupp Polizisten beobachtest, der an das Schulgebäude heranpirscht: Wo einst die kleinen Röbersdorfer in idyllischer Landschulatmosphäre das Einmaleins paukten und sich das ABC erschlossen, da trainieren jetzt die rund 500 Polizeibeamten aus den Stadt- und Landkreisen Bamberg und Forchheim für ihren Einsatz.
Nicht, wie man einem Wirt und seinen Gästen Sperrstunde gebietet, sondern wie zum Beispiel ein renitenter Familienvater aus seiner Wohnung geholt wird. Hat er sich schon in Rage gewütet, wartet er hinter der Küchentüre vielleicht mit einem zum Schlag erhobenen Tischbein, einem Filetiermesser oder einer Schusswaffe in der Hand. Einer der Ordnungshüter - das kann auch eine Polizistin sein - muss da als erster rein. Aber vielleicht prescht auch ein Schutzhund vor und beißt dem Aggressor kräftig in den Arm. Dann geht's blitzschnell und die Handschellen klicken. Auch das will geübt sein an einem Gegner, der sich nun so gar nicht fesseln lassen will, weil er vielleicht von Alkohol oder Drogen enthemmt ist.
Es tut auch dem Zuschauer weh, wenn er - ausnahmsweise - mal hinter die Kulissen des polizeilichen Alltags blicken darf und miterlebt, wie da ein den "Störer" spielender Polizist - gut geschützt mit einem dick gepolsterten Anzug - von seinen Kollegen dingfest gemacht wird. Respekt, Hochachtung gewinnt man dabei auch. Es ist gewissermaßen vertrauensbildend zu erfahren, dass unsere Ordnungshüter im Ernstfall abgeklärt und professionell zu Werke gehen werden. Jedenfalls sind sie gut vorbereitet. Freilich: Was der Adrenalinschub im Einsatz auslöst, steht dahin. Gottlob nur höchst selten endet ein Polizeieinsatz auch mit einer Katastrophe. Wundern muss das nicht.
Es ist jedenfalls nicht so wie im Kino oder TV-Krimi, dass eine einzelne Kommissarin sich versteigt, einem oder mehreren Ganoven in einem verwinkelten und vergammelten Gebäudekomplex das Handwerk legen zu wollen. Wer so eine Einsatzübung mal beobachten durfte, weiß, dass dem Verdächtigen gewissermaßen die Fetzen um die Ohren fliegen, wenn's um seine Verhaftung geht. Mehr über das, was dabei abgeht, darf oder soll hier zum Schutz der Polizeibeamten und im Interesse einer erfolgreichen Polizeiarbeit nicht verraten werden. Die Gangster sollen ja hiervon nichts lernen. Nur soviel: Kino ist was anderes. Und: Die Polizeiarbeit wird ständig den steigenden Anforderungen an den Vollzugsdienst angepasst.
Möglichst realitätsnah
Darüber informierte kürzlich Erster Polizeihauptkommissar Stefan Seuß von den "Operativen Ergänzungsdiensten Bamberg" des Polizeipräsidiums Oberfranken bei einem eigens für die Hirschaider Kommunalpolitiker arrangierten Ortstermin. Wie berichtet, hatte Hirschaid für die nicht mehr benötigte Grundschule Röbersdorf einen auf fünf Jahre befristeten Pachtvertrag mit der Landespolizei geschlossen, die auf der Suche nach einer neuen Raumsituation für die Schulungen ihrer Beamten war. In Bamberg stehen ja seit langem für Schießübungen und für das Selbstverteidigungs-Training eigene Räume zur Verfügung.Um unter realitätsnahen Bedingungen den Schutzdienst üben zu können, kam der Polizei nach Jahren des Trainings in der ehemaligen Brauerei Maisel das leere, abgeschiedene Schulgebäude sehr gelegen. Bürgermeister Klaus Homann (CSU) und die ihn begleitenden Marktgemeinderäte konnten sich überzeugen, dass die alte Röbersdorfer Schule mit ihren durch Glaswände getrennten Klass- und Nebenräumen bestens geeignet ist. Aus den "Aquarien" heraus können die Trainer den jeweiligen Übungsverlauf beobachten und beurteilen.
Gewaltbereitschaft wächst
Homann schätzt sich glücklich, auf diese Weise der Polizei behilflich sein zu können. Man braucht die Beamten ja auch fast jedes Jahr bei der Hirschaider Kerwa, wo zuletzt sogar sexuelle Übergriffe auf junge Frauen geklärt werden mussten. Und Homann konnte herzhaft lachen, als EPHK Seuß den Hirschaider Bürgermeister seinen Kollegen scherzhaft mit den Worten vorstellte: "Der ist zwar bei der CSU, aber sonst ein ganz Lieber!" Naja, manchmal wird der Bürgermeister als Verkehrssünder ertappt, weil er es häufig eilig hat. Im polizeilichen Alltag wird allerdings nicht mit Charme und Wattebäuschen gekämpft. Seuß betonte und bedauerte die zunehmende Gewaltbereitschaft in Teilen der Bevölkerung gegenüber Polizei, Feuerwehr und Sanitätern. In der Sandstraße in Bamberg könne man fast jede Nacht Menschen begegnen, die "voll bis zur Oberkante Unterlippe" alkoholisiert, außer Rand und Band seien. Jeder Streifenbeamte muss dann die richtige Handlungsweise beherrschen, um Gefahren abzuwenden.
Ebenfalls Alltag sind mittlerweile die Einsätze zur Beendigung von häuslicher Gewalt. Und erhebliche Risiken können jederzeit bei Demonstrationen oder politischen Veranstaltungen auftreten, überall, wo Menschen sich erregen - und sei es auf dem Fußballplatz.
Um dafür gewappnet zu sein, muss jeder Polizeibeamte - Frau oder Mann, jung oder in reiferen Jahren, Verkehrspolizist oder Kriminaler - in regelmäßigen Abständen zur Schulung, viermal im Jahr. Je nach Übungszweck tragen die Teilnehmer dabei ihre alltägliche Uniform, oder sie müssen in die "Schlagschutzausstattung" schlüpfen. Und wenn's extrem wird, legen die "Schüler" die "ballistische Schutzausrüstung" an. Die wiegt 16 Kilogramm und soll Schussverletzungen verhüten, wenn der Gegner feuern kann. Geübt wird dabei mit eigens präparierten Pistolen und Maschinenpistolen, mitunter verschießen die Beamten beim Training Farbmunition.
Und je nach Aufgabenstellung kommen die Polizeihunde auch bei den Übungen zum Einsatz. Da gibt's die auf Körperkontakt dressierten Schutzhunde - Ungemütliche mit sehr kräftigem Biss -, aber auch Spürnasen für Sprengstoff, Drogen oder Leichen. Einer der Polizeihunde schnuppert sogar das Geldversteck in einer Räuberhöhle. Merke: Geld stinkt eben doch! Und die Polizei ist nicht von gestern!