Druckartikel: Zieht die Chefarzt-Verteidigung den Prozess in die Länge?

Zieht die Chefarzt-Verteidigung den Prozess in die Länge?


Autor: Anna Lienhardt

Bamberg, Mittwoch, 08. Juni 2016

Verhandlungstag 54, und erneut stellten die Verteidiger von Heinz W. einen Befangenheitsantrag. Die Anwälte der Frauen reden von Prozessverschleppung.
Der Angeklagte Heinz W. (Mitte) mit seinen Verteidigern Dieter Widmann und Klaus Bernsmann. Foto: Archiv


Es war jener Antrag, der sich am Dienstag bereits angekündigt hatte: Die Verteidigung von Heinz W. lehnt Ralf Schmidt, einen der drei Berufsrichter in dem Prozess, wegen Befangenheit ab.
Rechtsanwalt Martin Reymann-Brauer gab daraufhin eine Stellungnahme ab - im Namen aller Nebenklage-Vertreter, sprich: der Anwälte, die die zwölf Frauen vor Gericht vertreten, an denen sich der ehemalige Leiter der Bamberger Gefäßchirurgie vergangen haben soll.

Brauer sagte zum Antrag der Verteidigung: "Nun sollte über eine Prozessverschleppung nachgedacht werden." Es handle sich um einen unbegründeten Befangenheitsantrag. Dieser sei zu sehen in einer Kette mit einer Vielzahl an Befangenheitsanträgen, die als unbegründet abgewiesen worden waren.


Chefarzt-Verteidiger Klaus Bernsmann konnte kaum an sich halten: "Wir haben Haft! Wir haben nicht das geringste Interesse an einer Prozessverschleppung! Das ist doch wohl eine Unverschämtheit!"
Entschieden wurde über den Befangenheitsantrag am Mittwoch nicht mehr. Dafür setzte die Zweite Strafkammer des Bamberger Landgerichts die Befragung eines Sachverständigen fort: Professor Doktor Arnulf Thiede, ein Chirurg aus Würzburg. Vorsitzender Richter Manfred Schmidt hatte eigentlich vorgehabt, die Vernehmung abzuschließen. Doch es kam anders.


Anhörung des Sachverständigen unterbrochen

Zunächst schloss das Gericht die Zuhörer aus, als der Gutachter seine Meinung zu den Aufnahmen der Opferzeuginnen erläuterte. Schon nach einer halben Stunde - in diesem Prozess eine ungewöhnlich kurze Zeit für den Ausschluss der Öffentlichkeit - ging plötzlich die Tür des Sitzungssaales auf. Betretene Gesichter.
Dann die Mitteilung: Das Gericht wolle sich beraten, zehn Minuten Pause - es wurde eine Stunde. Dann verlas der Vorsitzende Richter eine Verfügung: Die weitere Anhörung des Sachverständigen Thiede werde unterbrochen, weil dieser sich möglicherweise nicht ausreichend auf die Fragen des Gerichts habe vorbereiten können.
Klaus Bernsmann interpretierte aus Sicht der Verteidigung: Die Haltung des Sachverständigen könne Veranlassung geben, dessen grundsätzliche Eignung und Neutralität in Frage zu stellen - "wobei für mich die Eignunung im Vordergrund steht".

Bernsmann forderte außerdem "eine Sachverständigen-Stellungnahme zur Handlungsfähigkeit von Personen in gegebenenfalls sediertem Zustand" einzuholen. Einer der Gutachter, Professor Doktor Dieter Patzelt, hatte am vorhergehenden Verhandlungstag erläutert: Patienten, die das Beruhigungsmittel Midazolam erhalten hätten, seien nach dem Erwachen zwar benommen, könnten aber durchaus "planmäßig handeln" und Fragen beantworten - wobei sie den Gesprächsinhalt innerhalb kürzester Zeit vergessen würden. Der Prozess geht am Dienstag, 14. Juni, um neun Uhr weiter.