Zeichen gegen das Vergessen
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Sonntag, 26. Juni 2016
Unter großer Anteilnahme wurde in Bamberg das "Mahnmal für Widerstand und Zivilcourage" im Harmoniegarten enthüllt. Voraus ging ein Festakt.
Sie hat verschreckt, verstört, betroffen gemacht: Susanne Talabardon, Professorin für Judaistik, brachte mit ihrem Impulsreferat "Über das Erinnern" den Festakt im Foyer des E.T.A.-Hoffmann-Theaters anlässlich der Enthüllung des Widerstand-Mahnmals am Samstag mit einem Paukenschlag zu Ende. "Gedenkrituale können sich abnutzen", sagte die Professorin. "Statt Blumen und Kränze zu besorgen, könnte das Geld für die Flüchtlingshilfe gespendet werden, und man könnte persönliche Gegenstände suchen und niederlegen."
Bei dem nächsten Begriff zuckte die vielköpfige Versammlung im Foyer zusammen: "Kranzabwurfstelle" würden die Berliner die Neue Wache nennen, die Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.
Für den Festakt komponiert
Ihre Worte hallten nach, vermischten sich mit den in fast dissonante Töne gekleideten "Aufbruch-Widerstand-Stille", wie die Kammersinfonie in fünf Sätzen titelt, die der Bamberger Symphoniker Eduard Resatsch eigens für den Festakt komponiert hatte. Mit Nadine Resatsch und Laurence Forstner-Beaufils brachte er das aufwühlende Werk für Harfe, Englischhorn, Flöte, Violoncello zu Gehör.
Es wird denen allemal gerecht, denen das Mahnmal von Bamberger Bürgern für einstige Mitbürger gewidmet ist: dem Juden Willy Aron, dem Katholiken Hans Wölfel, dem Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg. "Sie zeigten, dass es Alternativen zum Menschen- und Freiheitsverachtenden Denken und Handeln der Nationalsozialisten gab", erklärte Daniel Manthey, Vorsitzender der Willy-Aron-Gesellschaft, die das Mahnmal initiiert hatte. Aron, Wölfel und Stauffenberg hätten Charakter und Zivilcourage bewiesen: "Dies konnten sie, weil sie sich einen moralischen Kompass entwickelt und bewahrt hatten, der sich aus sozialistischen, christlichen und rechtsstaatlichen Überzeugen speiste", betonte Manthey.Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) hob die Bedeutung des Mahnmals, das "gegen das Vergessen steht", für die "Erinnerungskultur in der Stadt Bamberg" hervor. Generell sei es wichtig, die Menschen unermüdlich darüber aufzuklären, "wohin eine extremistische, demokratiefeindliche, antisemitische und ausländerfeindliche Agitation unser Volk schon einmal geführt hat". So verwies Starke auch auf derzeitige rechtsradikale Straftaten, Anschläge auf Asylbewerberheime und besorgniserregende Wahlergebnisse von Neonazis. "Wir brauchen Mahnmale wie das heutige, damit in aller Öffentlichkeit Persönlichkeiten geehrt werden, die mit Mut, Hingabe und Überzeugung gehandelt und nicht weggesehen haben", sagte der OB. "Nie wieder! Nicht noch einmal!" sei die Lehre aus der jüngeren Geschichte.
Für Heidrun Piwernetz, Regierungspräsidentin von Oberfranken, haben Willy Aron, Hans Wölfel und Claus Schenk Graf von Stauffenberg eine "Vorbildfunktion für die heutige Zeit". Diese "Widerständler aus unterschiedlichen Motiven und doch gemeinsamer Einstellung" würden zum Nachdenken über Zivilcourage und Wertorientierung anregen. Es bleibe "Auftrag und Verpflichtung", dass sich die jüngere Geschichte nicht wiederhole, sagte Piwernetz. So sei das Mahnmal auch ein "sichtbares Zeichen gegen das Vergessen und für Hoffnung".
Persönliche Würdigung
Ein solches Hoffnungszeichen im Festakt setzten junge Schülerinnen der Maria-Ward-Schulen mit ihren persönlichen Würdigungen der drei Protagonisten des Widerstandes. Die Mädchen bildeten damit förmlich einen Schulterschluss mit Gleichaltrigen des Franz-Ludwig-Gymnasiums, die erst wenige Tage zuvor für ihren einstigen Mitschüler Willy Aron (von 1917 bis 1924) vor dem Haupteingang einen Stolperstein verlegt hatten. Vorausgegangen waren ein inhaltlich entsprechendes Seminar und eine Sammelaktion.
Dabei kam so viel Geld zusammen, dass neben dem Stolperstein auch noch eine Spende für das Widerstand-Mahnmal überreicht werden konnte.Nach dem Festakt zog die Schar in den Harmoniegarten, um Zeuge der Enthüllung des Mahnmals zu werden. Felix Uttenreuther entlockte seinem Instrument, eine Marimba, zu Herzen gehende Klänge. Es blieb wohl niemand ungerührt, als endlich der Augenblick gekommen war: OB Starke, Regierungspräsidentin Piwernetz und Bürgermeister Christian Lange (CSU) enthüllten die Bronzebüste von Stauffenberg, Mahnmal-Ideengeber Nikolai Czugunow-Schmitt, Daniel Manthey und Andreas Ullmann von der Willy-Aron-Gesellschaft die Büste von Willy Aron, Bildhauer Albert Ultsch und Wölfel-Biografin Mechthildis Boksch mit ihrer Enkelin Lotte die Büste von Hans Wölfel. "Es war würdig", bilanzierte Ehrengast Franz-Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg den Festakt und die Enthüllung später. Er sei froh, "dass es den Initiatoren gelungen ist, diese Art des Erinnerns zu schaffen. Demokratie lebt nicht von sich selber, daran erinnert dieses Mahnmal", fügte der Sohn von Claus Schenk Graf von Stauffenberg hinzu. Und. "Es wurde Zeit nach 71 Jahren!"