Zapfendorf: Grausame Misshandlungen durch Pfarrer - Ex-Ministrant bricht jetzt sein Schweigen
Autor: Daniel Krüger
Bamberg, Sonntag, 13. März 2022
Einen Mann aus Zapfendorf (Kreis Bamberg) hat der Missbrauchsskandal der katholischen Kirche tief aufgewühlt. Als Ministrant habe er grausame Misshandlungen durch den Pfarrer miterlebt, erzählt er gegenüber inFranken.de.
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Wenn Rudolf B. aus Zapfendorf (Name auf Wunsch geändert) in den Nachrichten von der aktuellen Missbrauchsdebatte in der katholischen Kirche liest, dann trifft ihn auch persönlich der Schmerz, wie der 68-Jährige gegenüber inFranken.de erzählt. Denn der pensionierte Lehrer habe in seiner Kindheit als Ministrant Dinge erlebt, die ihn noch bis heute verfolgen, sagt er. Seine Geschichte, sie sei über Jahrzehnte vor allem von einem Gefühl überlagert worden: Schuld. Nun wendet sich B. an die Öffentlichkeit - und konfrontiert auch die katholische Kirche mit seinen Erlebnissen auf dem fränkischen Land. Die Täter - sie würden "immer geschützt", sagt B.
Neunjährige von Pfarrer "verprügelt" - panische Angst auch im Elternhaus
Der "Urzapfendorfer", wie er sich selbst bezeichnet, sei von der dritten Klasse an bis zum Abitur Ministrant in der örtlichen katholischen Kirche gewesen. "Von Beginn an galt das Prinzip, dass du ständig mit Prügelattacken und Demütigungen rechnen musstest", erzählt B. Vorwiegend habe der Pfarrer, der auch den Religionsunterricht gegeben habe, mit der Faust auf die damals Neunjährigen eingeschlagen. "Im Schulunterricht hatte er auch einen 'Lieblingsschüler', der musste sich zu fast jeder Stunde auf den Tisch legen und wurde dann verprügelt." Obwohl er selbst von diesen Prügeln verschont geblieben worden sei, habe er "in der Sakristei und im Unterricht immer mit der Angst gelebt, der Nächste zu sein".
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Zu Hause davon zu erzählen, das habe er sich nicht getraut. "Die Kirche stand für meine Eltern über allem", sagt der Zapfendorfer. So habe er zur Strafe, die ihm der Pfarrer gegeben habe, etwa 100 Mal den Satz "Ich bin ein Depp" schreiben müssen. Dafür habe er sich "zu Hause auf der Toilette eingeschlossen, es durfte niemand mitkriegen". Einmal, erinnert sich B., sei dem Pfarrer die Hostie heruntergefallen. "Ich wollte ihn beschützen und sie aufheben, damit er nicht drauftritt. Doch er hat mir gesagt, dies sei eine Todsünde und werde mich ewig verfolgen."
Wegen eines anderen vermeintlichen 'Vergehens' habe er während des gesamten Weihnachtsgottesdienstes "wie am Pranger" am Altar stehen müssen. B. berichtet von "massivem gesellschaftlichen Druck", den es damals gegeben habe. "Das war alles im Dorf bekannt, aber jeder hat geschwiegen und sich weggeduckt." Er habe sich daher die gesamte Jugend nicht getraut, aus dem freiwilligen Ministrantendienst auszutreten - trotz der brutalen Misshandlungen. Jahrzehntelang habe er noch das Gefühl gehabt, "mit Schuld beladen zu sein" - auch dann, als der Pfarrer längst verstorben war.
"Mord an den Seelen": Zapfendorfer bis heute von Misshandlungen verfolgt
Vor etwa dreißig Jahren, "als erste Finanzskandale der katholischen Kirche ans Licht kamen", habe er sich Stück für Stück von der Institution distanziert, erzählt der Oberfranke. "Ich konnte mich nicht mehr damit identifizieren, mein Weltbild wurde immer offener", erzählt Rudolf B. "Im Glauben geht es eigentlich um eine frohe Botschaft Jesu, das habe ich erst sehr spät gemerkt."
Noch heute sei er begeisterter Pilger und beschäftige sich viel mit der Lehre des Ordensgründers Franz von Assisi, für den vor allem der Gedanke von Solidarität mit den Schwächsten, Geduld und Gewaltverzicht als mitmenschliche Ideale im Mittelpunkt stehen. Auch das Zölibat und das Verbot der Priesterweihe von Frauen sieht B. kritisch. "Ich setze mich für die Frauen ein, für Gleichberechtigung", sagt er. Und der Zapfendorfer will noch etwas: ein grundsätzliches Umdenken. "Missbrauch und Misshandlungen sind Mord an den Seelen", betont er.