Wohnpreise: Bamberg teurer als Berlin
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Mittwoch, 10. April 2013
Ein neues Gutachten bestätigt, dass Bambergs Wohnungskosten selbst eine Metropole wie Berlin in den Schatten stellen. Doch ab 2018 droht ein unsanftes Erwachen. Die Preise sollen wieder fallen. Auch der Abzug der Amis kommt für den Wohnungsmarkt zu spät.
Klaus Peter Möller ist Systemanalytiker und als solcher gewohnt mit Computerszenarien Prognosen für die Zukunft abzugeben. Auf Seite 23 des neuen Stadtentwicklungsplans Wohnen geht es um die Kaufpreise für Dreizimmer-Wohnungen in Bamberg, und der Wissenschaftler wird ungewohnt deutlich: "Nur München, Hamburg und Regensburg liegen höher als Bamberg!" Ein bemerkenswerter Vergleich: Mit einem Ende 2011 erreichten Quadratmeterpreis von 2869 Euro für eine gut ausgestattete Wohnung hat Bamberg selbst die Bundeshauptstadt Berlin abgehängt und liegt auf Augenhöhe mit Städten wie Frankfurt oder Düsseldorf.
Ein 70.000-Einwohner-Städtchen mit Immobilienkosten, wie man sie in einer internationalen Metropole erwartet? Was bisher allenfalls noch in Spielbank-Gemeinden etwa am Alpenrand zu erleben war, kennt man nun auch in Bamberg: Bezahlbarer Wohnraum ist zur absoluten Mangelware geworden. Besonders junge Familien konkurrieren um ein knappes Gut und müssen einen überproportionalen Anteil des Einkommen fürs Wohnen ausgeben.
Die Marktforscher bestätigen, was viele bereits zu wissen glaubten: Dass es die Studenten sind, denen der Boom bei den Immobilienpreisen zuzurechnen ist - neben der hohen Zahl der Arbeitsplätzen in Bamberg und der zurückgehenden Zahl der in einem Haushalt lebenden Menschen.
Fakt ist: Obwohl sich nur ein Drittel der nach 2004 immatrikulierten Studierenden mit erstem Wohnsitz in Bamberg angemeldet haben, sind es fast ausschließlich die Hochschüler, die den natürlichen Rückgang der Bamberger Bevölkerung zum größten Teil (87 Prozent) ausgeglichen haben. Anders formuliert: Nur der Zugkraft der Universität ist es zu verdanken, dass Bamberg heute noch 70.000 Einwohner hat.
Doch der Boom und damit der Wohnungsmangel steht vor einem absehbaren Ende. Laut Studie wird sich die Zahl der eingeschriebenen Studenten vom Höchststand im Jahr 2015 bis zum Jahr 2030 um rund 5000 kontinuierlich verringern. Damit kehrt sich ein wesentlicher Grund für die positive Einwohnerentwicklung Bambergs ins Gegenteil um. Es kommt zu einem anhaltenden Verlust von Einwohnern. Der wird laut Möller auch dadurch nicht ausgeglichen, dass Bamberg seine starke Stellung als Arbeitsplatzzentrum vorerst behaupten kann. Nach 2020 sehen die Prognosen einen Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um 2500.
Doch natürlich macht eine Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung in Bamberg keinen Sinn, wenn man nicht die Folgen des Abzugs der US-Armee einbezieht. Genau das war der Auftrag des von der Stadt bestellten Gutachtens.
Und die Ergebnisse lassen aufhorchen. Denn nach dem Zeitplan des Bunds werden neue Wohnungen auf dem Gelände der Warner-Barracks erst ab 2018 auf den Markt gelangen und damit viel zu spät. Nämlich dann, wenn die Nachfrage nach Geschosswohnungen bereits wieder deutlich im Sinken begriffen ist - wegen des Schrumpfens der Uni, des Wiederanstiegs der Stadt-Umland-Wanderung und einer vorhergesagten Schwächephase im verarbeitenden Gewerbe. Kernsatz von Möller: "Der auf der Stadt liegende Zuzugsdruck wird sich ab 2020 auflösen. Das bis 2018 noch weiter ansteigende Miet- und Immobilienpreisniveau wird vom dann erreichten Höchststand aus deutlich bis unter das derzeitige Niveau nachgeben." Kurz gesagt: Die hohen Preise auf Bambergs Immobilienmarkt lassen sich nur noch bis 2017 realisieren.
Muss man also einfach sechs Jahre warten, um in Bamberg eine bezahlbare Wohnung erwerben zu können? Diese Perspektive ist für Familien, die heute eine Wohnung suchen, natürlich kein Trost. Zudem gibt es Experten, die davor warnen, den Immobilienmarkt der Zukunft schlecht zu reden. Zu ihnen gehört Thomas Winkler, Immobilienexperte der Sparkasse Bamberg.
Die Prognose, dass die Kaufpreise für Wohnungen in Bamberg in anderthalb Jahrzehnten niedriger liegen könnten als heute, hält er für abwegig. "Dass die Preise fallen könnten, das hat man vor Jahren auch über den Hain gesagt. Doch statt dessen ging es immer weiter nach oben."
Derzeit bietet die Sparkasse Wohnungen auf der Erbainsel für durchschnittlich 3100 Euro pro Quadratmeter an. Winkler hält das für angemessen: "Speziell für die guten Lagen in Bamberg, etwa die Insel oder das Berggebiet, werden die Preise in Bamberg nicht fallen. Schlechtestenfalls kann es zu einer Stagnation kommen."
Der Stadt empfiehlt das Gutachten, beim Kauf des US-Geländes nicht die derzeit erzielbaren Preise für Bauland und Wohnimmobilien zu Grunde zu legen, weil ab 2018 mit Mindererlösen zu rechnen sei. Auch erwarten die Wissenschaftler erhebliche Kosten durch den dreijährigen Lehrstand der Kasernengebäude. Leitungsschäden ließen befürchten, dass die Sanierungskosten über dem zu erzielenden Kaufpreisen lägen. Ein Abriss zahlreicher Gebäude wäre die Folge.
Das Szenario sinkender Preise scheint im Rathaus nicht einmal ungelegen zu kommen. Peter Röckelein von der CSU-Fraktion sieht es zumindest nicht als schädlich an, wenn die Mieten in Bamberg wieder auf 6,50 Euro fallen würden. Zudem sei der prognostizierte Rückgang " gute Munition", um in den Konversionsverhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) zu einem für Bamberg akzeptablen Ergebnis zu kommen.
Einig ist er mit Detlev Hohmuth von der SPD darin, dass auch die geplanten Neubaugebiete wie Glaskontor und Megalith weiter vorangetrieben werden müssen, um die derzeitige Wohnraumknappheit schnell zu lindern. Ähnlich beurteilt dies auch Ursula Sowa von der GAL-Fraktion. Sie rät dringend dazu, die ersten Geschosswohnungen auf dem Kasernen-Gelände schon vor 2018 zur Verfügung zu stellen. Für ihren Kollege Peter Gack offenbaren sich im gegenwärtigen Wohnungsmangel vor allem Versäumnisse der letzten Jahre. Die Stadt habe beim Schaffen von Mietwohnungen in den vergangenen Jahren komplett geschlafen.
Ernüchtert zeigt sich CSU-Vorsitzender Helmut Müller. Entgegen seinen Hoffnungen werde der Abzug der Amerikaner nicht dazu führen, dass Bamberg wachse, sondern die Einwohnerzahlen allenfalls halten könne. Der Grund: Selbst unter der Voraussetzung, dass auf dem Konversionsgelände 1300 Wohnungen zu niedrigeren Preisen entstehen, rechnet Gutachter Möller mit allenfalls 70.500 Einwohnern im Jahr 2030. Sollte dies nicht gelingen, werde Bamberg deutlich schrumpfen.
