Druckartikel: Wo in Bamberg die Lawine rollt und rollt und rollt

Wo in Bamberg die Lawine rollt und rollt und rollt


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Dienstag, 17. Sept. 2019

Bis zu 40 000 Kfz werden in stark belasteten Straßen in Bamberg gezählt. Wie lebt es sich an einer Stadtautobahn? Und gibt es Hoffnung auf Besserung?
Der Feinstaub auf dem Fensterbrett erneuert sich täglich: Alexander Wilhelm in der Memmelsdorfer Straße  Foto: Ronald Rinklef


Es gibt Straßen, in denen mehr los ist in Bamberg. Am Berliner und am Münchner Ring reißen die Fahrzeugkolonnen auch in der Nacht nicht ab. Dafür wohnen in der Memmelsdorfer Straße viele Menschen. Und es ist nur ein Gehsteig, der die Häuser von der Straße trennt. Das kann nerven. Alexander Wilhelm ist da keine Ausnahme. Der 38-Jährige schätzt die innenstadtnahe Lage seines Wohnhauses unweit von Bahnhof und Innenstadt, aber wie viele andere seiner Nachbarn leidet auch er unter den Nebenwirkungen der viel befahrenen Memmelsdorfer Straße: "In den Stoßzeiten hat der Verkehr zugenommen. Von sieben bis neun Uhr ist es sehr schlimm. Und von 16 bis 18 Uhr ebenso."

Dabei geht es nicht nur um den unvermeidlichen Lärm an einer Bamberger Magistrale mit einer Frequenz von fast 17 000 Fahrzeugen am Tag; es geht nicht nur um die Lastwagen, die zum Bahnhof fahren und an der Ampel hörbar vibrieren. Weil die Familie im Hinterhaus zur Ludwigstraße wohnt, die Fenster zur Memmelsdorfer Straße stets geschlossen bleiben, hat sich Alexander Wilhelm mit dem Krach arrangiert. Doch gegen den Staub, der tagtäglich auf Fenster und Fassade niederrieselt, sind die Anwohner machtlos. Reifenabrieb, Ruß und aufgewirbelte Partikel verschmutzen die Häuser, kaum dass sie frisch gestrichen worden sind. Bambergs Lebensadern sind auch Dreckschleudern.

Es ist nicht so, dass die Stadt das Problem nicht erkannt hätte. Im Bamberger Norden sorgt seit einigen Jahren die Kronacher Straße für eine gewisse Entlastung. Früher rollte noch der Schwerlastverkehr durch die Memmelsdorfer Straße. Bamberg rühmt sich mit 41 Prozent zudem einer bayernweit niedrigen Quote beim motorisierten Individualverkehr. Und diese Kennziffer soll noch einmal reduziert werden - auf 25 Prozent bis zum Jahr 2035.

Das wenigstens ist die Theorie, die das Rathaus im 170-seitigen Verkehrsentwicklungsplan aufgeschrieben hat. Doch die Entwicklung der letzten Jahre scheint diese Ziele wie eine Fata Morgana in den Hintergrund zu rücken. Vor allem an den Ringstraßen und ebenso an den Ost-West-Verbindungen sind die ohnehin starken Frequenzzahlen seit 1997 nicht gefallen, sondern noch einmal kräftig gestiegen: 18 Prozent mehr Fahrzeuge wurden 2015 am Knotenpunkt Memmelsdorfer Straße/Berliner Ring registriert. Plus 20 Prozent waren es an der Kreuzung Berliner Ring/Münchner Ring.

Und da die letzten verfügbaren Messungen 2015 stattfanden, ist der Bevölkerungszuwachs der letzten vier Jahre noch nicht einmal berücksichtigt: 5000 Menschen kamen in dieser Zeit neu nach Bamberg. Nicht nur Menschen. In der gleichen Zeit wuchs die Zahl der Fahrzeuge um 3500 auf 40 000.

Michael Vogel wundert es wenig, dass die höchsten Steigerungsraten nicht irgendwo an einer Stadtautobahn festgestellt wurde, sondern mitten im Berggebiet zwischen Jakobsberg und Sutte. Mit 53 Prozent beziffern die Verkehrsplaner den Zuwachs entlang der "heimlichen Bergverbindungsstraße" seit 1997. Vogel nennt den Straßenzug so, weil die enge Gasse den Verkehr vom Domplatz zum Kaulberg aufnehmen muss. Der 67-Jährige wohnt in einem mittelalterlichen Haus, dessen Erdgeschossniveau rund 40 Zentimeter unter dem der Straße liegt. Kaum einer hält sich in der Sutte an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von zehn Stundenkilometern, und wenn ein Lieferwagen vor der Haustür parkt, wird es im Erdgeschoss dunkel. "Wir sind das Opfer der so genannten Flaniermeile Sandstraße", sagt Vogel in Erinnerung an die einst stark befahrene Durchgangsstraße. Vogel kämpft nun für eine Verkehrsberuhigung auch in Sutte und Matern, sobald dort die Kanalbaustelle einmal fertig ist.

Welche Hoffnung auf Besserung dürfen sich Anwohner an den viel befahrenen Straßen Bambergs machen? Hört man Claus Reinhardt vom Baureferat der Stadt, dann wird der Stadtrat über ein ganzes Bündel von Maßnahmen entscheiden müssen, wenn er sich im Mai 2020 neu konstituiert hat. Von der Festlegung neuer LKW-Routen bis zur Förderung von Lastenfahrrädern, von der Verkehrsberuhigung bis zur Attraktivierung der Parkhäuser reicht die Palette des Möglichen. Bernhard Leiter, der bei der Stadt Bamberg für die Verkehrsplanung zuständig ist, dämpft aber Erwartungen, die allzu hoch gehängt sind: "Die mögliche Abnahme bei den Kfz-Fahrten wird durch die Zunahme der Bevölkerung und die Zunahme der Einpendler zum großen Teil wieder aufgezehrt."