Paul Maar ist einer der Stars beim Literaturfestival in Haßfurt. Die Lesung für Kinder findet am 21. April statt.
Für zehn Tage wird Haßfurt zur Stadt der Bücher. Beim Literaturfestival vom 20. bis 30. April geben sich bekannte Autoren in der Kreisstadt im Landkreis Haßberge die Klinke in die Hand: Martin Walser, Heiner Geißler, Axel Hacke, Spiegel-Bestsellerautoren wie Klaus-Peter Wolf ("Ostfriesentod") und Paul Maar; die Aufzählung ist längst nicht komplett. Ausrichter sind der Bamberger Veranstaltungsservice und die Stadt Haßfurt.
Für den Weltstar Paul Maar ist das "Haslit", Pendant zum Literaturfestival in Bamberg, zugleich ein Heimspiel, eine Rückkehr in seine Kindheit, wo die Wurzeln vieler seiner Geschichten liegen. Er wird den kleinen und großen Zuhörern am Freitag, 21. April, um 16 Uhr in der Stadthalle "Schiefe Märchen und schräge Geschichten" erzählen, aus dem gleichnamigen Buch, das Ende 2016 im Oetinger Verlag erschien.
Das einstündige Programm ist eine Lesung mit Musik, die der Schriftsteller zusammen mit zwei bekannten Musikern bestreitet: mit dem Gitarristen und Percussionisten Wolfgang Stute und dem Allround-Musiker Konrad Haas (Querflöte, Saxophon und Keyboard). Die von Paul Maar geschriebenen Lieder hat Konrad Haas vertont, die drei Akteure singen diese dann auf der Bühne zusammen.
Es liegt in der Familie ...
Der weltweit bekannte Kinderbuchautor, Illustrator, Drehbuch- und Theaterautor Paul Maar, Jahrgang 1937, hat an die 75 Bücher und Theaterstücke geschrieben, ist auf den großen Buchmessen präsent und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Viele Stücke der "Augsburger Puppenkiste" stammen aus seiner Feder.
Die Kunst ist bei Maars Familiensache: Sein Sohn Michael ist Schriftsteller, seine Tochter Anne, ebenfalls, und sie leitet das Fränkische Theater in Maßbach. Diese Aufgabe hat sie von den Eltern ihrer Mutter "geerbt": Paul Maars Frau Nele, die ebenfalls als Autorin arbeitet, ist die Tochter von Oskar Ballhaus und Lena Hutter, die das Fränkische Theater 1946 gründeten. Neles Bruder ist der berühmte Hollywood-Kameramann Michael Ballhaus.
Viele bunte Wunschpunkte
Paul Maars bekanntester Sprößling ist freilich eine Buch- und Comic-Figur, die es inzwischen auch zu filmischem Ruhm gebracht hat, ein frecher kleiner Kerl mit ganz vielen Wunschpunkten im Gesicht: das Sams. Das Fabelwesen wird in Haßfurt nicht im Mittelpunkt stehen, sondern andere "schräge Geschichten" aus Maars Feder.
Vor 15 Jahren, so erzählt der Autor am Küchentisch in seinem Haus Bamberg bei Kaffee und Erdbeerkuchen, habe er das Theaterstück "In einem tiefen, dunklen Wald geschrieben", das spielerisch mit dem Stoff umgeht. Es wird als Musical gespielt, unter anderem am Landestheater Tübingen. Und Märchen haben ihn schon immer fasziniert, vor allem die Märchen der Gebrüder Grimm. Nach dem Motto "Was sich liebt, das neckt sich" bekam er selbst Lust Märchen zu schreiben.
Paul Maar, geboren in Schweinfurt, kehrte mit 50 Jahren, das war 1987, in seine fränkische Heimat zurück, nachdem er nach seinem Studium der Bildenden Kunst in Stuttgart lange Zeit aus beruflichen Gründen mit seiner Familie in Baden-Württemberg gelebt hatte. Die Franken, so meint der Autor, kehren im Gegensatz zu den Schwaben meist mit 50 in ihre Heimat zurück; und so war es eben auch bei ihm.
Das neue Zuhause
1987 ergab sich für Familie Maar die Gelegenheit, ein Haus in der Altstadt von Bamberg zu erwerben, wo Paul Maar heute mit seiner Frau Nele lebt. In den Sommermonaten verbringt er viel Zeit in seinem Zweitwohnsitz in Birkenfeld im Landkreis Haßberge.
Die innige Verbindung zu Franken ist in vielen seiner Bücher zu spüren. Paul Maar sagt, dass im Grunde genommen alle seine Bücher im süddeutschen Raum spielen. Das Sams ist in Bamberg zuhause, es gibt im Buch viele Bezüge zu Orten und Menschen oder auch spielerische literarische Anspielungen auf E.T.A Hoffmann.
Besonders stark ist der biografische Bezug in dem 1987 erstmals erschienenen Buch "Kartoffelkäferzeiten". Es wurde mehrfach neu aufgelegt, zuletzt 2016. Die eindrucksvolle Erzählung aus der deutschen Nachkriegszeit gilt als eines der Höhepunkte in Paul Maars Gesamtwerk. "Nach so vielen Kinderbüchern wollte ich einmal etwas für Jugendliche schreiben. Ich wollte autobiografisch aus meiner eigenen Jugend erzählen, ein Bild der damaligen Zeit beschreiben", sagt Paul Maar.
Der kleine Paul, dessen leibliche Mutter starb, als er zwei Monate alt war, verbrachte einige Jahre seiner Kindheit in Obertheres bei seinen Großeltern, die eine Gastwirtschaft besaßen - während Schweinfurt im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs versank, war es im ländlichen Theres sicher. Nach der Rückkehr seines Vaters aus der Kriegsgefangenschaft zog die Familie - der Vater hatte noch einmal geheiratet - wieder nach Schweinfurt.
Die "Kartoffelkäferzeiten"
Die "Kartoffelkäferzeiten" erzählen aus der Perspektive der elf jährigen Johanna den Alltag in einem fränkischen Dorf nach dem Krieg. Ein ständiger Mangel an Nahrungsmitteln, Kohle zum Heizen und vielen anderen lebensnotwendigen Dingen prägt den Alltag. Die Männer sind in Kriegsgefangenschaft oder verschollen. Das Buch schildert das harte Alltagsleben in einer männerlosen Familie, wie sie typisch für die damalige Zeit war.
Erzählt wird vom erbitterten Krieg der beiden Großmütter im Haus, der Freundschaft zu einem Jungen im Dorf, der Rückkehr des Vaters aus der Gefangenschaft ... Schauplatz ist Obertheres im Landkreis Haßberge, wobei dieser Ortsname im Buch nicht auftaucht; der Ort heißt - verfremdet - Hesterhausen. Hesterhausen, so der Autor, enthält alle Buchstaben des Wortes Theres, nur halt in veränderter Reihenfolge.
Um Abstand zu gewinnen, so der Autor, erzählte er die Geschichte nicht aus seiner eigenen Perspektive, sondern aus der eines Mädchens. Dieses Mädchen wiederum trägt den Namen seiner Stiefmutter. Dem Leser der "Kartoffelkäferzeiten", vor allem dem, der ortskundig ist, fällt auf, dass es viele im Buch genannte Familiennamen, Plätze und Gebäude (etwa das Schloss) noch heute gibt. Dass topographische Gegebenheiten exakt beschrieben sind.
Auf die Frage, was im Buch der Realität entspricht und was der dichterischen Freiheit entsprungen ist, erlaubt Maar einen Blick in den Werkzeugkasten eines Autors: "Wenn Personen im Buch beschrieben werden, tragen sie oft die Namen von anderen, realen Personen und haben das Aussehen einer wiederum anderen Person. Es kommen aber auch Schilderungen tatsächlicher Ereignisse und genaue Beschreibungen von Örtlichkeiten vor."
Ein Beispiel: Als Johanna ihre aus Nürnberg ankommende Oma am Bahnhof in Hesterhausen abholt, stellt sie sich vor, wie es wäre, wenn sie das Dorf zum ersten Mal sehen würde:
"Unten den Fluss, drüben die weite Mainebene und dahinter den Walfischrücken des Steigerwaldes. Diesseits die reifglänzenden Mainwiesen, die steile Böschung mit den Eisenbahnschienen, durch eine Hecke von der Straße getrennt. Hinter dem Ortschild dann das Unterdorf mit seinen zweistöckigen Fachwerkhäusern, die schmalen Giebel der Straße zugewandt, die Längsseite dem Hof ..."Die Verbindung nach Obertheres blieb auch im realen Leben erhalten. So lange sein Großvater, Georg (Schorsch) Mattenheimer lebte, hat Paul Maar ihn als junger Mann noch oft besucht. Er ist im Oberthereser Friedhof begraben. Trotz dieser Bezüge zur Heimat zieht es den Autor oft in die Ferne: "Am besten kann ich schreiben, wenn ich nicht zuhause bin", sagt Paul Maar. So ist das neue Sams-Buch, das im September 2017, kurz vor Maars 80. Geburtstag erscheint, hauptsächlich während eines Urlaubs auf La Gomera entstanden. Aus losen Episoden, die er zuvor gesammelt hatte, machte der Autor auf der Kanaren-Insel innerhalb von zehn Tagen eine ganze Geschichte.
Ein Buch über den Buch-Macher
Ganz nebenbei erwähnt der Autor, dass es anlässlich seines 80. Geburtstags im Herbst 2017 auch noch ein großes Paul-Maar-Buch geben wird, das von bekannten Illustratoren bebildert wird. 80? Kaum zu glauben. Irgendwie ist der Mann, den wohl jedes Kind kennt, frei nach Peter Maffay und "Tabaluga", selbst ein Kind geblieben.
Auf die Frage nach einem Lieblingsplatz in Obertheres beschreibt Maar eine Wiese am Main, die man nach Unterquerung der Bahnlinie erreichte: "Dort saßen wir und haben unseren Freunden Geschichten erzählt." Die Wiese gibt es immer noch, und Paul Maar ist geblieben, was er schon damals war: ein liebenswerter Geschichtenerzähler.
Literaturfestival
Gäste Das Literaturfestival in Haßfurt läuft vom Donnerstag, 20., bis 30. April. Zu Gast sind Martin Walser, Paul Maar, Klaus-Peter Wolf und Bettina Göschl, Bas Böttcher, Fin-Ole Heinrich, Ursula Poznanski, Axel Hacke, Heiner Geisler, Benedict Wells, Amelie Fried, Fritz Egner und Alexandra Helmig.
Karten gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen telefonisch unter der Hotline 0951/23837 oder unter
www.kartenkiosk-bamberg.de Weitere Informationen zum Programm und zu den Autoren findet man im Internet unter der Adresse
www.haslit.de