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Windhauch für ein altes Handwerk


Autor: Matthias Litzlfelder

Bad Kissingen, Freitag, 24. August 2018

Seit einem Dreivierteljahr sind Orgelbau und Orgelmusik Teil des Weltkulturerbes der Unesco. Ein Titel, der gleichzeitig ein Weckruf ist. Denn die Bautradition ist in Gefahr. Das zeigt ein Blick auf Frankens Orgelbauer.
Orgelbaumeister Thomas Eichfelder blickt aus dem Gehäuse der gerade im Bau befindlichen Orgel für die Kirche in Altenbanz (Landkreis Lichtenfels) Foto: Barbara Herbst


2264 Jahre soll es her sein. So lange gibt es Orgeln. Ein Grieche in Alexandria hat nach der Überlieferung die erste gebaut: eine Wasserorgel, die mit Druckluft verschiedene Töne erzeugte.

Jahrhunderte sind vergangen. Und das Instrument, das gerne als Königin bezeichnet wird, ist nahezu überall gegenwärtig - vor allem in Kirchen, insbesondere in deutschen.

Im Dezember 2017 hat die Unesco Orgelbau und - musik zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Beide sind in Deutschland so präsent wie kaum irgendwo. Das zeigt schon die Statistik. Bundesweit gibt es mehr als 50 000 Instrumente. Rund 400 Handwerksbetriebe mit insgesamt etwa 1800 Mitarbeitern bauen Orgeln für die ganze Welt.

Ein Zehntel früherer Aufträge

Blickt man auf Franken, so gibt es hier 15 Orgelbaubetriebe. Das klingt gar nicht schlecht. Wer aber mit den fränkischen Orgelbaumeistern spricht, merkt sehr schnell, dass das Wort "Bau" oft nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Die meisten Betriebe leben von Restaurierung, Wartung oder Stimmen bestehender Werke. Einen Auftrag für einen Neubau hatten sie mitunter seit Jahren nicht mehr.

"In den 1980er Jahren wurden in Deutschland noch jährlich zwischen 300 und 400 Orgelneubauten in Auftrag gegeben. Aktuell sind es pro Jahr noch zwischen 30 und 40 Orgeln", berichtet Michael Stumpf, Orgelbaumeister aus Bad Kissingen. "Der Kuchen wird kleiner", sagt sein mittelfränkischer Kollege Jürgen Lutz aus Feuchtwangen.

Das liegt vor allem am Hauptauftraggeber: den Kirchengemeinden. In Zeiten rückläufiger Gottesdienstbesucherzahlen und Zusammenlegung von Pfarreien wird von den Kirchen trotz niedriger Zinsen weniger Geld ausgegeben. War der Pfarrer früher stolz auf sein Kirchenschiff und seine Orgel, so betreut er heute mitunter zehn solcher Bauten und Instrumente.

"Immer etwas zu tun"

Klagen kommen von den fränkischen Orgelbauern dennoch kaum. Der Orgelneubau sei zwar rückläufig, sagt Orgelbaumeister Dominik Friedrich aus Oberasbach. Die bestehende Orgellandschaft biete aber ein weites Betätigungsfeld. "Wir betreuen etwa 400 Orgeln. Da ist immer etwas zu tun", erzählt Friedrich, der die Orgelbauwerkstatt 2009 von seinem verstorbenen Vater übernommen hat.

"Leicht war es nie", meint Andreas Hemmerlein. Der 54-jährige Orgelbaumeister führt in Cadolzburg einen Betrieb mit fünf Mitarbeitern. Es habe immer Perioden gegeben, in denen es der Orgelbau schwierig hatte, etwa Anfang des 19. Jahrhunderts zur Zeit der Säkularisation. "Man lässt sich nicht unterkriegen."

Kleine Firmen die Regel

Auch Orgelbaumeister Edgar Töpfer aus Albertshofen im Landkreis Kitzingen sagt, er baue zwar keine neuen Orgeln, habe aber mit Restaurierungen "unglaublich viel zu tun". Einzelkämpfer wie Töpfer, den noch eine Teilzeitkraft unterstützt, sind beim Beruf des Orgelbauers keine Seltenheit. Die meisten Orgelbaufirmen in Deutschland arbeiten mit ein bis vier Beschäftigten.

Frankens größter Betrieb

Betriebe wie der von Herbert Hey in Ostheim vor der Rhön gehören mit zehn Mitarbeitern schon zu den großen. Hey ist eine der wenigen fränkischen Orgelbaufirmen, die international tätig sind. Die Ostheimer haben nicht nur die erste Kirchenorgel in China gebaut (in einer katholischen Kirche in Nanjing), sondern auch die lauteste Orgel der Welt. Deutschlands wohl größter Orgelbauer hat übrigens 60 Mitarbeiter: die Firma Klais in Bonn.