Druckartikel: Windbeutel für die Scheßlitzer "Windbeutel"

Windbeutel für die Scheßlitzer "Windbeutel"


Autor: Sabine Christofzik

Scheßlitz, Freitag, 29. August 2014

Die Scheßlitzer haben nicht nur diesen amüsanten Spottnamen - sie essen die luftige Leckerei auch recht gern. Wie kommt der Wind in die Beutel? Wir schauen bei Konditormeister Friedrich Schmittinger in die Backstube. In diesem Bericht finden Sie Video und das Rezept zum Nachbacken.
Fertig! Konditormeister Friedrich Schmittinger stellt die fertigen Windbeutel in die Verkaufstheke.  Foto: Matthias Hoch


Aha! Aha? Mindestens ein dutzend Mal gesagt (und noch öfter gedacht). Gleich von zwei erwachsenen Leuten. Ist soviel Staunen erlaubt, wenn's "bloß" ums Backen geht?

Staunen ist immer erlaubt! Die Bisquitplatten waren doch nicht mal fünf Minuten drin, oder? Noch weniger sogar: drei Minuten. Die Temperaturanzeige am Backofen steht ja auch auf 247 Grad. Und das, was mal eine Sahneroulade werden soll, ist vollkommen gleichmäßig durchgebacken.

Da gibt's einen viereckigen Metallrahmen, mit dem sich der Teig so aufs Blech streichen lässt, dass später keine zu flach und zu braun geratenen Ränder abgeschnitten werden müssen. Aha.




Brot hat Vorfahrt um diese Tageszeit. Da müssen die Brandteig-Häufchen warten, bis sie an der Reihe sind.

Ein Teil der Brötchen ist schon im Verkaufsraum und Baguettes kühlen gerade ab, als Konditormeister Friedrich Schmittinger um kurz vor 6 Uhr die Zutaten für die Windbeutel abwiegt - das Gebäck, dass in Scheßlitz, gerade auch zur Kerwa-Zeit, mit einem Augenzwinkern gegessen wird. Denn die Stadtbewohner werden "Windbeutel" genannt. Und wie der Wind in die Beutel kommt, schauen wir uns bei einem Fachmann an.

Wasserdampf bläst den Teig auf
Der Brandteig heißt so, weil er "abgebrannt" wird. Alle Zutaten, außer den Eiern, die später dazukommen, werden kurz aufgekocht. Beim Backen bilden sich dann in der Teigmasse große Hohlräume durch den Wasserdampf, der aus der Kruste (aus der verkleisterten Stärke des Mehls und aus dem geronnenen Eiweiß der Eier) nicht entweichen kann. Das Gebäckstück wird aufgeblasen. Da ist er, der Wind.

Das Ganze ist fast so empfindlich wie ein Soufflee. "Bis zum Ende der Backzeit: Finger weg von der Ofentür!", rät der Konditormeister allen, die sich an die nicht ganz unkomplizierte Zubereitung wagen wollen. Kommt zu früh kühle Luft dran, war's das mit dem Wind. Dann hat man auch keine Beutel, sondern zusammengefallene Häufchen, die man nicht mal aufschneiden kann.

Der Dreh mit den Dosen
Deshalb gibt es den Dreh mit den Dosen. "Ich zeig's Euch", sagt Friedrich Schmittinger, und stülpt über zehn von 20 Teigrosetten leere Konservendosen. Die anderen besprüht sein Vater Alois kurz mit Wasser. "Windbeutel brauchen Feuchtigkeit beim Backen. Unter der Dose verdunstet fast nichts. Da könnte man sogar die Tür zwischendurch kurz aufmachen. Den geschützten passiert nichts".

Nun hat der Herd zu Hause zwar ein Fenster - aber was nützt das, wenn man die "behüteten" Teigstücke nicht sieht? Wann sind sie braun genug; wann sind sie zu braun? "Erfahrungswerte sammeln. Das geht uns genauso, wenn wir was ausprobieren", sagt der Back-Profi. Dafür gibt es dann, wenn man den Bogen raus hat, beinahe eine Gelinggarantie. Vorausgesetzt, der Teig ist richtig gemacht ...

Das Blech kommt aus dem Ofen. Wir sind gespannt. Die mit Wasser besprühten Windbeutel sind wunderbar aufgegangen. Bisschen dunkel zwar, aber ansonsten so, wie sie sein sollen.

Einfach mal ausprobieren!
Die zehn "Kandidaten" unter den Dosen? Perfekt! Dass sie nicht ganz so groß sind, liegt daran, dass Friedrich Schmittinger einen anderen Spritzbeutel mit einer schmaleren Sterntülle genommen und die Teigportionen etwas kleiner gemacht hat. Es geht also mit und ohne Schutzhaube. Aber wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte das mit dem Abdecken mal ausprobieren.

Nach dem Abkühlen geht's an Füllen. Daheim hergestellter Schlagrahm ist meist recht schwer und "dicht". Konditorprodukte sollen leicht und locker sein. In der Backstube des Café Schmittinger gibt es auch dafür ein kleines Helferlein: den Sahnebläser. Der schlägt nicht nur, sondern arbeitet gleichzeitig auch Luft mit ein. Einmal mehr: Aha!

Mit Wartezeit, Backzeit und Abkühlzeit sind fast eineinhalb Stunden vergangen. Währenddessen sind unter anderem Kuchen gebacken und Krapfen vorbereitet worden (schließlich ist Kerwa).

Vor unseren Augen hat Alois Schmittinger eine "Schwarzwälder-Kirsch" entstehen lassen, in einem Tempo und mit einer Präzision, die Laien verblüfft. Für die Eisenbahn-Torte, die er kürzlich im Auftrag des Bayerischen Kabinetts für das "Geburtstagskind" Horst Seehofer angefertigt hat, dürfte er etwas länger gebraucht haben.

Brötchen am Anfang und am Ende
Apropos "etwas länger". Ein sehr großes Helferlein sorgt dafür, dass die Schmittinger-Mannschaft in der Regel nicht mitten in der Nacht aufstehen muss: der Gärunterbrecher. Aus dem holt Friedrich Schmittinger als erste "Amtshandlung" gegen 4.45 Uhr die bei drei Grad gekühlten Brötchen-Teiglinge, die am Nachmittag zuvor hergestellt wurden.

Der Backofen hat sich schon eine Stunde früher selbst eingeschaltet. "Wir müssen zwar früh nicht ganz so früh raus, aber die eingesparte Zeit hängen wir wieder dran, denn Brötchen sind bei uns die erste und die letzte Arbeit des Tages".

Am Samstag um 14.30 Uhr beginnt der große Kirchweih-Umzug durch die Stadt, bei dem die "Schäätzer" sich nie lumpen lassen und die Gäste am Straßenrand mit allerhand Nahrhaftem versorgen. Sahne bei sengender Sonne ist nicht so ideal. Ob (Mini)-Windbeutel dabei sind, hängt unter anderem vom Wetter ab.


Warum werden die Scheßlitzer "Windbeutel" genannt?
Wo liegt der Ursprung dieses Spottnamens? Wenn es einer wissen muss, dann der Bürgermeister.
"Eine historisch fundierte Aussage gibt es leider nicht", bedauert Roland Kauper.

"Auf gut fränkisch vermutet man, dass die ,Schäätzer scho immer mords Schbrüch geklobft und a großa Klabbn kobbt hom aus der blos haase Luft raus kumma is'. Es gab auch einmal die Aussage, wenn drei Scheßlitzer zusammenstehen und sich wichtigtuerisch unterhalten, dann ist das die , Schäätzer Lüg' und somit waren sie die ,Schäätzer Windbeutel'. Aber dies alles unter Vorbehalt."


Das Rezept (für mindestens 20 große Windbeutel)

Zutaten: 250 Gramm Milch, 250 Gramm Wasser, 150 Gramm Fett (Butter oder Margarine oder halb und halb), 250 Gramm Mehl, bis zu acht Eier, eine Prise Salz, etwas Zitrone und Vanille.

Milch und Wasser mit dem Fett sprudelnd aufkochen. In die Flüssigkeit das Mehl einrühren. Durch die Hitzeeinwirkung verkleistert die Stärke, hierbei muss die Masse ständig gerührt werden. Sobald sie sich von der Topfwand ablöst und glatt wird , lässt man sie leicht abkühlen, fügt die Eier hinzu und rührt, bis sie cremig ist.

In einen Spritzbeutel mit nicht allzu enger Sterntülle füllen und Rosetten auf ein leicht gefettetes oder mit Backpapier ausgelegtes Blech spritzen.

Wer den Trick mit den Dosen nicht ausprobieren will, sollte die Teighäufchen mit etwas Wasser besprühen und zusätzlich ein Schälchen Wasser in den Ofen stellen.

Die Backzeit (bei mindestens 220 Grad) ist abhängig von der Menge der Windbeutel auf dem Blech. Bei der Dosenvariante ab besten ein Exemplar unbedeckt lassen, um den Bräunungsgrad feststellen zu können. Er wird unter der Abdeckung etwas geringer sein.

Die Windbeutel abkühlen lassen, aufschneiden und mit leicht gesüßter Schlagsahne füllen. Nach Belieben mit einem Löffel Sauerkirschen, gewürzt mit etwas Zimt, dekorieren (oder mit anderem, nicht zu "nassem" Kompott). Teigoberteil auflegen und mit Puderzucker bestäuben.