Druckartikel: Willkommen in Franken

Willkommen in Franken


Autor: Günter Flegel

Eltmann, Freitag, 24. Juli 2015

Massenquartiere hier, Gastfreundschaft da, Vorbehalte andernorts: Wie begegnet man den Flüchtlingen? Im Landkreis Haßberge liegen Vorbild und Vorurteil nah beinander.
Heinrich Albert und seine Gäste Foto: Günter Flegel


In Eltmann, der kleinen Stadt am Main im Landkreis Haßberge, steht an diesem Wochenende alles im Zeichen der Biertage. Tausende Gäste werden feiern, Musik hören, anstoßen und fröhlich sein. Franken von seiner schönsten Seite. Doch mitten in der Stadt und im Trubel steht ein Haus, dessen Bewohnern nicht wissen, ob sie jemals wieder unbeschwert fröhlich sein können. Sie haben Krieg, Verfolgung und Flucht hinter sich und jetzt ein Dach über dem Kopf.

30 Flüchtlinge beherbergt Heinrich Albert seit dreieinhalb Jahren in seiner Pension. Damals hat die Regierung von Unterfranken das verwinkelte Haus in der Innenstadt "vorübergehend" angemietet, weil die zentralen Unterkünfte für Asylbewerber in der Region keine Flüchtlinge mehr aufnehmen konnten. "Ich habe gerne geholfen, und ich helfe weiter", sagt Albert, den alle hier nur Heinrich rufen und der seinen Schützlingen mit seiner bisweilen rustikalen Gastfreundschaft einen Kurs "Fränkisch für Anfänger" im Schnelldurchlauf vermittelt. "Gedd amal her jezzert, mir machn a Foddo", ruft er im Innenhof seiner Pension, die ein kleines Spiegelbild der Flüchtlingssituation in Deutschland ist: Iran und Irak, Pakistan, Syrien, die Balkanländer: Wer nach Eltmann kommt, hat einen langen und steinigen, oft lebensgefährlichen Weg hinter sich.

Immer nur "Hauen"

Mamoun zum Beispiel. Der Student aus Damaskus nutzte vor einem Jahr die Chance, seine Heimat zu verlassen. Eines der ersten Wörter, die Mamoun auf Deutsch sagen konnte, war "Hauen": Das steht für den größten Teil seines Lebens vor Eltmann in einem Land, das schon lange keinen Frieden mehr kennt. Hauen, Gewalt, prägt den Alltag; der junge Syrer hat Verwandte und Freunde zurückgelassen und weiß nicht, ob sie noch leben, ob es für ihn ein Wiedersehen, ein Zurück gibt. Das Haus seiner Eltern wurde von einer Bombe in Trümmer gehauen, sie überlebten wie durch Zufall, weil sie zu diesem Zeitpunkt bei Freunden waren, erzählt Mamoun. "Man weiß noch nicht einmal, von wem die Bombe geworfen wurde", sagt er. Regierungseinheiten, Rebellen, eine der IS-Truppen, die das Chaos in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land ins Unermessliche gesteigert haben.

Für Albert ist die Fürsorge um die immer wieder neu gemischte bunte Gesellschaft inzwischen so etwas wie ein zweiter Lebensinhalt geworden. Vom Fahrdienst bis zu den tausend Kleinigkeiten, die einem Menschen das Leben in einem fremden Land ein bisschen leichter machen, ist "der Heinrich" zu einem der vielen positiven Beispiele geworden, die ebenso wie die Schicksale der Flüchtlinge in keine Statistik passen.

Gäste und andere Gäste

Ein paar Kilometer weiter gibt es ein ganz anders Bild. Da gibt es einen Wirt, der auch helfen, Flüchtlinge in seinen Fremdenzimmern einquartieren will. "Ich bin vor vielen Jahren selbst als Fremder gekommen. Viele haben mir geholfen und ich konnte mir etwas aufbauen", erzählt er. Jetzt schneidet ihn die Dorfgemeinschaft. Der Eigentümer des Gasthauses droht mit Kündigung, einige der Ortsvereine mit Boykott. Trotzdem geht es bei dem Wirt sehr multikulturell zu: Im Biergarten unterhalten sich Gäste auf Holländisch, andere auf Französisch; Radfahrer vom Mainradweg mitten unter vielen Franken. "Gibt es zweierlei fränkische Gastfreundschaft?" Der Wirt versteht die Welt nicht mehr.