Willkommen im Vorhof zur Hölle!
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Samstag, 29. Dezember 2012
Einblicke ins Bamberger Malefizhaus gibt der neu erschienene Band "Die Hexenbrenner von Franken". Historisch interessierten Leser erläutern Ralph Kloos und Thomas Göltl "Die Geschichte eines vertuschten Massenmordes".
Von weit her kamen die Menschen, um "Hexen" am Schwarzen Kreuz (Schönleinsplatz) brennen zu sehen. Schaubuden wurden errichtet. Fliegende Händler erwarteten das Volk um den Scheiterhaufen. Mitgefühl erübrigte sich, nachdem die "Druden" im Malefizhaus ja teuflische Vergehen gestanden hatten. Vom Hexengefängnis der Franz-Ludwig-Straße aus, wo spezielle Bamberger Foltermethoden angewandt wurden, brachte man die Verurteilten zur Richtstätte, um sie an den Pfahl zu ketten. Schon Kinder spielten im 17. Jahrhundert Hexenverbrennung, nachdem sie in diese heute kaum mehr vorstellbare Realität wuchsen. Die "Traumstadt der Deutschen" war ein Ort des Grauens, da der Hexenwahn nirgendwo schlimmer als im Herzen Frankens wütete. Das betonen Ralph Kloos und Thomas Göltl, die die "Geschichte eines vertuschten Massenmordes" unter dem Titel "Die Hexenbrenner von Franken" aufarbeiteten.
Vier Jahrhunderte nach den ersten groß angelegten Hexenverfolgungen, die das dunkelste Geschichtskapitel des Hochstifts prägten, veranstaltete die Stadt diverse Vorträge, Führungen und Ausstellungen. Währenddessen brachte Kloos als Bamberger Kunsthistoriker mit Göltl als Bamberger Sprachwissenschaftler Ergebnisse jahrelanger Forschungen auf den Markt. Ohne reißerische Darstellungen begleiten die Autoren Leser in die Vergangenheit, um die Ursprünge des Hexenwahns zu beleuchten und dabei beliebte Irrtümer auszuräumen.
Beispielsweise entsprang jener Fanatismus nicht dem "finsteren" Mittelalter, sondern der beginnenden Neuzeit. An der Schwelle zur Renaissance schwand dank Wissenschaft und Aufklärung das "größte Kapital der Herrschenden, insbesondere der Kirche", wie die Autoren erläutern: Unwissen, mangelnde Bildung. Zum bloßen Machterhalt beschworen "Gottesdiener" demnach neue Ängste und Feindbilder, nachdem das Volk christliche Werte zu hinterfragen begann.
Einwohnerzahl sank von 12.000 auf 7000
Schon im frühen 13. Jahrhundert hatte Papst Innozenz III. die Inquisition als Verfahrensform zur Aufspürung, Bekehrung oder Verurteilung von Ketzern entwickelt. Der 1486 erschienene "Hexenhammer" des Dominikaners Heinrich Kramer verbreitete die aberwitzigen Theorien dank der neu entwickelten Kunst des Buchdrucks als Handbücher und Anleitung für Inquisitionsverfahren. Aber gerade auch Protestanten zeichneten sich in jenen Jahren durch besonderen Fanatismus aus, nachdem sie noch "obrigkeitsgläubiger" und "anfälliger für Satanshysterie" als Katholiken waren. Schon Luther predigte Christen im Jahr 1526: "Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an." Während Calvin erklärte, Gott selbst habe die Todesstrafe für Hexen festgesetzt, und überzeugt war, niemand sonst habe die Pest in Genf heraufbeschworen.
Zurück in wahrlich finstere Zeiten führte die Hexenverfolgung also schon vor dem Dreißigjährigen Krieg. Er ließ die Bamberger Einwohnerzahl von 12.000 auf 7000 sinken. Zudem verschlimmerte eine "kleine Eiszeit" die Lebensbedingungen. Missernten, Hungersnöte und Krankheiten ängstigten die Menschen, die nach Erklärungen suchten und sie im Schadenszauber und anderen vermeintlichen Übeltaten der Hexen fanden. Allwöchentlich predigten ihnen Geistliche wie Dr. Friedrich Förner, der vor 400 Jahren als Weihbischof auf der Kanzel von St. Martin stand, auch Hass und Irrglauben. Im Hauptsmoorwald sollten sich Hexen nachts zu Teufelstänzen treffen - 3000, wie Folteropfer "gestanden". Warum sollten verängstigte Bamberger anfangs also gegen die Verfolgung von Männern und Frauen sein, die sie zu verhexen suchten?
Tötungsmaschinerie der Fürstbischöfe war einmalig
So wurde Bamberg zum Synonym des Schreckens. Allein 884 Opfer des Hexenwahns lassen sich im Hochstift bis heute über Prozessakten belegen: Männer und Frauen, deren Schicksal bis 1632 besiegelt war, während die Autoren von einer Dunkelziffer von über 1000 Menschen sprechen. "Sowohl an Quantität als auch an Härte war die Tötungsmaschinerie der Fürstbischöfe einmalig", meinen Kloos und Göltl. Auf diese Weise richtete man zwischen 1626 und 1630 neben einfachen Bürgern fast alle Stadträte hin, ebenso fünf Bürgermeister.
"Ausgelöscht" wurde die Schicht wohlhabender Kaufleute. Alle Bamberger Hebammen starben auf dem Scheiterhaufen. "Selbst vor dem eigenen Domkapitel machten die Hexenjäger nicht halt." Als Pfarrer von St. Martin landete Michael Cötzner in den Flammen. Als langjähriger Vorsitzender der Hexenkommission starb Dr. Georg Haan samt seiner Familie.
Unvorstellbar, dass sich all das Leid, all die Grausamkeiten jener Zeit in den vertrauten Ecken und Winkeln Bambergs ereigneten: am Schönleinsplatz, wo Unschuldige den Feuertod erlitten. In der Alten Hofhaltung, wo Georg Haan enthauptet und öffentlich zur Schau gestellt wurde. In der Franz-Ludwig-Straße, wo das Malefizhaus im Renaissance-Stil als stattliches Anwesen Zeichen setzen und Menschen mahnen sollte. Absurderweise stand das Hexengefängnis den Autoren zufolge neben dem "Backhäusla", das sich alle Jahre wieder im Advent zum "Hexenhäusla" wandelt. Eine Ironie des Schicksals, wie der Zeiler Straßenname "Am Brennofen".
Boden mit spitzen Pyramiden überzogen
Bis ins Detail rekonstruieren Kloos und Göltl das Malefizhaus, das 1627 entstand. Längst quollen Büttelstuben und andere Folterkammern über, nachdem die Zahl der Anschuldigungen, Inhaftierungen und Untersuchungen "explodierte". In drei Monaten war der Prachtbau errichtet worden: "Von außen ein Schmuckstück, von innen der Vorhof zur Hölle". Zum prächtigen Haupthaus gehörte beispielsweise das "gefaltet Stüblein", dessen Boden mit spitzen Pyramiden überzogen ein einziges Marterinstrument war, das Gefangene weder stehen noch schmerzfrei sitzen oder liegen ließ. Wenige Meter weiter außerhalb des Haupthauses ging's zum eigentlichen Foltergefängnis ("Peinliche Frag"), das sich ebenfalls innerhalb des Komplexes befand, umgeben von hohen Mauern.
Vieles mehr noch erfahren Leser über die Haftbedingungen, Prozessabläufe und Hinrichtungen von Menschen, deren Schicksale sich mit dem Malefizhaus verbinden. Auch Dorothea Flock wurde hier eingekerkert, nachdem man die Frau eines Bamberger Ratsherren anonym des Ehebruchs beschuldigte. Eine gesunde Tochter brachte die 22-Jährige noch zur Welt, bevor man sie enthauptete und verbrannte. Nur wenige Minuten später traf ein Dekret des Papstes Urban VIII. ein, der für die Rettung der jungen Mutter plädierte.