Das Team des Dientzenhofer-Gymnasiums wird mit "Kasimir und Karoline" zu zwei Festivals eingeladen. Zu Besuch bei der Generalprobe.
Generalprobe im Mehrzweckraum des Dientzenhofer-Gymnasiums, noch zwei Wochen bis zu den Bayrischen Schultheatertagen in Vaterstetten. Das heißt: Jetzt müsste doch eigentlich alles klar sein, noch ein letzter Durchlauf "Kasimir und Karoline", aber nur zur Sicherheit. Oder?
Tatsächlich scheint es im Oberstufen-Theaterteam von Dominik Stoecker und Ludwig Bieger noch einen gewissen Verhandlungsbedarf zu geben. "Habt ihr euch jetzt geeinigt, wo ihr stehen wollt?", fragt Stoecker. "Das machen wir spontan", entgegnet Manuel Roser aus der Gruppe, die sich, streng gekleidet in Weiß und Schwarz, lose gruppiert.
Am 22. Juli spielt die Gruppe ihr Stück bei den Theatertagender Bayrischen Gymnasien in Vaterstetten. Zum siebten Mal in Folge erreichte das Duo Stoecker-Bieger diese Auswahl. Im September dann steht die Fahrt nach Berlin an, wo das DG Bayern beim Schultheater der Länder vertritt. Das Festival findet seit 35 Jahren statt, Oberfranken allerdings durfte erst einmal mitspielen, 2012, auch damals: Dientzenhofer Gymnasium, Stoecker-Bieger.
Neue Form des Theaters
Seit Jahren verfolgen die beiden einen konsequenten Weg, der Schultheater auf ein neues Niveau hebt: durch stark abstrahierende Eingriffe in den Text, Auflösung von Figurenspiel, durchchoreographierte Gruppenszenen und den Einbezug tänzerisch-performativer Elemente. Das DG macht Theater, wie man es von Schülergruppen normalerweise nicht zu sehen bekommt und wird dafür auch auf Bundesebene honoriert.
Der besondere Clou von Kasimir und Karoline, Ödön von Horvaths Oktoberfeststück, uraufgeführt 1932, ist das partizipative Element. Die Inszenierung entsteht nicht als Folge einer Top-down-Regie, sondern durchs gemeinsame Spiel und den Mut zur Improvisation. Die Schülerinnen und Schüler, allesamt elfte und zwölfte Klasse, bzw. frische AbiturientInnen, haben nicht nur ein Mitspracherecht, sie bestimmen, wie gespielt, wie das Stück umgesetzt wird. Keine Aufführung ist wie die andere und auch in der Generalprobe muss freilich nachverhandelt werden: "Unsere Position muss aber da sein." - "Und ihr sitzt auch eigentlich." Normal.
Die Geschichte
Die Geschichte spielt im Jahr 1929. Ein Paar, eingespannt in den höllischen Trubel des Oktoberfests, erfährt sehenden Auges wie ihre Beziehung dahinbröckelt. "Kasimir und Karoline" ist einerseits ein sozialkritisches Stück, das in der verzweifelten Armut des Protagonisten, Klassenunterschiede der Zeit thematisiert, andererseits ein volksnahes Beziehungsstück. Die DG-Theatergruppe konzentriert sich auf den Kern, den es freigelegt hat, Stolz und Kränkung, wodurch ein Stück entsteht, an dem die Jugendlichen 2019 leicht andocken können.
Anna Kroll und Michael Lehn bekommen den größten Raum im Sinne eines klassischen Schauspiels. Aber auch sie bleiben der Figur Kasimir oder Karoline nicht verhaftet. Drum herum wogt wie ein Fischschwarm die Menge, die quasi aus dem Stück purzelt und Horvarths Worte in Gestik und Choreografie übersetzt. Das funktioniert, wissen Zuschauer, die die Premiere im vergangenen Jahr gesehen haben, ohne dass die Inszenierung verrätselt geraten würde. Und dann, zwischendurch, granithaft, diese Horvarthsätze: "Wir sind halt heutzutage alle älter als wie wir sind." Wie wahr das auf einmal wieder ist.