Wie die Konzerthalle an der Regnitz zum Klang-Labor wird
Autor: Jochen Berger
Bamberg, Samstag, 24. November 2018
Wie der schwedische Klarinettist und Dirigent Martin Fröst beim Debüt an der Regnitz Klassik und Moderne faszinierend verbindet.
Martin Fröst ist ein Musik-Verführer. Der schwedische Klarinettist und Dirigent ist ein Musiker, der mit besonderer Vorliebe in die Rolle des unerschrocken neugierigen Fremdenführers durch das faszinierend vielfältige Wunderreich der Klänge schlüpft.
Wenn Fröst als Klarinette spielender Dirigent auf dem Podium steht wie beim Studentenkonzert der Bamberger Symphoniker, muss niemand mehr Angst haben vor moderner Musik. Schräge Klänge, komplexe kompositorische Strukturen, neue Töne, die unbekannten Regeln folgen? Bei Fröst ist das scheinbar überhaupt kein Problem. Das Publikum lauscht ihm gebannt, auch wenn es die Musik, die er spielt, gar nicht kennt oder nicht auf Anhieb völlig versteht. Denn Fröst gelingt es, die Faszination, die die Musik auf ihn ausübt, scheinbar selbstverständlich auf seine Zuhörer zu übertragen.
Mitreißender Schwung
"Retrotopia" hat Fröst sein aktuelles Projekt mit einem nur scheinbar verrätselten Motto versehen. Denn schnell entschlüsselt sich das Wort-Gebilde als Kombination aus Retrospektive und Utopie, aus Rück- und Ausblick. Im Fall von Mozart und Beethoven klingt die vermeintlich betagte Musik in Kombination mit zeitgenössischen Klängen keineswegs alt, sondern fast unbekümmert frisch.
Mozarts Ouvertüre zu "Hochzeit des Figaro" - Fröst lässt sie von den Bamberger Symphonikern mit Elan und geschärften Konturen musizieren. Und Beethovens gerne unterschätzte "Vierte" - sie enthüllt in seiner Interpretation mitreißenden Schwung, aber auch gesangliche Feinheiten.
Martin Frösts Dirigat wirkt dabei wie eine in die Luft geworfene Zeichnung.
Bei Mozarts Ouvertüre wie bei Beethovens "Vierter" scheint Fröst vor allem an den Linien und an den Spannungskurven der Musik interessiert, die er mit vibrierender, manchmal fast nicht zu bändigender (Bewegungs-)Energie nachzeichnet. Das Orchester folgt seinem herausfordernden Dirigenten mit großem Elan und großer Konzentration.
Schroff und zärtlich
Ausschließlich moderne Klänge dann im zweiten Teil - Klänge freilich, die beweisen, dass niemand vorauseilend Angst vor dem Etikett zeitgenössisch haben muss. Jacob Mühlrads "Angelus Novus", inspiriert von einer aquarellierten Zeichnung Paul Klees aus dem Jahr 1920, entfaltet eine beachtliche Sogwirkung.