Wie Bamberger Tüftler und Unternehmer der Krise trotzen
Autor: Sebastian Schanz
Bamberg, Montag, 30. März 2020
Ein Strullendorfer Schnapsbrenner versorgt Apotheker und Einrichtungen mit kostenlosem Alkohol zur Desinfektion. Den Rohstoff dafür liefern ihm viele Privatleute aus der Region.
80 Prozent Alkohol, 100 Prozent Hilfe: Schnapsbrenner Matthias Motzel ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Feuerwehren, Apotheker, lokale Behörden und Einrichtungen haben sich bei dem Strullendorfer gemeldet. Sie alle haben ein Problem: In der Corona-Krise sind Desinfektionsmittel Mangelware, der zur Herstellung elementare Alkohol ebenfalls. Motzel hilft. Kostenlos. Aus den dünnen Hähnen seiner Destillerie rinnen neuerdings keine Edelbrandweine, sondern hochprozentiges Ethanol. C2H5OH gegen Covid-19.
"Ich möchte gar nichts verkaufen. Ich verkaufe nichts, ich gebe es denen, die es brauchen", betont der Strullendorfer.
Und gegeben haben auch viele Nachbarn, Bekannte und wildfremde Menschen aus der Region - nämlich ihre alten Schnapsvorräte. Nach Aufrufen in den sozialen Medien und in unserer Zeitung füllte sich der große Sammelkanister im Hof der Brennerei mehrfach. Wodka und Jägermeister, Korn und Gin: Was sonst für ein großes Besäufnis gereicht hätte, landete im großen Bottich. "Der Mischmasch hat gar nicht schlecht geschmeckt, viele Leute haben teilweise guten Whisky vorbeigebracht", freut sich Motzel, der mal probiert hat und dem die Begeisterung über die Hilfsbereitschaft am Telefon deutlich anzumerken ist.
Die Leute standen Schlange im Hof, hielten Abstand und nahmen ihre leeren Flaschen wieder mit. Motzel berichtet von Ärzten und Krankenschwestern, die ihre Spirituosenschränke geplündert haben. Und er zeigt ein Foto, wie eine Polizistin nach ihrem Dienst eine ganze Kiste Korn entsorgte. "Auch die können derzeit Desinfektionsmittel gut brauchen", berichtet der Brenner.
Am Abend des ersten Tages waren 300 Liter Schnaps zusammengekommen. "Ich war echt geplättet. Gigantisch. Ich habe 166 Liter rausgebrannt mit einem Alkoholgehalt von 79 Prozent."
Mangelware beschaffen
Dieser hochprozentige Alkohol wird bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln verwendet - und ist daher heiß begehrt.
"Es gibt aktuell so gut wie keinen Alkohol mehr auf dem Markt", erklärt Hartmut Held. Der Apotheker wollte selbst Desinfektionsmittel herstellen - und hat deshalb bei Motzel angefragt, ob er nicht Hochprozentiges liefern könne. "Seit Anfang März dürfen Apotheken wieder Desinfektionsmittel mischen", berichtet Held. Der Alkohol tötet Keime ab, aber er trocknet auch die Hände aus - daher würde auch Glycerin als Pflegemittel benötigt - das ebenfalls langsam knapp werde. Dazu Wasserstoffperoxid zum Abtöten von Sporen. Für die Rezeptur der Weltgesundheitsorganisation hat der Apotheker nun eigentlich alles beisammen - doch auch Plastikfläschchen seien aktuell nur zu Wucherpreisen erhältlich, ärgert er sich.