Druckartikel: Widerstand der Bamberger Gärtner wächst

Widerstand der Bamberger Gärtner wächst


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Sonntag, 01. Februar 2015

Damit die "Obere Gärtnerei" in Bamberg von weiterer Bebauung frei bleibt, will die Stadt sogar bestehende Baurechte streichen. Die meisten der privaten Grundstücksbesitzer sind entsprechend aufgebracht. Hierzu auch ein früherer Artikel, der das Geschehen noch näher beleuchtet.
Gärtnermeister Andreas Güthlein kritisiert die Pläne der Stadt mit dem historisch gewachsenen Gärtnerland zwischen Egelsee- und Nürnberger Straße (Hintergrund).  Foto: Ronald Rinklef


Gärtnermeister Hans-Jürgen Eichfelder fühlt sich an die Situation im Steigerwald erinnert. Er und seine Berufskollegen zwischen Egelsee- und Nürnberger Straße kämen sich vor wie jene Waldbesitzer, denen gegen ihren Willen ein Nationalpark-Status übergestülpt werden solle. Was die Stadt im Gebiet der "Oberen Gärtnerei" vor hat, kommt für sein Empfinden einer Enteignung nahe. Zumindest drohe ein gewaltiger Wertverlust, wenn die alten Baurechte auf den privaten Grundstücken auf einmal keine Gültigkeit mehr haben sollen.


Über eine Million Euro an Wertverlust

Am Schlimmsten trifft es voraussichtlich die Gärtnerei von Andreas Güthlein. Der Gärtnermeister aus der Egelseestraße beziffert den Wertverlust allein in seinem Fall auf über eine Million Euro. Knapp 7000 Quadratmeter seiner Flächen liegen in dem Gebiet, für das die Stadt bereits im Jahr 2012 eine Veränderungssperre erlassen hat.

Die Kommune will die Felder in der "Oberen Gärtnerei" vor gravierenden Veränderungen und vor allem vor jeder weiteren Bebauung bewahren. Die Parzellen hinter den Häusern entlang der Nürnberger Straße und der Egelseestraße sollen "als Besonderheiten des Stadtdenkmals" erlebbar bleiben und erlebbar gemacht werden, wie es die Verwaltung formuliert. Auch als ein "Bekenntnis zum seit vielen Jahren geforderten Erhalt des innerstädtischen Erwerbsgartenbaus" möchte man im Rathaus den geplanten Schutz der Flächen verstanden wissen.
Das einzige, was die Stadtplaner dort in Zukunft noch wachsen sehen möchten, sind Obst und Gemüse - und allenfalls Gewächshäuser. Aber auch nur solche, die maximal 50 Prozent der Grundstücksfläche bedecken und nicht höher als fünf Meter sind.


Viel Zündstoff

Die meisten Flächen in dem Gebiet, für das gerade der Bebauungsplan Nummer 236 B vorbereitet wird, befinden sich in Privateigentum. Deshalb birgt das Verfahren viel Zündstoff. Das weiß man im Stadtrat, scheint aber dennoch entschlossen, das "heiße Eisen" weiter zu schmieden. So stellten die Mitglieder des Bausenats kürzlich die Weichen für die nächsten Schritte: Sie stimmten der Einleitung eines Änderungsverfahrens für den geltenden Flächennutzungsplan und eines weiteren Verfahrens zur Aufhebung alter Baulinien zu. Wegen der Brisanz der Angelegenheit soll die Verwaltung die Öffentlichkeit aber so schnell wie möglich einbinden und ausführlich informieren.

Pankraz Deuber, BuB-Stadtrat und selbst Erwerbsgärtner, warb im Senat vergeblich für eine zweite Lesung. Er hätte es begrüßt, wenn die Betroffenen vor den jetzt gefassten Beschlüssen erst an eine Art "rundem Tisch" eingeladen worden wären.

Das wäre die falsche Reihenfolge, musste sich Deuber von Baureferent Thomas Beese sagen lassen. Denn: Die Verwaltung benötige erst eine Bekundung des politischen Willens, dann könne sie in die Bürgerbeteiligung gehen.


Ein "Vorwand der Stadt"

Der politische Wille ist klar. Der Standpunkt der allermeisten betroffenen Grundstücksbesitzern aber auch, wie Michael Niedermaier, der Vorsitzende des Oberen Gärtnervereins, zu verstehen gibt. Er kennt nach eigenen Worten kaum ein noch aktives Mitglied, das die Planungen gut heißt. Niedermaier selbst hält das Verfahren für einen "Vorwand der Stadt, um günstig an die Grundstücke zu kommen".


Stadt als Spekulantin?

Auch Eichfelder und Güthlein unterstellen der Stadt, dass sie darauf spekulieren würde, eines Tages für wenig Geld an die Grundstücke zu kommen, wenn die heutigen Betriebsinhaber aufhören. Ohne Baurecht seien sie ja viel weniger wert.


Auch Befürworter

Nicht alle Gärtner, die Land in der Oberen Gärtnerei besitzen, kritisieren die städtischen Planungen. Sie sei "froh, dass sich die Verwaltung endlich getraut hat, so einen Plan aufzustellen." Das sagt Gertrud Leumer, Inhaberin der Bio-Kräutergärtnerei "Mussärol" an der Nürnberger Straße. Die Flächen mitten im Stadtdenkmal findet sie "viel zu wertvoll, um daraus Bauland zu machen". Um genau das zu verhindern, habe sie sich vor Jahren entschlossen, den elterlichen Betrieb zu reaktivieren.

Mit der Umwandlung der Mayerschen Gärtnerei in ein Neubaugebiet und der geplanten Wohnbebauung auf dem früheren Glaskontor-Gelände sei schon viel Gärtnerland für immer verschwunden, gibt Leumer, die auch Stadträtin der GAL ist, zu bedenken.

Bedenken, wie sie Eichfelder und Güthlein äußern, dass sich beidseits der Plattengasse eines Tages verwahrloste Brachflächen ausbreiten könnten, hegt Leumer nicht. Von Erwerbsgärtnern aufgegebene Flächen könnten dann für einen zweiten Sortengarten genutzt werden oder für einen interkulturellen Garten, meint sie.
Wolle die Stadt den Erwerbsgartenbau in der Innenstadt wirklich auf Dauer sichern, müsste sie laut Niedermaier die Weichen anders stellen. Erstens seien die Parzellen in der Oberen Gärtnerei viel zu klein, um sie noch wirtschaftlich zu bearbeiten. Ohne zusätzliche Felder am Stadtrand könne keiner mehr überleben. Zweitens sei der Wasserpreis in der Stadt zu teuer. Der Kubikmeter koste zehn Mal so viel wie in der Nord- und Südflur, wo es Bewässerungsanlagen gibt.


"Anständig entschädigen"

Wenn die Stadt eigene Vorstellungen für die Flächen in der Oberen Gärtnerei hat, könne sie sie ja kaufen, findet Andreas Güthlein. "Wenn man hier ein Denkmal schaffen will, soll man es auf breite Schultern stellen und nicht die enteignen, denen der Grund gehört." Ähnlich sieht es Hans-Jürgen Eichfelder, der nicht nur Berufs-, sondern auch Stadtrats-Kollege (Freie Wähler) von Leumer ist: Die Stadt, sagt er, könne das Land ja kaufen und die Eigentümer "anständig entschädigen".