Druckartikel: Wer cool ist, trägt Kittelschürze

Wer cool ist, trägt Kittelschürze


Autor: Sabine Christofzik

Bamberg, Mittwoch, 24. August 2016

Auf Spurensuche nach einem Kleidungsstück, das in der Kindheit für Gemütlichkeit und Geborgenheit stand.
(Arbeits-)Kleidung für alle Tage: die blaue Kittelschürze.  Foto: Christofzik


115 mal 65 Zentimeter Freiheit in Blau, Weiß, Pink und Türkis. Bitte nennt mich Martha in den nächsten vier bis sechs Wochen.

Wer lacht? Noch nie so ein Teil angehabt, oder? Ärmellos, V-Ausschnitt, vier akkurate Abnäher (zwei vorn, zwei hinten), grenzenlos bequem - und auch im Jahr 2016 so sehr für Gemütlichkeit und Geborgenheit stehend, dass es einem warm ums Herz wird.


Nicht kleinzukriegen

Auch wenn sie jetzt weniger in der Öffentlichkeit getragen wird, ist sie nicht kleinzukriegen, die Kittelschürze. Höchste Zeit, ein Kleidungsstück ins Licht zu rücken, das wie kein anderes "Heimat" bedeutet.

Oma, Mutter, Tante, die "ohne" gar nicht denkbar waren, hat nahezu jeder in Erinnerung. Und wer schwört heute noch auf den bunten, geknöpften Überwurf zum Schutz der Kleidung?

Meine Mutter hat ihre Schürze vor dem 50.
Geburtstag abgelegt. Grund genug für mich,vor dem 50. Geburtstag eine anzuziehen und auf die Suche zu gehen, nach Trägerinnen (und Trägern) dieses doch nicht so stark wie geglaubt in Vergessenheit geratenen Stück Baumwollstoffs.

Somit ist die Frage, mit was ich morgens aus dem Haus gehe, geklärt für die nächsten Wochen. Variationen wird es höchstens geben beim "Was ziehe ich drunter an?". Vor diesem Problem stehen nämlich auch diejenigen, die keine Wahl haben, ob sie Schürze tragen wollen oder nicht, Weil sie ganz einfach zu ihrer Berufskleidung gehört.


Wo gibt's Ersatz?

Mein flottes blaues Modell mit Paisleymuster, erworben auf der Bamberger Frühjahrsmesse, wird ab und zu in die Waschmaschine müssen. Vor 50 Jahren konnte man in beinahe jedem Bekleidungsgeschäft Hauskittel kaufen. Das ist heute schwierig bis unmöglich. Wo also bekomme ich eine Ersatzschürze her? Auch das gilt es herauszufinden.

Eigentlich sollte dieses Projekt erst am Sandkerwa-Donnerstag starten. Doch bei jeder größeren Aktion kann eine Generalprobe nicht schaden. So war der - kurzfristig gefasste - Plan. Warum also im Retro-Outfit nicht schon am Dienstag nach Breitengüßbach zu einer Pressekonferenz gehen. Vielleicht hätte ich vorher in Betracht ziehen sollen, dass dort auch Kollegen mit Fernsehkameras zugegen sind. So fühlt sich das sprichwörtliche kalte Wasser an.

Der Marsch auf dem "Laufsteg" zur Essensausgabe am Roßdorfer Felsenkeller abends fiel dann schon wesentlich beschwingter aus.

Dennoch wird das Experiment in einigen Situationen möglicherweise Überwindung kosten - trotz der Freiheit des Kittel-Tragekomforts. Deshalb: Nennt mich Martha in den nächsten vier bis sechs Wochen. Martha, wie meine Oma, die spöttische Blicke immer mit einem extra strahlenden Lächeln gekontert hat.