Wer arbeitet, soll sich wohlfühlen: zwei Beispiele aus Bamberg
Autor: Sabine Christofzik
Bamberg, Mittwoch, 28. Juni 2017
Neue Mitarbeiter finden und halten. Wie gehen kleine, junge Unternehmen vor?
"Wii-Spielzimmer, Obstbar, flache Hierarchien." Diese und noch viele andere Vorzüge einer Anstellung beim Online-Spiele-Entwickler Upjers dürften in ganz Bamberg bekannt sein. Das Unternehmen mit Sitz in der Hafenstraße nutzt eine ungewöhnliche "Anschlagtafel": einen Stadtbus.
Wie macht man heute junge Arbeitskräfte auf Jobs aufmerksam und vor allem, was wird getan, damit sie langfristig bleiben? Wir haben uns umgesehen bei zwei Bamberger Firmen aus der IT-Branche.
An der Schwelle zum Konzern
"Jetzt, wo wir an der Schwelle vom Start-up zum Konzern stehen, wollen wir auf jeden Fall die Start-up-Kultur mitnehmen", sagt Thomas Meyer, Marketingleiter bei Favendo. "Und dazu gehören flache Hierarchien, hohe Eigenmotivation und eine kreative Arbeitsatmosphäre. Die Leute verbringen viel Zeit hier. Darum müssen sie sich wohlfühlen."Dass die Gebäude rechts am Eingang zum Erba-Gelände mehr sind als ein Arbeitsplatz, dazu trägt nicht nur der Garten mit Zugang zum Fluss bei (Thomas Meyer: "Baden ist erlaubt - allerdings mindestens zu zweit"). Hier treffen sich die Mitarbeiter auch außerhalb der Arbeitszeit. Zum Grillen und zum Chillen.
"Es wird viel zusammen unternommen; es gibt ein Team, das an Basketballturnieren teilnimmt, eine Laufgruppe, die beim Weltkulturerbelauf gestartet ist, es werden Feste gefeiert und wir haben hier sogar schon Bier gebraut."
Haushälterin kocht
Eine Haushälterin kocht jeden Tag frisch. "Wie bei Muttern aus dem großen Topf. Dieses Angebot nehmen vor allem die Werkstudenten gern in Anspruch, denn es bedeutet, einmal am Tag sehr günstig warm zu essen." Getränke, Obst und Joghurt gibt es umsonst."Das Brose-Fitnesscenter ist natürlich nicht zu toppen", sagt Thomas Meyer. "Aber bei uns nimmt man einfach den Expander von der Wand." Oder drischt auf den Boxsack ein. Auf der Terrasse gibt es eine Tischtennisplatte. "Golf ist gerade ein großes Thema. Aber geschlagen werden zumindest im Garten keine Bälle, sondern nur Kiefernzapfen in die Regnitz." Auf die Sofas oder den Sitzsack nimmt seinen Laptop mit, wer nicht die ganze Zeit am selben Fleck verbringen will.
Clean Desk
Praktiziert wird das "Flexible Büro" ("Clean Desk"), bei dem jeder Schreibtisch am Abend so aufgeräumt sein muss, dass am nächsten Morgen auch ein anderer Kollege daran Platz nehmen könnte - denn die Anzahl der Arbeitsplätze zum Sitzen oder Stehen ist nicht deckungsgleich mit der der Mitarbeiter. Hundekörbchen gibt es auch. "Unser Geschäftsführer hat seinen Hund regelmäßig dabei, ich meinen ab und zu", sagt Thomas Meyer. "Die anderen können ihre auch mitbringen, wenn sie wollen."
Bei aller Lockerheit dürfe eines nicht übersehen werden, merkt er an: "Hier wird hart und konzentriert gearbeitet. Man zahlt ein in eine Wohlfühlsituation als Unternehmen - und bekommt es in Zeiten hoher Belastung von den Mitarbeitern zurück."
Offene Bürotür bei den Chefs
"Unsere Bürotür ist immer offen", sagt Upjers-Geschäftsführerin Marika Schmitt. "Flache Hierarchien sind für ein junges Team wichtig. Bei uns gibt es ein besonderes Forum, um sich über Ideen und Wünsche zu unterhalten: die Frühstückseinladung für drei. Wir setzen uns immer freitags mit drei Mitarbeitern aus verschiedenen Arbeitsbereichen zusammen. Nicht im Haus. Das ist ganz bewusst so, damit man sich abseits des Alltagsgeschäfts auf Augenhöhe austauschen kann.""In einer Einliegerwohnung sind wir seinerzeit mit der Firma gestartet. Auch damals standen schon Getränke und Obst für alle bereit", blickt Firmengründer und Geschäftsführer Klaus Schmitt zurück. Außerdem gibt es das Montagsfrühstück als Büffet im Pausenraum.
Ein viel genutzter Treffpunkt bei Upjers ist die Küche, in der nicht nur Snack- und Getränkeautomaten (darunter einer nur für Energie-Drinks) stehen, sondern es auch Möglichkeiten gibt, sich selbst etwas zuzubereiten.
Flexible Arbeitszeiten
"Das Spielzimmer ist vor allem bei den Praktikanten beliebt; sie sind es, die die Wii am meisten nutzen. Am Kicker dagegen toben sich mehr Leute aus", so Marika Schmitt. Wer viel sitzt - und das trifft auf die meisten der Grafiker, Programmierer, Game-Designer, Marketing- und Support-Mitarbeiter zu - soll das so ergonomisch optimal tun, wie möglich: an Tischen mit verstellbaren Platten, sitzend oder stehend, auf Stühlen, Bällen oder Hockern mit 3D-Technologie."Die Arbeitszeiten bei uns sind sehr flexibel, was nicht nur Mitarbeiter mit Familie zu schätzen wissen. Es gibt eine Pflichtanwesenheitszeit zwischen 11 und 13 Uhr. Ansonsten kann sich jeder - in Absprache mit dem Team, und je nachdem, an welcher Aufgabe er gerade arbeitet, zwischen 7 und 20 Uhr seine Arbeit einteilen. Unser Support ist von 7 bis 24 Uhr besetzt. Da wird etwas anders gearbeitet."
Flexible Arbeitszeiten
Die Mitarbeiter können mitentscheiden, wenn es um die Auswahl anderer Angebote geht, wie beispielsweise einen Rückenkurs. Ein Physiotherapeut kommt ins Haus, der nicht nur Tipps zum ergonomischen Sitzen am Arbeitsplatz gibt, sondern auch dazu, wie man zu Hause seine Haltung verbessert.Von den Mitarbeitern initiierte Freizeitgruppen gibt es auch hier. "Aber nichts, was von der Firma vorgegeben wäre. Die Leute finden selbst zusammen", sagt Klaus Schmitt. "Wir sind ein junges Team mit Leuten aus allen Teilen Deutschlands, die teilweise direkt aus dem Studium kommen, weil sie unbedingt Games machen wollen. Die Wechselbereitschaft ist bei Jüngeren generell hoch, erst recht in dieser Branche. Bei uns liegt aber alles im Rahmen. Wir bieten auch betriebliche Altersvorsorge, was im Games-Bereich eher unüblich ist."
Über die Firmen
Favendo ist der europäische Marktführer für Location based Services, der sich auf innovative Konzepte für den Handel Tourismus, Industrie und Gesundheitswesen spezialisiert hat. Mithilfe der Beacon Technologie kann beispielsweise den Kunden im Kaufhaus durch neuartige Funktionen ein besonderes Einkaufserlebnis ermöglicht werden. Favendo hilft den Händlern auch durch Analyse-Tools dabei, die eigenen Ziele wie die Stärkung der Kundenbindung oder die Optimierung der internen Prozesse zu erreichen. Zu den Kunden gehören unter anderem Audi, Philipps, die Deutsche Bahn oder Hammerson, ein Entwickler von Malls und Einkaufszentren in ganz Europa.
Favendo teilt sich das "Traumbüro" mit weiteren Unternehmen der Gruppe: Die FewClicks GmbH berät zu digitalen Strategien und Transformation und ist tätig auf dem Feld Produktdigitalisierungen, E-Commerce, Corporate Websites, Plattformen, Apps und Web-Applikationen.
Mit den Ausgründungen UseMyTec, einer Miet- und Vermiet-Plattform für landwirtschaftliche Maschinen und den Spezialisten für das Physical Web von Rakete7 hat sich auf der Erba-Insel ein eigener Start-up-Hub entwickelt.
Von einem Oldenburger und einem Wiesbadener 2014 gegründet, fiel die Standortentscheidung bewusst für Bamberg. "Es war die Nähe zum Uni-Campus auf dem Erba-Gelände, die den Ausschlag gegeben hat - denn es hätte sonst auch Hamburg oder Berlin sein können. Dennoch ist es eher ungewöhnlich, dass sich IT-Start-ups in der Provinz ansiedeln", sagt Marketingleiter Thomas Meyer.
Demnächst steht aufgrund des raschen Wachstums ein Umzug an: von den Gebäuden rechts nach der Erba-Brücke wird ein Teil der Mitarbeiter schräg über die Straße in die ehemaligen Spinnerei-Gebäude ziehen. Favendo beschäftigt rund 70 Mitarbeiter an den Entwicklungsstandorten Bamberg und Jena. Und es sollen schnell mehr werden. Gesucht werden vor allem Entwickler.
Upjers entwickelt und vermarktet browserbasierte Onlinespiele sowie Spiele-Apps. Im Gegensatz zu Konsolenspielen ist für die Browsergames nur ein Internetzugang erforderlich.
2006 mit drei Mitarbeitern gestartet, beschäftigt das Unternehmen heute rund 100 Angestellte. Es gibt die kostenlosen Upjers-Browsergames in mehr als 20 Sprachversionen. Über 100 Millionen Spieler weltweit haben sich dafür registriert.