Wenn sich falsche Enkel melden
Autor: Stefan Fößel
Bamberg, Donnerstag, 28. November 2019
Eine 82-Jährige übergibt 30 000 Euro an einen vermeintlichen Verwandten in Not - solche Betrügereien gibt es auch im Landkreis immer wieder. Die Polizei erklärt, wie der Enkeltrick funktioniert und wie man sich davor schützen kann.
Das Telefon klingelt und die Begrüßung ist schon so gerissen wie durchtrieben: "Hallo, rate doch mal wer dran ist!" Um einem peinlichen Moment zu entgehen, raten viele Senioren mit dem Namen ihrer eigenen Enkel oder Nichten. "Der Täter gibt sich dann als einer der genannten Personen aus und erzählt von einer Notlage - so funktioniert der klassische Einstieg in den Enkeltrick", weiß Pressesprecher Alexander Krapp von der Polizeiinspektion Bamberg-Land.
Die Täter nutzen die Arglosigkeit und Hilfsbereitschaft der meist älteren Menschen aus, indem sie bei den Telefongesprächen geschickt ein Verwandtschaftsverhältnis vorgaukeln. Sobald eine gewisse Vertrauensbasis geschaffen ist, täuschen die Betrüger eine erfundene Notlage oder Investition vor, für die sie umgehend eine größere Geldsumme benötigen.
Erst im November war eine 82-Jährige in Ebrach auf einen vermeintlichen Enkel hereingefallen und hatte ihm 30 000 Euro für eine "dringende Autoreparatur nach einem Autounfall" gegeben. Und in Hirschaid hatte wenige Tage zuvor eine Seniorin einen Bargeldbetrag von mehr als 10 000 Euro übergeben. Eine falsche Enkelin benötigte angeblich Geld für einen Wohnungskauf.
Gesellschaftliche Entwicklungen haben für Polizeioberkommissar Krapp dazu beigetragen, dass diese Betrugsmasche heute besonders erfolgreich sein kann: Denn Senioren haben meist noch Zeiten erlebt, in denen die Familien enger zusammen waren. Wo früher die Kinder und Enkel mit im Haus wohnten, ziehen sie jetzt näher an die Arbeitsstelle oder haben ein Einfamilienhaus. Immer mehr ältere Menschen wohnen alleine. Das Gefühl, der Familie verpflichtet zu sein und für deren Wohl zu sorgen, sei aber geblieben. "Der fehlende Kontakt zu den Enkeln und das Bedürfnis, der Familie dienlich und nützlich zu sein, macht es den Betrügern leichter, die Hilfsbereitschaft älterer Menschen auszunutzen", sagt Krapp.
Die Täter wollen durch geschickte Gesprächstaktik einen großen Druck auf ihre Opfer aufbauen - und sie gezielt um ihre Ersparnisse bringen. "Für die Betroffenen hat das manchmal neben existenziellen auch schwere psychische Folgen. Sie sehen sich häufig auch den Vorwürfen ihrer Mitmenschen ausgesetzt", stellt der Polizei-Sprecher fest. In den allermeisten Fällen würden die betrügerischen Anrufe jedoch schnell erkannt und es entstehe kein finanzieller Verlust.
Wenn Senioren einen Enkeltrick-Anrufer erkennen, sollten sie auch nicht zum Schein ohne Wissen der Polizei auf eine Übergabe von Bargeld oder Wertsachen eingehen - und nicht die Adresse preisgeben. "Versuchen Sie keinesfalls, persönlich mit einem Geldabholer in Kontakt zu treten. Vertrösten Sie den Anrufer und legen Sie auf. Rufen Sie den Notruf unter 110", rät Polizeioberkommissar Krapp.
Kommt es im Landkreis Bamberg zu besonders vielen solchen Delikten, wie die beiden Fälle im November vermuten lassen? "Es handelt sich um ein europaweites Dauerphänomen, welches seit mehreren Jahren auch im Dienstbereich der Landkreispolizei auftritt", sagt Krapp. Jeder siebte Oberfranke wohne im Landkreis Bamberg und durch die ländliche Struktur gebe es hier auch mehr ältere Menschen. Der Landkreis sei somit von betrügerischen Anrufen häufiger betroffen, verlässliche Zahlen gebe es aber nicht. "Die Dunkelziffer dürfte zudem hoch sein, da die meisten Versuche gar nicht gemeldet werden", vermutet Krapp. Auch müsse man davon ausgehen, dass der ein oder andere erfolgreiche Enkeltrickbetrug aus Scham nicht bei der Polizei angezeigt wird.