Druckartikel: Wenn Kinder sterben

Wenn Kinder sterben


Autor: Sebastian Schanz

Bamberg, Montag, 17. Sept. 2018

Als Standort für das nordbayerische Kinderhospiz hat die Staatsregierung Bamberg ausgesucht. Das rund zehn Millionen Euro teure "Leuchtturmprojekt" soll ans bestehende Palliativzentrum angegliedert werden.
Bunte Fahnen erinnern an die verstorbenen Kinder und Jugendlichen: Im süddeutschen Kinderhospiz St. Nikolaus in Bad Grönenbach im Landkreis Unterallgäu arbeiten 50 Mitarbeiter. Die Einrichtung gilt als Muster für das, was in Bamberg entstehen soll. Foto: Kinderhospiz St. Nikolaus


Was sollte es Traurigeres geben als sterbende Kinder? Und doch will das Haus St. Nikolaus im Allgäu ein Ort voller Freude sein. Im Kinderhospiz, wo der Tod so nah ist, soll das Leben im Fokus stehen. Kunterbunte, gebastelte Fahnen erinnern an die kleinen Künstler, die gestorben sind.

Seit 2007 besteht das Südbayerische Kinderhospiz in Bad Grönenbach, 50 Mitarbeiter kümmern sich um die Patienten im Alter von null bis 18 Jahren - und um deren Familien.

"Das Kinderhospiz ist wie eine Oase - man ist sehr erschöpft und kommt an einen Ort, wo man richtig auftanken kann", schreibt der Vater eines an der Erbkrankheit Neurofibromatose leidenden Kindes auf der Homepage des Hauses. Eine solche Oase soll nun auch in Bamberg entstehen. Ein Kinder- und Jugendhospiz für den gesamten nordbayerischen Raum.

"Das ist ein sehr wichtiges Projekt für Bayern, das wir auf jeden Fall unterstützen wollen", bestätigt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Bei der Einweihung des vierten Klinik-Bettenturms am Bruderwald hatte er eine ungewöhnlich persönliche Rede gehalten und von seinem Vater berichtet, der vor 16 Jahren im Bamberger Hospizzentrum gestorben ist. "Eine Schwester hat ihm die Hand gestreichelt und mit ihm geredet, obwohl er nicht mehr bei Bewusstsein war", erzählte Söder. Dieses Erlebnis habe ihn geprägt und ihm gezeigt, wie wichtig Würde und Respekt in dieser letzten Phase des Lebens seien.

Was tun, wenn es sich bei dem Patienten um ein Kind handelt? "Kinderhospize haben unterschiedliche Ansätze und andere Handlungsziele als Hospize für Erwachsene. Gemeinsam ist beiden, dass sie sich an schwerstkranke Menschen mit lebenslimitierenden Erkrankungen wenden", erklärt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU), deren Ministerium das Projekt koordiniert. "Während im stationären Hospiz für Erwachsene die Schwerstkranken und Sterbenden ihre letzte Lebensphase verbringen, nehmen stationäre Kinderhospize neben den betroffenen Kindern auch Eltern und Geschwisterkinder auf." Die jungen Patienten würden in der Regel für einige Tage oder Wochen medizinisch und pflegerisch betreut. Die gesamte Familie könne sich erholen, neue Kraft tanken, um gestärkt wieder nach Hause zu gehen. "Nur ein geringer Anteil der betroffenen Kinder stirbt im Kinderhospiz. Ziel ist ganz klar, dass die Kinder im vertrauten Umfeld zu Hause sterben dürfen", betont Huml. Für die betroffenen Familien stehe der Erholungsfaktor im Vordergrund.

Die Worte "Sterbehaus" oder "Todeshaus" beschrieben nicht, was in ihrem Kinderhospiz vorgehe, erklärt Anita Grimm, Geschäftsführerin von St. Nikolaus in Bad Grönenbach - eher die lateinische Wortherkunft von "palliativ" als "schützende Ummantelung". Kinder mit Behinderungen, verursacht etwa durch Sauerstoffmangel bei der Geburt, genetischen Schäden, Muskel- und Organerkrankungen werden dort betreut. Krebspatienten bilden nur einen kleinen Teil.

Viel mehr als nur Trauerbegleitung

"Es geht darum, schöne Tage zu verbringen, um Lebensqualität, um bewusste Wahrnehmung, aber auch um Trauerbegleitung. Wir begleiten diese Familien über Wochen, Jahre oder auch Jahrzehnte", sagt Grimm, die im Kinderhospiz rund 50 Mitarbeiter in unterschiedlichen Stellenumfängen beschäftigt.

50 Mitarbeiter - das ist auch die Größe, die sich Konrad Göller für das Kinderhospiz am Bruderwald vorstellen kann. Überhaupt sieht der Vorsitzende des Bamberger Hospizvereines das süddeutsche Zentrum als Blaupause für das künftige nordbayerische. Allerdings mit einigen Anpassungen und Innovationen.

"Unser Ziel ist ein integriertes Kinderhospizzentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 26 Jahre, auch mit teilstationären Angeboten", sagt Göller. Hospizverein, Sozialstiftung und Landkreis sind in Abstimmungen, um eine Trägergesellschaft zu gründen. Auch laufen die Verhandlungen mit den Krankenkassen. "Und wir wollen auch Akteure aus der ganzen Region mit ins Boot holen, zum Beispiel den Hospizverein Erlangen. Niemand soll uns als Konkurrenz sehen." Alles sei noch in der Konzeptphase. Bis Weihnachten, hofft Göller, könnte ein grober Zeitplan für die Umsetzung des "Leuchtturmprojektes für Nordbayern und darüber hinaus" stehen.

Die Größenordnung beschreibt Gesundheitsministerin Huml: "Das Kinderhospiz soll zwischen acht und zwölf Plätze vorhalten." Damit hätte das Bamberger Modell ähnlich viele Plätze wie das südbayerische.

Den finanziellen Rahmen gibt Xaver Frauenknecht, der Vorstandsvorsitzende der Sozialstiftung, mit geschätzten zehn Millionen Euro an. Das entsprechende Grundstück für den Neubau hat er vom Dach des neuen, vierten Bettenturmes des Klinikums im Auge. "Wir sollten die Standortvorteile und die Nähe zum Bamberger Hospizzentrum und zur Klinik nutzen", sagt Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) zum angepeilten Standort zwischen dem bestehenden Palliativzentrum und der "Klinik-Oase" genannten Grünanlage. Die Stadt stehe voll hinter dem wichtigen Projekt.