Wenn Eingriffe in die Landschaft weh tun
Autor: Eckehard Kiesewetter
Ebern, Mittwoch, 25. Mai 2016
Vor dem Bau der vier geplanten Rotoren bei Kirchlauter erhebt Günter Lipp, der Kreisheimatpfleger, den mahnenden Zeigefinger.
Ebern"Ich möchte noch rechtzeitig gewarnt haben", meldet sich Günter Lipp in der Debatte um die geplanten Windräder auf dem Tonberg nördlich von Kirchlauter zu Wort. Der Kreisheimatpfleger aus Frickendorf stellt sich entschieden gegen das Vorhaben, vier Windräder mit 230 Meter Höhe im Bereich des Eberner Bürgerwalds aufzustellen. Anders als viele andere, die sich bereits als Befürworter oder Gegner des Energieprojekts geäußert haben, setzt er nicht auf Überzeugung durch Zahlen und harte Fakten, sondern auf emotionale Argumente und auf den Appell an die Heimatverbundenheit.
Klares Plädoyer
Lipp stellt in einer schriftlichen Mitteilung klar, dass zu seiner Aufgabe als Kreisheimatpfleger nicht nur das Schwelgen in Vergangenheit gehöre, sondern auch das offene Auge für die Gegenwart und die Zukunft.
Deshalb bezieht er deutlich Position: "Ich bin gegen die Errichtung von Windrädern, um den Baunachgrund!" Er sei, so betont der einstige Seminarrektor und SPD-Kreisrat, nicht für die Atomkraft, aber für die Landschaft: "Und ich möchte, gerade als Heimatpfleger, noch rechtzeitig gewarnt haben."
Die Reize der Haßberge
Lipp nennt die liebevollen Titulierungen der Haßberge als "Fränkische Toskana"und konstatiert, dass Natur und Kultur hier noch eng vereint seien. Dazu merkt er an, dass Gäste von außerhalb die Reize der Region offenbar eher wahrnehmen, als Menschen, die hier im Alltag leben. Umso überraschter reagiere man oft auf das Lob von Gästen: "Wir, an unsere intakte Umwelt längst gewöhnt, staunen dann über das Lob." Hier herrsche Ruhe, hier finde man Erholung und hier lasse es sich leben: natürlich, gesund, angenehm fürs Auge und günstig zudem. Fast liest sich's wie ein wohliger Stoßseufzer, wenn Lipp zusammenfasst: "Es ist bisher einfach lebens-wert bei uns."
Aber das werde sich, prophezeit er, mit den Windrädern ändern. Er wäre nicht Günter Lipp, wenn er nicht ein anschauliches Bild für die Bedrohung fände: "Windräder, die sich wie drohende Schnäbel von Wikingerschiffen über die Hügel erheben."
"Teil unserer Identität"
"Ich möchte noch rechtzeitig gewarnt haben", wiederholt der Heimatpfleger und räumt ein, dass sich der Mensch an vieles gewöhne: an die neue schreckliche Farbe des Hauses vom Nachbarn ebenso wie den übervollen Schulbus für den Enkel, das seit Jahren geschlossene Wirtshaus oder die fehlende Bankfiliale.
Man würde sich auch an himmelhohe Windräder "gewöhnen", orakelt er, doch dann kommt das große Aber: "Aber all diese Veränderungen und Störungen wirken dennoch auf unser Leben." Landschaft sei eine jener Erscheinungen, die einen unterschwellig jeden Tag prägten. " Landschaft ist ein Teil unserer Identität", erklärt Lipp, sie beeinflusse unmerklich und andauernd das gesamte Leben und Befinden. Man könne sich wohl auch an Windräder gewöhnen, "und trotzdem tun sie immer wieder aufs Neue weh." Er fordert Kommunalpolitiker, die das erkennen, ein starkes Kreuz beweisen und diese Überzeugung auch dann vertreten, wenn "grüne" Überzeugungen, die sichere Gewerbesteuer oder die Bedrohung mit "Atommüll im Garten" als Gegenargumente angeführt werden.
Atomkraft kontra Landschaft
Die Gegenpole in der Diskussion lassen sich nach Lipps Ansicht mit dem
Schutz der Landschaft auf der einen Seite und den möglichen Gefahren der Atomkraft auf der anderen auf den Punkt bringen. Die für ihn entscheidende Frage sei: Was ist uns mehr wert?Lipp stellt sich klar auf die Seite derjenigen, welche die Landschaft der Haßberge und ihrer Ausgewogenheit noch als etwas Wertvolles empfinden und ihr den Vorrang geben. Dagegen beurteilt er Argumente wie die "Wertschöpfung aus dem eigenen Potenzial" als "einlullend". Gemeint sei vielmehr ganz konkret die Absicht, Profit zu erzielen. Und dies "auf Kosten auch derer, die das nicht wollen, aber trotzdem die optische Ruinierung unserer Lebens-Landschaft vor Augen hätten und ertragen müssten".
Sparen und Umdenken
Auch die Gegenfrage, mit der Befürworter der Windanlagen oft auftrumpften, "woher soll der Strom dann kommen?", klammert der Heimatpfleger nicht aus und verweist einerseits auf ein riesiges
Strom-Einspar-Potenzial und andererseits darauf, dass norddeutscher Windstrom wegen seiner Überfülle an das Ausland verschenkt werden müsse. "Der so begrüßenswerte Elektrolyseur gehört nach Niedersachsen, nicht nur nach Haßfurt!", fordert Lipp und spricht sich für den Einsatz mobiler Energieberater aus: "Energieberater, die keine Sprechstunden im Ämtergebäude haben, sondern ins Haus kommen, die sich in der Wohnung umschauen, die Dachisolierung begutachten und tatsächlich umsetzbare, aufs Haus bezogene Ratschläge geben."Er habe Respekt vor anderen Ansichten, schließt Günter Lipp sein energisches Plädoyer, "aber ein Kreisheimatpfleger, der sich vor klaren Aussagen zu aktuellen Problemen drückt, verdient seine Amtsbezeichnung nicht."