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Wenn die Wunderburg erwacht


Autor: Sabine Christofzik

Bamberg, Freitag, 16. Juni 2017

Warum nur fühlt man sich als Fremder in diesem kleinen Ort mitten in der Stadt so zu Hause?
Von Linden umstanden: die Pfarrkirche Maria Hilf Foto: Sabine Christofzik


Wie herrlich! Parkplätze zum Aussuchen. Ein gutes Dutzend Stunden später wären sie mir aber lieber. Frohlocken darf, wem ein solches Glück beschieden ist, strebt er nach Feierabend zu Bier und Braten hin. Vor allem, wenn er zu der Spezies Autofahrern gehört, denen eine Stellfläche entlang der Straße nur dann sympathisch ist, wenn sie mindestens eineinhalbfache Länge aufweist.

Jetzt bietet sich eine Krähe als Eskorte an auf dem Weg über die Straße bis zum Brunnen vor der Kirche. Aufmerksam schaut sie sich immer wieder um, ob der Mensch ihr auch folgt.


Warme Farben, wohin man schaut

Es ist ganz gleich, ob man vom Kunigundendamm oder von der Nürnberger Straße kommt: Warum nur fühlt man sich als Fremder in der Wunderburger "Hauptstraße", die gar nicht so heißt, so seltsam zu Hause? Eine Ortsmitte innerhalb der Stadt. Diesen Eindruck vermittelt der Straßenzug mit den Häusern in warmen Farben und den zwei Plätzen: der eine baumbestanden und eckig, der andere offen und zwischen Kirche und Pfarrhaus auslaufend.

Es muss was dran sei, wenn jemand, der hier aufgewachsen ist, aus voller Überzeugung sagt, "Ich bin ein Wunderburger."

Morgens um 6 Uhr kann auf der Fahrbahn herumturnen, wer den besten Blickwinkel sucht, um den schlanken Turm von Maria Hilf ins Bild zu setzen. Die wenigen Autos und Fahrräder sieht man lange vorher herannahen.


Kronkorken im Brunnen

Die letzten Eis-Genießer des vergangenen Tags haben die nicht essbaren Teile ihrer Schleckerei-Portionen nicht ins - vorläufige - Endlager verfrachtet. Der grüne Mülleimer in unmittelbarer Nähe ist bis zur Einwurfschachtkante gefüllt. Liegenlassen ist aber auch keine Lösung.

Wer Münzen ins Brunnenwasser wirft, darf sich was wünschen. Was passiert, wenn man Flaschen-Kronkorken nimmt? Der Gärtner und der Häcker, die auf der Säule stehen, werden's wissen. Aber sie plaudern nichts aus.

Rund um die Kirche verströmen die Linden einen angenehmen Duft. Die warmen Farben der Häuser machen auch einen Morgen ohne gleißendes Sonnenlicht strahlend.


Kran-Ballett über der Grube

Vor den Wolken erheben sich Baukräne. Bereit, schwere Lasten in die riesige Grube zu heben, die sich auf dem ehemaligen Glaskontor-Gelände auftut. Noch wirkt sie wie eine offene Wunde. Hier wird um diese Zeit schon gearbeitet, am Projekt "Ulanenpark", der Ende nächsten Jahres fertig sein soll. So viele neue Menschen fürs Quartier...

Die Verzierung einer Hausfassade gibt Rätsel auf. Zwei Nackedeis scheinen einer diebischen Elster ein Schmuckstück abringen zu wollen. Die Frage, was das zu bedeuten hat, beschäftigt mich später am Schreibtisch immer noch. Weiß man, was man wissen sollte? Oder ist es besser, gleich die Bildungslücke zuzugeben? Auf was nimmt das Bildnis Bezug? Auf jeden Fall wirkt der Vogel nicht mehr ganz fit.

"Bitte den Fränkischen Tag hier einwerfen" steht auf einem Briefkasten. So ist's recht!

Einladend schimmert Licht durch die Fenster einer Gaststube. Jedoch, das Tor ist zu. Es ist zwar erst 6 Uhr, aber dennoch gemein. Jetzt, wo ich doch einen Parkplatz habe!