Wenn das Geld zum Leben nicht reicht
Autor: Sebastian Schanz
Bamberg, Dienstag, 26. Januar 2021
Kein Auskommen vom Einkommen: Immer mehr Menschen im Raum Bamberg malochen für einen Niedriglohn. Nun schlägt der Deutsche Gewerkschaftsbund Alarm.
Sein Job ist die Sicherheit, unsicher dagegen sein Einkommen: Das Gehalt allein reicht nicht für den Bamberger Security-Mitarbeiter - er muss aufstocken. 500 bis 600 Euro netto, dazu ein paar hundert Euro Stütze vom Staat. Doch das Arbeitsamt will es ganz genau wissen: Weil die monatlichen Einnahmen zum Beispiel wegen Überstunden schwanken, ist der bürokratische Akt frustrierend.
"Das Jobcenter will Belege, warum Einnahmen schwanken. Das Amt sieht, hoppla, da hat die Firma mehr gezahlt. Man müsste also die Stütze angleichen. Das führt zu Komplikationen. Der Arbeitnehmer muss sich ständig rechtfertigen", berichtet David Klanke, aktiv in der Arbeitslosen- und Armutsinitiative (Aua) Bamberg . Klanke hat dem Security-Mann ein offenes Ohr geboten. Hilfe zur Selbsthilfe ist das gesteckte Ziel der AuA, die sich als unabhängige Initiative versteht, die Unterstützungs-Angebote und -Strukturen für Menschen in Bamberg schafft. "Wir haben uns 2015 gegründet, weil wir gesehen haben, es gibt das Problem der zunehmenden Prekarisierung, zunehmenden Niedriglohn in und um Bamberg ."
Hungerlohn beim Callcenter
Der 38-jährige studierte Geisteswissenschaftler war früher selbst für einen Hungerlohn bei einem Callcenter beschäftigt, musste aufstocken, wie er sagt. Später war er als Berufsberater im Jobcenter tätig, kennt also beide Seiten. "Viele geben dann irgendwann auf. Man geht jeden Monat ins Amt, um seine Einnahmen nachzuweisen, um aufzustocken. Das kostet Zeit und Nerven. Das Arbeiten lohnt sich dann finanziell für viele schon fast gar nicht mehr." Der Schritt, einfach hartzen zu gehen, ist da nicht mehr weit.
Nimmt die Niedriglohn-Problematik zu? "Ja", berichtet Klanke. "Im Zuge der Krisen ist es immer mehr darauf angelegt worden, diesen Niedriglohnsektor auszubauen. Jede weitere Krise verfestigt das noch."
Niedriglohnland Bamberg
Die Erfahrung deckt sich mit Daten des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der dieser Tage wegen des in Bamberg "umfangreichen Niedriglohnsektors " Alarm geschlagen hat. Mit 19,4 Prozent im Landkreis und 18,8 in der Stadt sei das Niedriglohnrisiko hier "eines der höheren" im Freistaat.
" Niedriglöhne sind kein Randphänomen mehr. Sie sind auch im reichen Bayern Alltag für rund eine Million Arbeitnehmer. Wir wollen nicht hinnehmen, dass große Teile unserer Kollegen vom wachsenden Wohlstand abgekoppelt und mit Armutslöhnen abgespeist werden", kritisiert Regionsgeschäftsführer Mathias Eckardt.
Laut DGB sind alleine in der Stadt Bamberg mehr als 6000 Vollzeitarbeitsplätze dem Niedriglohnsektor zuzurechnen. Die Zahlen zeigen, dass der Aufstocker aus der Sicherheitsbranche kein Einzelfall ist: Besonders hoch ist das Niedriglohnrisiko im Wirtschaftszweig Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit (45,2 Prozent). Aber auch bei kaufmännischen Dienstleistungen, Handel, Vertrieb und Tourismus (32 Prozent) erhalten viele einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle von 11,21 Euro pro Stunde.