Wen die Einschnitte in Bamberg besonders hart treffen
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Freitag, 20. November 2020
Es sind an die 100 soziale und kulturelle Institutionen Bambergs, die 2021 mit Kürzungen bei der Förderung durch die Stadt rechnen müssen.
Rund 80 bis 100 Menschen besuchen das Mütterzentrum Känguruh am Tag. Frauen mit ihren Kindern, aber auch Senioren und viele Migranten kommen gerne in den Familientreff am Heinrich-Weber-Platz - um Kontakte zu knüpfen oder auch einen der beliebten Sprach-und Computerkurse zu besuchen.
Um den Laden am Laufen zu halten, ist es Violetta Densch, Erste Vorsitzende des Trägervereins, gewohnt zu sparen. Doch 2021 wird für sie ein ganz besonderes Jahr. Denn "obwohl das Geld heute schon hinten und vorne nicht reicht", plant die Stadt die Mittel für freiwillige Leistungen 2021 deutlich zu kürzen. 15 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 sind die Messlatte, die Kämmerer Bertram Felix angelegt hat.
Das klingt in einem außergewöhnlichen Krisenjahr nach einem leistbaren Beitrag angesichts extrem klammer Kommunen, doch er trifft die gesellschaftliche Struktur Bambergs an einer verletzlichen Stelle. Der Müttertreff, der 2019 noch 15 000 Euro von der Stadt erhielt und im wesentlichen von drei Fördergebern und von Spenden lebt, ist ja nur ein Beispiel von vielen. An die 100 Institutionen droht das Corona-Jahr in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen, weil die Kommune ihre Förderung zurückfahrt. Es ist also das volle Spektrum des sozialen, kulturellen, aber auch sportlichen Lebens, das zur Disposition steht, das sich in den Papieren wiederfindet, die die Kämmerei unter "vier Globalbeträgen" zusammengestellt hat. Auf der Sparliste stehen bekannte Einrichtungen wie das Kindertheater Chapeau Claque, der pädagogische Zirkus Giovanni, die KulturTafel oder auch der Altenburgverein. Aber auch eine ganz Reihe weniger bekannter Vereine und Gruppen muss mit herben Verlusten rechnen.
Tatsächlich dürfte 2021 zur Belastungsprobe für das gesellschaftliche Leben in Bamberg werden. Noch nie sah sich die Stadt, die weiterhin 19 Millionen Euro in den Lagarde-Campus pumpt oder die 33 Häuser der Offizierssiedlung mit einem Aufwand von sage und schreibe 15 Millionen Euro herrichtet, vor einem 40 Millionen-Euro-Loch im Verwaltungshaushalt, mit dem Städte und Gemeinden ihre laufenden Ausgaben decken. Kämmerer Bertram Felix musste ungewöhnliche Maßnahmen ergreifen, damit das Schiff keine Schlagseite bekommt. Vier Millionen Euro tragen die Beschäftigten der Stadt selbst zum Sparvolumen bei, indem sie ihre Sachkosten vom Druckerpapier bis zur Öffentlichkeitsarbeit um 25 Prozent reduzieren.
Auch Theater, Volkshochschule, Musikschule, Tourismus- und Kongressservice sowie die Stadtbücherei sollen eine Kürzung ihres Budgets um 2,5 Prozent hinnehmen. Dazu gehört nicht nur eine höhere Gewinnabführung der Stadtwerke und die Erhöhung der Grundsteuer B, die alle Eigentümer, aber auch Mieter trifft. Erstmals in der jüngeren Zeit erlaubt der Freistaat seinen Kommunen die Schuldenaufnahme für laufende Kosten. Bamberg greift mit 15 Millionen Euro tief in den Fördertopf - und dennoch reicht es nicht. So erreicht die Sparwelle schließlich auch jene Gruppen, die ganz besonders von der öffentlichen Hand abhängen, weil sie Dinge tun, die sich kommerziell betrachtet nicht rechnen.
Die Stadträte werden in der ersten Dezemberwoche im Finanzsenat entscheiden, ob es tatsächlich zu einem 15-prozentigen Rückschnitt bei freiwilligen Leitungen für Kultur, Sport, Soziales und Jugend kommen wird. Insgesamt würde das eine Ersparnis von rund 150000 Euro bedeuten.
Wie urteilen die Sprecher der drei großen Fraktionen? "Es hätte schlimmer kommen können. Das ist eine Kröte, die man schlucken muss", sagt Wolfgang Grader, der finanzpolitische Sprecher von Grünes Bamberg, Auch die Neuaufteilung der vier Globalbereiche findet seine Zustimmung, da eine solche Eingruppierung auf lange Sicht mehr Stabilität verspricht. Sollte der Stadtrat das Paket im Dezember nicht mehr aufschnüren, hätte dies auch Vorteile: "So kann abgewartet werden, wie sich die Lage entwickelt und ob die Regierung den Haushalt der Stadt genehmigt."
Auch Peter Neller, Vorsitzender der CSU-Fraktion, hofft auf Erkenntnisse im Frühling, die es erlauben, sachgerechter zu entscheiden, da ja auch viele Veranstaltungen ausgefallen sind. Dass sich die Vielfalt der Bamberger sozialen und kulturellen Institutionen mit einer Kürzung von 15 Prozent abfinden muss, sieht auch Neller als unvermeidlich an. "Schweren Herzens werden wir da zustimmen müssen." Wie Grader betont auch Neller, dass Bamberg in einem solchen Jahr noch vergleichsweise gut wegkommt. "Dass wir jetzt 15 Millionen Euro neue Schulden machen müssen, stimmt mich nachdenklich. Wo stünden wir denn, wenn wir die letzten zehn Jahre nicht so gespart hätten."
Heinz Kuntke ist der haushaltspolitische Sprecher der SPD. Auch die Sozialdemokraten hätten sich 2021 noch manches mehr erhofft. Zum Beispiel den Einstieg in den Neubau der Buger Brücke. Andererseits appelliert Kuntke an den Realitätssinn in der Bevölkerung: "Wir haben doch heuer eine völlig andere Situation als vor einem Jahr. Unter diesen Vorzeichen, bei diesem gewaltigen Einbruch müssen wir froh sein, dass es überhaupt gelungen ist, einen Haushalt aufzustellen, der die Leistungsfähigkeit der Stadt aufrecht erhält und die soziale Balance." Auch Kuntke verteidigt die Einschnitte: "Es macht uns keinen Spaß zu kürzen, aber bei einer Reduktion von 15 Prozent bleiben noch 85 Prozent übrig. "
Schwierigkeiten sieht Kuntke in den Jahren 2022 und 2023 auf die Stadt zukommen, sollten die Steuereinnahmen nicht wieder anziehen. Denn dann laufen die Förderprogramme aus - und die Schuldenberge steigen.