Welcher Bildungsweg ist richtig?
Autor: Stella Madlener
Bamberg, Montag, 15. Februar 2016
Nicht immer müssen Wege zum beruflichen Erfolg gradlinig nach dem klassischen Muster verlaufen. Der Zimmerermeister Cem Freitag ist dafür ein Beispiel.
BambergDie Nervosität steigt: Sowohl Gymnasiasten, Realschüler als auch Mittelschüler müssen sich in den kommenden Monaten ihren Abschlussprüfungen stellen. Ist das große Bangen vorbei, stellt sich einmal die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Studieren, Ausbildung, einen alternativen Weg zum Abitur einschlagen?
Der meist gemachte Schulabschluss ist nach wie vor der Haupt- beziehungsweise Volksschulabschluss, gefolgt vom Abitur. Der Trend zum praktisch orientiertem Bildungsweg steigt. Besonders dadurch rückt in den letzten Jahren die Frage, ob die allgemeine Hochschulreife mittlerweile an Bedeutung verloren hat, ins Licht.
Das Abitur als "Optionsschein"
"Meiner Meinung nach gibt es darauf keine eindeutige Antwort. Das Abitur hilft einem nur weiter, wenn es dem Erreichen des Bildungsziels dient.
Im Prinzip ist es eine Art Optionsschein, den man einlösen kann, oder eben auch nicht", sagt Roland Baunach, Schulleiter der Beruflichen Oberschule Bamberg. Dort gibt es jedes Jahr zahlreiche neue Anwärter, die ihren akademischen Weg fortführen wollen. Dabei gilt oft die Annahme, das erste halbe Jahr an der neuen Schulform sei das schwerste. "Ich würde eher sagen, dass ein gewisser Rhythmuswechsel besteht, man muss sich einfach an ein neues Schuljahr und eine neue Schulform anpassen", so Baunach.
Wie viele Schüler die Schule letztendlich ohne Abitur verlassen, sei unterschiedlich. Der Trend zur allgemeinen Hochschulreife sei allerdings da, betont Harald Krauß, der stellvertretende Schulleiter der Beruflichen Oberschule Bamberg.
Früh Entscheidungen treffen
Aber auch Grundschüler und deren Eltern müssen sich früh damit beschäftigen, welches Bildungsziel angestrebt
wird."Wenn man nach den Zahlen geht, geht ein Großteil der Kinder in Bamberg auf ein Gymnasium, relativ wenige entscheiden sich für die Real- oder Hauptschule. Allerdings ist die Tendenz im Landkreis genau gegensätzlich", informiert Barbara Pflaum, Schulamtsdirektorin der Staatlichen Schulämter im Landkreis und der Stadt Bamberg. "Oftmals wählen Familien auf dem Land die Schule nach der regionalen Nähe, um einen zu langen Schulweg zu vermeiden, nicht wegen dem Unterrichtsangebot."
Seit vielen Jahren soll die jeweilige Grundschule bei der Entscheidung helfen und gibt eine Empfehlung an die Kinder und Eltern ab, die von festgelegten Notengrenzen abhängt. Diese Empfehlung beinhaltet einen Hinweis, der darauf aufmerksam macht, für welche weiterführende Schule das Kind geeignet wäre. Sind die Eltern damit nicht einverstanden, können sie eine Aufnahmeprüfung fordern, wobei von der Schule entschieden wird, ob das Kind geeignet ist.
Pflaum mahnt: Diese Empfehlung sei nicht unbedingt sicher, der Notenschnitt entstünde immerhin mitten in der Entwicklung der Kinder und hinge stark vom Lernverhalten und der Motivation zu dem Zeitpunkt ab. "Das Schulsystem ist mittlerweile sehr durchlässig. Falls man sich in der Schulwahl geirrt hat, sollte man das unbedingt rechtzeitig korrigieren und für Beratung offen sein! Sonst kann es möglich sein, dass die Psyche des Kindes stark unter der falschen Entscheidung leidet."
Ein langer Bildungsweg
Erst das Gymnasium, dann der Wechsel auf die Realschule und letztendlich der Hauptschulabschluss: Der 26-jährige Cem Freitag aus Bamberg hat einen langen Bildungsweg hinter sich - der ihn schließlich zum Erfolg geführt hat.
Mittlerweile hat er zwei eigene Handwerksbetriebe und organisiert - als drittes Standbein - Veranstaltungen. "Nach meinem Quali war mir sofort klar, dass ich weiterkommen möchte." Freitag wollte nicht nur Angestellter oder Arbeiter sein, sondern sein eigener Chef. Zielstrebig absolvierte er zuerst die Ausbildung zum Zimmerer. Es folgten die Mittlere Reife, die Meisterschule und im gleichen Zug die Fachhochschulreife. Nach einem Jahr Arbeit als angestellter Zimmerermeister ging er auf das Angebot einer Firma in Stuttgart ein, für die er in ganz Deutschland Techniker schulte, als Projektleiter arbeitete und für Qualitätssicherung zuständig war.
Handwerk hat immer noch goldenen Boden
Mit 24 Jahren war es soweit: Er kehrte nach Bamberg zurück, um sich selbstständig zu machen, zuerst mit dem Unternehmen "Der Dachfensterprofi" und zwei Monate später mit einem kleinen
Veranstaltungsunternehmen. Anfang dieses Jahres hat er eine dritte Firma gegründet. Sie heißt "Der Zimmerermeister" und bietet Ausbau und Sanierung von Dächern an. Freitag weiß aus eigener Erfahrung, dass in vielen Branchen - auch und gerade im Handwerk - heute höhere Ansprüche an die Ausbildung gestellt werden und dass es immer schwieriger wird, allein mit dem Quali eine "anständige" Ausbildung zu bekommen. Auf der anderen Seite habe das Handwerk eben immer noch den berühmten "goldenen Boden" und es biete vielfältige Möglichkeiten, sich nach einer schulischen Ausbildung weiterzubilden und beruflich weiterzukommen. Freitag ist sich sicher: Für den beruflichen Erfolg ist ein "normales" Abitur längst keine zwingende Voraussetzung mehr, wohl aber Fleiß und Zielstrebigkeit.
Letztendlich ist es nie zu spät, sich für ein höheres Bildungsziel zu entscheiden: "Die älteste Frau, die in meiner Zeit in Bamberg die Berufsschulen besucht hat, war 41 Jahre alt. Ich hatte auch mal Mutter und Tochter gemeinsam in einer Klasse sitzen- die Mutter war aber um einiges fleißiger", lacht Roland Baunach.