Wechselbad in der Wahlnacht
Autor: Andreas Thamm
Bamberg, Freitag, 29. Sept. 2017
Lisa Badum von den Grünen besucht nach dem überraschenden Einzug in den Bundestag ihren Wahlkreis.
Die Uschi war die letzte, die es geschafft hat: 2002 zog letztmals eine Grüne Kandidatin für Bamberg in den Bundestag ein, Ursula Sowa. In diesem Wahljahr war im Vorfeld gemutmaßt worden, ob es zwei werden könnten für Wahlkreis 236, Bamberg Forchheim: Silberhorn (CSU), eh klar, und Schwarz
(SPD).
Lisa Badum (GAL) hatte selbst wohl nicht damit gerechnet, dass ihr dieser Umzug nach Berlin bevorstünde. Die Wähler haben sie überrascht. Entsprechend gut ist die Stimmung am Montagabend im Faltbootclub-Nebenraum, der kaum groß genug ist, für die Grünen-Mitglieder und -Sympathisanten, die ihre neue MdB nach zwei Tagen Bundeshauptstadt begrüßen und beglückwünschen wollen.
An ein "Wechselbad der Gefühle" in der Wahlnacht erinnert sich die 33-jährige Forchheimerin. Nach den ersten Prognosen stand sie schon in der Nacht auf der Abgeordneten-Liste auf der Homepage der Grünen. "Mein Freund hat dann immer wieder beim Bundeswahlleiter angerufen", erzählt sie. Dort
konnte aber keine Auskunft über einzelne Kandidatinnen gegeben werden. "Früh um 6 war es dann klar."
Gemeinsam mit Jonas Glüsenkamp rekapituliert Badum den erfolgreichen Wahlkampf: 27 eigene Veranstaltungen, 51 Helfer, sieben Promis, 5000 Haustüren. An der Leinwand das Bild, das von diesen Wochen bleiben wird: Cem Özdemir auf dem Baugerüst in der Sandstraße.
Bei der Rekapitulation der Ergebnisse in den einzelnen Bezirken wird klar, dass die Grünen nicht nur Grund zur Freude haben. Eine Partei mit eigentlich linkem Selbstverständnis erreicht die ur-eigentliche Zielgruppe linker Politik nicht. In den sozial schwachen Gebieten in Bamberg
verzeichnet die Partei größte Verluste, während die AfD triumphiert. "Suche den grünen Balken", sagt Glüsenkamp, als die Gereuth-Folie erscheint. "Hier haben wir die Fünf-Prozent-Hürde verpasst."
Vielleicht spielen solche Erkenntnisse auch eine Rolle, wenn es um die anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin geht, an denen Badum aber nicht unmittelbar beteiligt sein wird. Mitte Oktober sollen die Sondierungsgespräche beginnen. "Frau Merkel hat bislang noch bei niemandem angerufen. Katrin und Cem warten darauf." Badum sieht ihren Schwerpunkt in den Themen Energie, Verkehr und Nachhaltigkeit und möchte sich innerhalb der Fraktion in den entsprechenden Arbeitskreisen engagieren.
Die kommenden Wochen werden spannend, für alle drei Parteien, die nun womöglich eine Regierung bilden werden. Die Grünen sind notwendigerweise gefordert, Kompromisse einzugehen, gleichzeitig besteht die Forderung nach einer klaren Kante. "Rote Linien wurden noch nicht kommuniziert", so Badum.
"Wir werden Abstriche machen müssen, die Frage ist einfach, wie weit man dabei geht." Zu einer echten Prognose, ob mit FDP, CDU und, vor allem, CSU eine Regierung gebildet werden kann, will sie nicht abgeben: "Es ist kein Automatismus."
Aber klar, man wolle regieren, Verantwortung übernehmen. Dass ihre Kollegin aus Kreuzberg Canan Bayram Jamaika bereits eine Absage erteilt hat, gefällt Badum nicht. Aber dass diese Frage innerhalb der Partei zu Diskussionen wenn nicht gar Spannungen führen kann, ist sogar im kleinen Rahmen im
Faltbootclub schnell spürbar.
Es ist eine neue Situation für die Grünen wie für Lisa Badum, die sich momentan auch einfach erstmal darüber freuen will, als Mitglied und von Berufswegen durch die "heiligen Hallen" schreiten zu dürfen. Am ersten Tag erhielt sie ihren Laptop, Ausweis, E-Mail-Adresse: "Ich bin also halbwegs
arbeitsfähig." Jetzt geht es darum, einen Ort für ihr Wahlkreisbüro zu finden. Peter Gack hat eine Idee: "Laibarös!" Gelächter. Für Lisa Badum hat sich ein Traum erfüllt. Und Ursula Sowa, der der Sprung nach Berlin vor 15 Jahren gelang, erinnert sich: "Du wolltest das vor zwölf Jahren schon."
Beide strahlen stolz.