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Was bleibt vom Gedenken an die Reformation?


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Montag, 30. Oktober 2017

Ein Jahr lang haben Protestanten und Katholiken gemeinsam an den Beginn der Reformation erinnert. Dekan Hans-Martin Lechner zieht eine vorläufige Bilanz.
Ein Höhepunkt im Gedenkjahr war der Reformationsempfang des Dekanates Bamberg im Stephanshof. Für Dekan Hans-Martin Lechner (links) war die Mitwirkung von Erzbischof Ludwig Schick ein "starkes Zeichen ökumenischer Verbundenheit". Marion Krüger-Hundrup


Luther-Dekade, Landesausstellung in Luthers Wirkungsort Coburg, Luther-Bier und Luther-Socken, Luther als Playmobil, Luther in zahllosen Veranstaltungen: Es reicht allmählich, mag so mancher überdrüssig einwenden. Tatsächlich hat das 500. Reformationsjubiläum 2017 den einstigen
Augustinermönch und späteren Revoluzzer Martin Luther allgegenwärtig gemacht. Auch in Bamberg. Und das nicht nur in der evangelischen Kirche, sondern auch in der katholischen.

Kein Wunder. Denn nach dem Willen der obersten Kirchenleitungen wurde das Reformationsjubiläum in ein "Christusfest" umetikettiert. Das gemeinsame Bekenntnis zu Jesus Christus sollte im Vordergrund stehen und nicht konfessionelle Unterschiede oder Luthers Verehrung als Held der
protestantischen Kirchengeschichte. Da konnte sogar Papst Franziskus mithalten, der das "Reformationsgedenken" mit dem Lutherischen Weltbund im schwedischen Lund wohlwollend aufnahm.

"Die Ökumene bekam einen Schub, wir haben im Jubiläumsjahr fast alles gemeinsam gemacht um Christi Willen", freut sich Hans-Martin Lechner, Dekan des evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirks Bamberg, in einer ersten Bilanz. Ein endgültiges Fazit zum Gedenkjahr 2017 möchte er allerdings noch nicht ziehen: "Die Veranstaltungen gehen weiter", und nicht er allein, sondern der Dekanatsausschuss werde im Januar die Auswertung vornehmen.

Gleichwohl spricht Dekan Lechner von einem "großen Jahr mit vielen Begegnungen und Impulsen", die ein stärkeres Zusammenwachsen der rund 40 000 evangelischen Christen im Dekanat Bamberg bewirkt hätten. Und der Selbstvergewisserung dienten: "Was ist wirklich lutherisch?" Jedenfalls
nicht Nationalpathos und Anti-katholische Anwürfe, sondern nach den Worten Lechners die Öffnung für das Evangelium und zum Anderen: "Tägliche Umkehr zu Christus, um den so dringend notwendigen Frieden in der Welt bewusster zu machen", führt der Dekan aus. Außerdem liebe Jesus nicht nur die zwei Milliarden Christen, sondern alle Menschen gleich welcher Religion.

Christus trenne nicht von den anderen, fährt Lechner fort. Doch Unterschiede dürften nicht verwischt werden. Im Blick auf die katholischen Glaubensgeschwister spricht er von einer angestrebten "versöhnten Verschiedenheit" und gebraucht das bekannte Wort von der "ecclesia semper reformanda". Also von der Kirche, die sich ständig erneuern müsse: "Wir sind immer unterwegs, um uns neu an Christi Menschlichkeit zu orientieren", legt der Dekan aus.

Ein Höhepunkt von gesellschaftlicher Relevanz im Jubiläumsjahr war sicher der Reformationsempfang des evangelisch-lutherischen Dekanates im Stephanshof. Für Lechner ist es ein "starkes Zeichen ökumenischer Verbundenheit", dass Erzbischof Ludwig Schick dabei war und in seiner Tischrede den Kern von Luthers erster Wittenberger These aufgegriffen hat: "Kehrt um, tut Buße, glaubt an das Evangelium!" Ein Ruf, den laut Schick die Kirche in allen ihren Konfessionen verwirklichen müsse, damit die Spaltungen überwunden und neue vermieden werden könnten.

Vor diesem Hintergrund ist Dekan Lechner noch heute von dem ökumenischen Versöhnungsgottesdienst am 21. März in der St. Stephans-Kirche bewegt, in dem auf Ebene von Kirchenkreis und Erzbistum die Kirchen einander und Gott um Vergebung baten. Für die Anteile beider Konfessionen an der Kirchenspaltung etwa. "Das ist eine Basis, um miteinander den Weg zu gehen",
erklärt Lechner. Zumal er gerade in diesem Gedenkjahr ein "großes Interesse der Menschen an der jeweils anderen Konfession" erlebt habe: "Im Kern ist der ökumenische Wille da!"

Das lässt den Dekan hoffen, dass dieser nunmehr bestärkte Wille aus dem 500. Reformationsgedenken hinüberreicht in die kommende Zeit. Dass die vielen großen und kleineren Veranstaltungen, Vorträge, Konzerte, Projekte des Jubiläumsjahres die Pfarrgemeinden beflügeln - über die Konfessionsgrenzen hinweg.

Da Erfolg in der Kirche nicht messbar sei, möchte Dekan Lechner auch nicht in Zahlenspiele verfallen. Ob 2017 seinem Dekanat etwa mehr Gottesdienstbesucher beschert hat als sonst? "Unser Ziel waren nicht vollere Kirchen!" betont er. Vielmehr sei leitender Gedanke jedweder Aktionen von Haupt- und Ehrenamtlichen gewesen, dass es Jesus Christus ist, den alle Kirchen in ihrem gemeinsamen Glauben mit Worten und Taten bezeugen.


Gemeinsamer Reformationsgottesdienst

Der Gemeinsame Reformationsfestgottesdienst im Dekanatsbezirk Bamberg wird heute, 31. Oktober, um 19.30 Uhr in der Erlöserkirche, Kunigundendamm 15, gefeiert. Die Reformationskantate von Bach "Ein feste Burg ist unser Gott" kommt zur Aufführung. Die Predigt zur Kantate hält Johanna Haberer, Inhaberin des Lehrstuhls für christliche Publizistik an der Erlanger Universität. Der katholische Regionaldekan und Dompfarrer Markus Kohmann wird den Gottesdienst mitgestalten.


Kurzinterview

Die Erinnerung an den Beginn der Reformation geschah auch in Bamberg in ökumenischer Verbundenheit. Wir fragten den katholischen Regionaldekan, Domkapitular und Dompfarrer Markus Kohmann nach seinem Resümee des Gedenkjahres 2017.

Herr Regionaldekan, welche Bilanz ziehen Sie nach einem Jahr Reformationsgedenken in Bamberg?
Kohmann: Eine durchweg positive. Die Art und Weise, wie das Reformationsgedenken begangen wurde und in den nächsten Tagen gestaltet wird, zeigt eine ermutigende und herzliche ökumenische Offenheit sowie ein ehrliches Interesse an der Gemeinschaft im Glauben. Ich meine, sagen zu
dürfen, dass wir über alles reden können, auch die schwierigen oder umstrittenen Fragen, wobei wir wissen, dass wir für manches Problem in unmittelbarer Zukunft noch keine Lösung finden werden; aber wir sind bereit, gemeinsam weiter danach zu suchen.

Für den evangelischen Dekan Hans-Martin Lechner hat die Ökumene durch das Reformationsjubiläum einen Schub nach vorn ausgelöst. Ist der Dekan da vielleicht ein wenig blauäugig?
Wie ich Herrn Dekan Lechner kenne, hat er durchaus einen realistischen Blick für das Mögliche. "Einmal erlebt ist besser als tausendmal gehört", habe ich neulich gelesen. Ich denke, in diesem Sinne ist die Ökumene im vergangenen Jahr vorangekommen, weil Gläubige in Gottesdiensten, Konzerten oder religiösen Gesprächen nicht nur davon gehört, sondern erlebt haben, wie motivierend die erfahrene Gemeinsamkeit auf dem Weg des Glaubens für die Arbeit an der Einheit sein kann.

Welche Chancen messen Sie der Ökumene auf Lokalebene bei, die ja die großen konfessionstrennenden theologischen Fragen nicht beantworten kann?
Wir können die großen theologischen Fragen nicht beantworten, aber wir können gemeinsam auf Fragen antworten, die Menschen an unseren Glauben haben. Wenn wir das tun, machen wir auch deutlich, dass wir uns nicht ständig um uns selber drehen, sondern für die Menschen mit ihren
Lebensfragen da sein wollen.

Sie werden beim Reformationsfestgottesdienst in der Erlöserkirche mitwirken. Was können denn Katholiken am "Tag der Kirchenspaltung" feiern?
Am Tag des Gedenkens an die Reformation, die keine Spaltung derKirche, sondern deren Erneuerung wollte, können wir feiern, dass wir heutemiteinander und nicht gegeneinander das gleiche Ziel verfolgen, nämlich die Freude des Glaubens an Jesus Christus, der uns vereint, in herzlicher
Verbundenheit immer neu vor der Welt zu bezeugen.