War's am Ende gar kein g'scheites Wunder?
Autor: Anette Schreiber
Burgwindheim, Montag, 09. Februar 2015
Tausende pilgern acht Tage nach Fronleichnam nach Burgwindheim. Des Wunders wegen und wegen des Glaubens. Heuer jährt sich der wundersame Vorfall bereits zum 550. Mal. Doch was geschah da genau im Jahre 1465, war es vielleicht gar kein "g'scheites" Wunder?
Keine Angst, es hat wohl schon alles seine Richtigkeit. Und das große Glaubensfest wird auch in diesem Jahr wieder Burgwindheim zu einem spirituellen Zentrum machen. Kunstgeschichte-Professor Thomas Korth hat dem Wunder einmal auf den Zahn gefühlt. Sein Fazit: Zur genaueren Abklärung wären nun eigentlich die Liturgie-Wissenschaftler an der Reihe. An der Reihe, zu erklären, warum Pfarrvikar Hans Dolder 1465 die zu Boden gefallene Hostie nicht mehr aufheben konnte. Darauf fußt schließlich das Jubiläumsjahr "550 Jahre Wallfahrt zum Heiligen Blut". Korth hat sich jedenfalls intensiv mit Quellenlage, Dokumenten und Legende befasst. Als Festredner gab er Einblick in seine Erkenntnisse.
Der Kunstgeschichtler aus Bamberg, der hier und in Würzburg gelehrt hatte, geht in seinen Forschungen auch auf die Überlieferungen der Volkslegende ein. Die findet beispielsweise in Fresken und Wandbildern in Pfarrkirche und Blutskapelle ihren Niederschlag. Die zeigen eine Monstranz, die sich ohne erkennbaren Grund neigt, und die zu Boden gefallene Hostie. Die erste schriftliche Fixierung von 1468, die noch original im Würzburger Staatsarchiv erhalten ist, berichtet Korth zufolge davon nichts. Ebenso wenig wie die Quellen und die offizielle Dokumentation seitens des Klosters Ebrach.
Allen gemein ist lediglich der Vorfall, dass sich bei der Fronleichnamsprozession vor 550 Jahren die Monstranz ohne ersichtlichen Grund öffnete und die Hostie auf den Boden fiel. Weniger ein Fall von Hos tienfrevel, einem "schändlichen Umgang mit dem Allerheiligsten", "eher ein Hostienunglück". Aber geschehen ist das Ganze in einer Zeit - im ausgehenden Mittelalter - in dem Wallfahrtsorte nicht selten auf ähnliche Weise entstanden. Korth sieht hier Parallelen unter anderem mit dem Bamberger Heiliggrab-Kloster und Vierzehnheiligen.
Dokumente fehlen
Immer wieder fallen ihm bei seinen Forschungen fehlende Dokumente und Urkunden auf. Aber auch Schreibfehler und daraus resultierende Missverständnisse. Korth zufolge ist laut Aktenlage nirgendwo belegt, dass die Hostie eine Woche lang am Boden gelegen hatte und zum Schutz mit einem Verschlag bedeckt wurde. Zur Sühne allerdings, und Korth ist auf 40 Hostienwunder allein in Bayern gestoßen, wurde an solchen Orten meist eine Kapelle errichtet.
Vielleicht wurde für das durch den Fall - also den Unfall - entehrte Allerheiligste ein liturgischer Akt, eine rituelle Erhebung durch den Bischof oder den Ebracher Abt, Burkard II. erforderlich. Denn Ähnliches wird zur Bergung der gefundenen Hostien auf dem Areal des späteren Heiliggrab-Klosters durch den Bamberger Bischof überliefert.
Klar ist für den Kunstgeschichtler jedenfalls eines: Der Vorfall muss aus der damaligen Zeit heraus gesehen werden: "Dieses Ereignis konnte nicht anders als ein Wunder verstanden werden." Etwas, dem Bedeutung zuzumessen war. Mit der Deutung eines "Winks von Gott, eine Kapelle zu errichten".
Sicherlich tun sich aus Korths Recherchen auch Fragen auf, kommentiert Pfarrer Müller und fragt provokativ, "haben wir denn dann gar kein gscheites Wunder?" Aber seine Antwort gibt er umgehend: Das Wunder an sich vollzieht sich jeden Sonntag in der Eucharistie, wenn sich die Hostie zum Leib Christi verwandelt. Sein Resümee zum wundersamen Vorfall von 1465 lautet so: "Um es genau zu erfassen, muss man genau hinschauen."
DER FESTABEND im JUBILÄUMSJAHR:
Vor dem Blutsfest kommt nicht nur der Pfarrer oft ins Schwitzen. Ein bisschen Einblick hinter die Kulissen des großen Glaubensfest gab es beim Festabend.Pfarrer Albert Müller rückte einmal diejenigen ins Scheinwerferlicht, die eher im Verborgenen zum Gelingen des Festes zum Heiligen Blut, kurz Blutsfest beitragen.
Schon manchmal, so Müller, habe er sich die bange Frage gestellt, "ja wird es denn heuer wieder einen Blumenteppich für das Allerheiligste geben?"
Ab halb vier im Einsatz
Über Jahrzehnte hinweg habe es immer viele Mädchen gegeben, die Blumenteppiche legen. Stellvertretend für sie alle bedankte Dekan Müller sich bei Katharina Habersack und Heike Zach. Am Blutsfest, so erfuhr der Dekan auf Nachfrage, sind die Blumenteppich-Legerinnen schon ab halb vier auf den Beinen. Und: es werde immer schwieriger, Blumen zu bekommen. Hier forderte Albert Müller mehr Unterstützung ein.
Das tat er auch in Richtung Figurenträger. Denn auch hier habe Pfarrgemeinderatsvorsitzende Hannelore Schmitt ihre liebe Mühe. Mit Herzblut widme sie sich und ihre ganze Familie der Vorbereitung und Durchführung des Festes. Zwei prägende Elemente des Festes seien zudem die Garde und die Jugendblaskapelle. Garde-Kommandant Bernhard Kessel ist bereits seit seinem 14. Lebensjahr dabei. Seit Ende der 90er als Kommandant, bilanzierte der nun 51-Jährige. Für die Jugendblaskapelle wiederum wurde deren langjähriger Dirigent Joseph Herbstsommer gewürdigt, der sich an vielen weiteren Stellen engagiert und unter anderem die Fotos zu Professor Thomas Korths lang beklatschtem Vortrag gemacht hatte.
Als "Dreh- und Angelpunkt" in unserer Pfarrei wiederum bezeichnete Pfarrer Müller Pfarrsekretärin Elke Bätz, die sich neben ihrem Dienst als Sekretärin und Mesnerin viele, viele Stunden ehrenamtlich engagiere. Ihr und den vorher Geehrten überreichte er eine symbolische Jubiläumsmünze.
Echte Münze
Die echte Münze ist noch im Entstehen und wird nachgereicht. Am Ende gab es aber auch für Müller selbst eine "Medaille", denn "was wären wir ohne unseren Chef", so Hannelore Schmitt."Was aber wäre ein Wallfahrtsort ohne Wallfahrer wie z. B. aus Eltmann, Dingolshausen und Volkach", fragte Müller eher rhetorisch. Über die Jahrzehnte seien besondere Verbindungen, Freundschaften sogar schon Ehen entstanden. Für die Wallfahrer aus Volkach wurden Bürgermeister Peter Kornell sowie die Wallfahrtsführer Lothar Engert und Gregor Schrauth geehrt; für die Dingolshausener Clemens Menth, Alois Kraft, Bruno Kreisheimer und Hildegard Krahn. Die Wallfahrer aus Eltmann hatten sich entschuldigt.
Burgwindheims Erster Bürgermeister Heinrich Thaler hatte in seinem zu Beginn gesprochenen Grußwort Bezirksheimatpfleger Günter Dippold zitiert. Der hatte beim Jubiläum 650 Jahre Markterhebung festgestellt, "von Burgwindheim geht etwas Besonderes aus" und einen aufschlussreichen Verlauf des Abends in Burgwindheims schönstem Saal gewünscht.
Volkachs Stadtoberhaupt Peter Kornell wiederum erklärte in seinem Grußwort am Ende des Festabends, entscheidend sei, was die Menschen aus der Wallfahrt machen: Begegnung gehöre neben dem Spirituellen dazu und sei heute sehr wertvoll.
Begegnung
Mit gemütlichem Beisammensein, vielen Begegnungen und der Besichtigung des neu konzipierten Wallfahrtsmuseums klang dieser dem wundersamen Vorfall gewidmete und auch wunderschön gestaltete Festabend aus.
KOMMENTAR: GLAUBEN
Beim Glauben geht es ums Glauben an sich, bei allem anderem handelt es sich um Wissen. Wie viel muss ich wissen, um zu glauben, oder welchen wissenschaftlichen Belegs bedarf es, um Glauben zu untermauern? Elementare Fragen, die jeder für sich beantworten muss. Ebenso wie die Frage, warum er in Burgwindheim das Blutsfest besucht, was es für ihn persönlich bedeutet und was es ihm gibt. Einzig und allein darauf kommt es doch an, darin liegt die Antwort auf eingangs gestellte Fragen.
Die konstant hohe Zahl an Menschen, die alljährlich und über Jahrhunderte hinweg den Weg in diesen Steigerwald-Markt gefunden haben und immer noch finden, zeugt gleichfalls vom Suchen und vor allem wohl auch vom Finden. Was jeweils genauso individuell ausfallen dürfte wie die Frage nach dem ganz persönlichen Glauben.
In einer höchst technologisierten, über-rationalen, oftmals seelen- und empfindungsfernen, empathie-armen und reizüberfluteten Zeit tun solche Auszeiten gut. Besinnungsinseln. Wo jeder das mit hinbringen kann, was ihn umtreibt und wo er findet, was sein Innerstes braucht, wie auch immer er es nennt.
Für mich als Berichterstatterin war es und ist es immer ein Wunder, was dieses Blutsfest in Bewegung zu setzen vermag: Menschenmassen und hinter der Masse findet sich bei jedem Einzelnen sein ganz persönliches Motiv. Bestehend aus Glauben oder Wissen, ganz bestimmt aber dürfte Hoffnung dazu gehören.