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35-Jähriger in Bamberg erstochen: War es Mord oder Totschlag?


Autor: Peter Groscurth

Bamberg, Freitag, 08. Juli 2016

Am Montag beginnt vor dem Landgericht der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter, der vergangenes Jahr einen Mann erstochen haben soll.
Eine kleine Engelsskulptur, Kerzen, Blumen und auch drei Fläschchen Bier erinnern am Tatort an Michael G. Fotos: Peter Groscurth


Die grausame Messerstecherei in einer Ladenpassage in der Bamberger Langen Straße wird ab Montag das Landgericht beschäftigen. Am 26. Juni vergangenen Jahres gegen 3 Uhr nachts ereignete sich das Verbrechen. Opfer war Michael G., ein gelernter Maurer. Auslöser des tödlichen Streits war wohl, dass der Mann seinen Schlüssel verloren hatte und daher den späteren Täter aus der Fassung gebracht haben soll. Ein Nachbar erklärte nach der Bluttat: "Im Treppenhaus kam es zu einem Wortgefecht - und plötzlich hat der Kontrahent ein Messer gezückt und es seinem Gegenüber mehrfach in Brust und Bauch gerammt."

Laut Anklage soll der Täter, Sohn des damaligen Geschäftsinhabers, der anscheinend nach einem Streit mit seiner Freundin frustriert war, im Büro oberhalb des Ladens geschlafen haben.

Durch Lärm des Mieters im Flur des Hauses wachte er auf. Er habe danach zu einem Messer mit acht Zentimeter langer Klinge gegriffen und das Opfer, das zum Tatzeitpunkt 2,19 Promille im Blut hatte, attackiert. Insgesamt soll der Messerstecher fünf Mal auf den 35-jährigen Mieter eingestochen haben. Und zwar mit brachialer Gewalt, wie die Ermittler und Gerichtsmediziner feststellten. So habe er über dem Opfer kniend das Messer in die Brust gerammt und dabei zwei Rippen durchtrennt sowie Herz und Lunge schwer verletzt. Als der Messerstecher über die Dachterrasse flüchten wollte, wurde er dank eines Großeinsatzes der Polizei mit Hubschrauber-Unterstützung rasch gefasst. Michael G. starb an den Folgen der Attacken zwei Tage später in der Erlanger Uni-Klinik.


Die Vorgeschichte der Attacke

Der tödliche Streit hatte wohl aber auch eine Vorgeschichte. Laut Anklage und Schilderungen von Nachbarn soll der mutmaßliche Messerstecher drei Tage vor dem Angriff Michael G. mit einem Messer und einem Baseballschläger bedroht haben. Dabei sollen die Worte "Ich bringe dich um" gefallen sein.

Das bestätigt auch eine Bekannte des Toten. Michael G. habe danach mit der Mutter seines Gegners gesprochen und sie gebeten, ihren Sohn zur Vernunft zu bringen. "Dieser Streit und die Drohungen haben ihm zugesetzt. Micha wollte Ende Juni aus der Wohnung in der Langen Straße ausziehen", berichtete die Bekannte weiter.

Der mutmaßliche Täter, der sich laut Staatsanwaltschaft wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen verantworten muss, stand zum Tatzeitpunkt massiv unter Drogen, hatte Amphetamine und Metamphetamine im Blut, wie Untersuchungen ergaben.

Trotz all dieser massiven Vorwürfe teilt das Landgericht nicht die Auffassung der Staatsanwaltschaft, wonach im Fall der tödlichen Messerattacke von Mord auszugehen sei. Ein Gerichtssprecher erklärte auf Anfrage: "Hier besteht die Ansicht, dass es sich um ein Totschlagsdelikt handle. Der Angeklagte ist wohl planmäßig vorgegangen - doch das Gericht hat Anhaltspunkte, wonach nicht von niederen Beweggründen des mutmaßlichen Täters als Tatmotiv ausgegangen werden könne."

Nach der Bluttat herrschte großes Entsetzen im Bekanntenkreis von Michael G. Viele Menschen gedachten am Tatort des Opfers, legten in der Ladenpassage Blumen, persönliche Gegenstände, Kerzen und Bilder nieder. Jahrelang spielte er beim SC 08 Bamberg.


Freund des Opfers entsetzt

Ein Vereinskamerad sagte gegenüber dem Fränkischen Tag: "Der ganze Verein ist fassungslos. Wir konnten zuerst gar nicht glauben, was da passiert ist." Er beschreibt Michael G. als umgänglichen Typen: "Er war einer der feinsten Kerle, die ich kenne."

Der Angeklagte hingegen ist strafrechtlich kein unbeschriebenes Blatt. Gleichzeitig mit der Mordanklage wird er sich auch wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen. Für einen Angriff auf einen jungen Mann im September 2014 auf der Kirchweih in Reckendorf wurde er bereits zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt, legte aber gegen das Urteil Berufung ein. Laut Zeugenaussagen soll er einen 22-Jährigen ins Gesicht getreten haben. Das Opfer erlitt eine Platzwunde und verspürte nach eigenen Angaben infolge des Angriffs noch mehrere Wochen Schmerzen. Der Geschädigte war sechs Wochen krankgeschrieben.

Kein Einzelfall, denn wenige Monate zuvor hatte er einen Bekannten mit einem Baseballschläger vor dessen Kindern bedroht, um Geld einzutreiben. Nach einer Rangelei soll er ein Messer gezogen und versucht haben, den Mann am Bauch zu treffen. Zumindest habe dieser nach der Auseinandersetzung ein kleines Loch in seiner Jacke festgestellt. Verletzt wurde er nicht. Erst als eine Nachbarin vom Balkon rief, dass sie die Polizei hole, sei der Angeklagte laut Zeugenaussagen verschwunden.

In Sachen Verteidigung muss sich das Landgericht auf einen hartnäckigen Gegenpart einstellen. Der Angeklagte wird nämlich von Klaus Bernsmann aus Bochum vertreten, der auch schon den früheren Bamberger Chefarzt Heinz W. derzeit verteidigt. Bernsmann gilt als erfahrener Stratege in Verfahrensfragen, der nicht locker lässt.