Wagt den Blick übern Tellerrand!
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Dienstag, 20. Dezember 2016
Fast 90 Lokale beleuchtet Urike Grafberger in einem Gastro-Führer. Als Krustenbraten-Testesser unterstützte sie Bambergs früherer Bürgermeister.
Von A wie Ambräusianum bis Z wie Zuckerstück reicht das Spektrum: 88 Lokalitäten der Domstadt testete Ulrike Grafberger in den vergangenen Monaten, um sich dabei - natürlich nur Lesern zuliebe - saftige Braten, Torten, Cocktails und vieles mehr einzuverleiben. Das Ergebnis: "Bamberg geht essen", wie sich der neue rund 200-seitige Gastroführer der Autorin nennt, die uns darin auch Geschichte und Geschichtla um Cafés, Gaststätten und Wirtschaften kredenzt. Unsere Zeitung wollte mehr darüber wissen.
Sehnsucht nach der fränkischen Küche
Ein Gastronomieführer: Wie kamen Sie auf die Idee, obwohl schon etliche Bücher über Bambergs kulinarische Köstlichkeiten geschrieben wurden?Ulrike Grafberger: Ich kam auf das Thema, weil mir die fränkische Küche so fehlt. Seit 1996 lebe ich nicht mehr in Bamberg, wo ich nur noch bei meinen Eltern oder Freunden zu Besuch bin. Als Autorin zog ich nach Den Haag - und muss hier nun seither jeden Morgen "Schlabberbrot" essen. Was hab' ich das typische Sauerteigbrot schon vermisst oder etwa das Bier, das in Bamberg besser schmeckt als auf der gesamten restlichen Welt. Ich vermisse Sauerbraten mit viel Soße, ja, selbst Haxen, die ich früher nicht mochte. Immer, wenn ich in Bamberg bin, esse ich mich demnach durch die Wirtschaften - auf Vorrat sozusagen. Da bot sich doch ein Gas-troführer an, oder?
Sohn als Sushi-Spezialist
Hatten Sie bei Ihrem Projekt Unterstützung, familiäre vielleicht sogar?Das kann man sagen: Mein Sohn Philip begleitete mich als Sushi-Spezialist in entsprechende Lokalitäten. Als Krustenbraten-Testesser war mein Vater - Rudolf Grafberger - mit von der Partie. Meine Mutter zeigte mir als Kaffeetante den weltbesten Schokoladenkuchen.
Demnach flossen die Bewertungen eines langjährigen Bürgermeisters in die Neuerscheinung. Konnte Ihr Vater als Bamberger Urgestein auf der Gastro-Tour Neues entdecken?
Ja, beispielsweise das italienische Restaurant an der Schranne, das er zuvor noch nicht besucht hatte. Mit Freunden wollte mein Vater eines Tages ins Schlenkerla, wo kein freier Tisch mehr zu finden war. Zufällig aber hatte er meinen gerade erschienenen Gastroführer dabei, suchte per Karte nach nahen anderen Lokalitäten, rief im "Pane e Vino" an und reservierte.
Geschicklichkeitsspiele vor dem Essen
So wendet sich der Gastroführer auch an Einheimische, die Bambergs Lokalitäten aus dem Effeff zu kennen glauben?Selbstverständlich. Sie werden animiert, über den Tellerrand zu blicken. Jeder hat schließlich seine Lieblingswirtschaften, die er in erster Linie besucht. Dabei gibt es so viel Neues zu entdecken, das außergewöhnlich ist. Nehmen wir das Café Zuckerstück, wo neben fantastischen Kuchen auch Kerzenständer, Vasen und anderes Mobiliar verkauft werden. Oder das Restaurant TonKin, wo man sich Sommerrollen bestellen kann - auch zum Selber-Rollen, was dann in eine Art Geschicklichkeitsspiel ausartet.
Alte Zapfsäulen
Was ist die abgefahrenste Lokalität, die auf Leser wartet? Kennen Sie das "Ölkännla"? Das ist eine Kneipe von Bamberger (Auto-)Schraubern, die über ein besonders originelles Ambiente verfügt. Alte Zapfsäulen und Motorräder bringen dich zurück in die 50er und 60er Jahre. Selbst die Pissoirs befinden sich in den Fenstern eines ausgedienten Autos.
Gibt es in Ihrem Gastro-Führer neben Empfehlungen auch Kritik, die Wirte einstecken müssen?
Nein, daran lag mir nicht, zumal die Geschmäcker verschieden sind. Ich versuchte vielmehr die besondere Atmosphäre von Lokalen einzufangen, Geschichten und Geschichtla, die sich darum ranken. Wie eine Episode aus der Wunderburg, wo in den 90er Jahren die Straße aufgerissen wurde und der damalige Pfarrer eine originelle Erklärung lieferte: Die Aktion diene der Verlegung einer Bier-Pipeline von der Brauerei Keesmann zu seinem gegenüberliegenden Pfarrhaus. Was man dem Gottesdiener allerdings nicht allzu lange abnahm, nachdem er weiter seine Seidla von der Quelle nach Hause trug.
Gruseliger Wirsing
Gab's amüsante Anekdoten während Ihrer Recherche? Klasse war ein Hotel-Chef: Der erzählte mir, wie der typisch fränkische Wirsing schon manchen Touristen verschreckte: Der wirke wie "Spinat-Babybrei". - Am besten hat mir aber ein Bäckermeister gefallen, bei dem ich mit meiner Mutter Kuchen aß - Kuchen ohne Mehl. Als wir ihn darauf ansprachen, dass solche Leckereien doch besonders viele Kalorien haben müssten, erwiderte er: "Von Kalorien weiß ich nichts." Die hätten seine Bäcker keinesfalls hinzugefügt.
Drei Kilos draufgefuttert
Apropos Kalorien: Wie viel haben Sie während der Arbeit an dem Buch zugenommen? Zwei bis drei Kilo (jedes Gramm übrigens selbst bezahlt). Und das nicht nur während der Recherchen vor Ort, sondern auch danach. Das Schreiben über kulinarische Köstlichkeiten war so anregend, dass ich wieder Appetit bekam. Irgendwann hatte ich permanent den Geruch von Krustenbraten in der Nase ... Das war dann doch ein Stückweit zu viel.
Zum Buch
"Bamberg geht essen" mit Bildern und Texten von Ulrike Grafberger erschien im Heinrichs-Verlag unter ISBN 978-3-89889-215-5 und ist für 10 Euro erhältlich.
Leseproben
Brauerei KeesmannAls in den 1990er-Jahren eine Straße im Bamberger Stadtteil Wunderburg direkt vor der roten Kirche aufgerissen wurde, scherzte der Wunderburger Pfarrer, diese Aktion würde der Verlegung einer Bier-Pipeline von der Brauerei Keesmann zu seinem gegenüberliegenden Pfarrhaus dienen. Diese Botschaft verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Bamberg. Der Wahrheitsgehalt wurde schnell angezweifelt, denn noch lange nach der Straßenrenovierung sah man den Gottesdiener sein Bier selbst von der Keesman-Quelle ins Pfarrhaus tragen.
Pils statt Lager
Während die anderen Bamberger Brauereien auf Lager oder Rauchbier setzen, so hat sich das Keesmann dem Pils verschrieben. Das würzige Bamberger Herren Pils hat sich zum Bamberger Klassiker entwickelt - mein Vater ist dem Pils seit 40 Jahren treu! Ausgeschenkt wird es in der typisch fränkischen Wirtsstube mit blank gescheuerten Holztischen und holzvertäfelten Wänden, über denen die Hirschtrophäen thronen und einen Blick auf das bierselige Geschehen unter ihnen werfen.
Urfränkische Küche
Zwei Wunderburger Stammtischbrüder verrieten mir ihre Lieblingsgerichte im Keesmann: saure Lunge und saure Fleck, das sind Innereien in einer essigsauren Mehlschwitze zubereitet, Eisbein mit hausgemachtem Erbsenbrei und panierte, gebackene Bratwürste. Also nichts für den schwachen Magen. Aber es geht auch anders: Nudeln mit Gambas und frisch zubereiteter Fisch stehen ebenfalls auf der Speisekarte, die alle zwei Wochen neue Überraschungen bereithält.
Ichi-San
Das Leibgericht meines Sohnes ist Sushi und zum vierzehnten Geburtstag bekam er ein All-you-can-eat-Sushiessen. Er verdrückte 40 Stück. Seitdem futtert er - sofern es das Taschengeld zulässt oder sich Opa großzügig zeigt - Sushi in allen Größen und Variationen. Er ist also durchaus ein Sushi-Kenner, und zu den besten Sushi-Restaurants gehört seiner Meinung nach das Ichi-San in Bamberg. Er ist mit seinem positiven Urteil nicht alleine. Auch auf Tripadvisor wird das Ichi-San in den höchsten Tönen gelobt: "Eine derart gut Qualität und hervorragende Zubereitung habe ich in Deutschland noch nicht erlebt." Ein guter Grund, sich die Sushis mal genauer anzusehen ...
Häppchenweise Japan
Maki-Sushi, die kleinen gefüllten Rollen, oder Nigiri Sushi, längliche Reiskissen mit Fisch belegt, gibt es bei Ichi-San mit den vielfältigsten Zutaten: Krebsfleisch, Oktopus, eingelegter Rettich, Flugfischkaviar, Spargel, Thunfisch, Avocado etc. Wer lieber etwas Warmes möchte, der kann gebratene Teigtaschen, Frühlingsrollen, Tempura oder Lachs mit Teriyaki-Sauce bestellen. Man nimmt das Essen entweder mit nach Hause oder isst es direkt im modernen Restaurant in der Luitpoldstraße, das mit den roten Papierlampen voller japanischer Schriftzeichen und der puristischen Einrichtung ein authentisches Japan-Ambiente ausstrahlt.
Café Zuckerstück
Welch ein schönes Konzept! Das kleine Café in der Sandstraße ist von unten bis oben voller schöner Dinge: gemütliche Sofas, kuschelige Kissen und Decken, Kerzenständer und Vasen, Lampen, die von der Decke baumeln. Teilweise sind die Sache neu, teilweise Vintage, doch das Schönste ist: Fast alles kann man kaufen.
Lise und Lore schmecken!
Doch bevor man das Zuckerstück mit einer Lampe unter dem Arm verlässt, sollte man unbedingt noch einen der fantastischen Kuchen probiert haben, die solch nette Namen wie "Birne Lise" oder "Lores Käse" tragen. Weiterhin gibt es englisches Shortbread und Teekuchen sowie frische Tramezzini mit scharfer Salami oder Serrano-Schinken.
Café Portugues
Zu den leckeren und vor Ort hausgemachten Kuchen gibt es portugiesischen Kaffee: Galao (Milchkaffee) oder Bica (Espresso). Ein Gedicht sind auch die Puddingtörtchen namens Pasteis de Nata, die manche vielleicht aus Lissabon kennen. Klein Portugal in Bamberg - wie kam es dazu? Die Besitzerin des Zuckerstücks, Sabine Bodenschatz, ist Portugal-Liebhaberin und fährt seit 30 Jahren regelmäßig dorthin. Seit 2010 verbindet sie ihre Leidenschaften - schöne Möbel, portugiesische Lebensart und Kuchenbacken - in dem bezaubernden Café-Laden in der Sandstraße, mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Töchter und Freundinnen.