Vorwürfe gegen den Stimmenkönig der Bamberger CSU
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Dienstag, 05. Mai 2015
Der Deutsch-Chinese You Xie ist der meist gewählte CSU-Stadtrat in Bamberg. Doch seine Anmerkungen zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften auf Facebook bringen ihn in Erklärungsnot. Auch in der CSU geht man auf Distanz.
Bis vor kurzem hätte man Benjamin Asen, 37-jähriger Software-Entwickler aus Bamberg, durchaus als Fan von You Xie betrachten können. Der bekannte Inhaber eines Schnellrestaurants am Kranen, im Nebenberuf Schriftsteller, aber auch meist gewählter Stadtrat auf der CSU-Liste, sei ein netter Mann, eine intelligente Persönlichkeit und könne auf einen beeindruckenden Lebenslauf verweisen.
Umso "schockierter" war Asen, als er beim Surfen auf der Facebook-Seite von You Xie am 25. April auf mehrere geteilte Beiträge stieß, die, wie Asen sagt, "am unteren Ende des konservativen Spektrums liegen" - "grenzwertig, besonders für einen gewählten Volksvertreter".
Was Asen meint, sind Anmerkungen Xies zu gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, die der unter seinen über 4500 Facebook-Freunden geteilt hatte und die zumindest erklärungsbedürftig sind.
So kritisierte Xie, der als wortstarker Verfechter der Meinungs- und Pressefreiheit gilt, beim Teilen eines Artikels mit dem Titel "Pro Homolobby. Ausgerechnet Gauck" die liberale Einstellung des Bundespräsidenten, der "Respekt für die Vielfalt" eingefordert hatte - "Falsches wider die Natur" wie es in einem Kommentar darunter hieß. Am gleichen Tag wurde der CSU-Stadtrat beim Teilen eines Artikels des Internet-Blogs "Conservo"noch deutlicher: Die Genderideologie sei eine dämonische Rebellion gegen die göttliche Schöpfungsordnung... stand da in der Vorbemerkung zu lesen.
Asen ist in seiner Skepsis gegenüber solchen Äußerungen nicht allein: Auch der CSU-Ortsverband Bamberg-Mitte ist zwischenzeitlich auf Distanz zu seinem Mitglied Xie gegangen. "Die Haltung, die aus solchen Äußerungen spricht, entspricht nicht unseren Wertvorstellungen", sagt der neu gewählte Ortsvorsitzende Stefan Kuhn. Kuhn findet Formulierungen, wie sie Xie veröffentlicht hat, rückwärtsgewandt und diskriminierend. "Als evangelischem Christen und CSU-Mitglied geht es mir um Integration und vor allem um Toleranz gegen Minderheiten."
"Ich bin ein toleranter Mensch"
Doch auch You Xie reklamiert für sich, tolerant gegenüber Andersdenkenden zu sein. "Es sollte jeder so leben können, wie er oder sie es für richtig hält", teilt er am Montagabend mit, nachdem die Kritik an seinen Facebook-Beiträgen nicht verstummte und auch zum Thema in der CSU-Fraktionssitzunggeworden war. Xie entschuldigt sich für die Irritationen. "Ich habe in Facebook einige Beiträge geteilt bzw. geschrieben, die teils missverstanden wurden und eventuell auch Gefühle verletzt haben. Ich bin ein toleranter Mensch, vertrete aber auch eine konservative Meinung zu den Themen ,Heimat, Lebensweg und Familie'..."
Fraktionschef Helmut Müller betrachtet die Angelegenheit durch die Klarstellung als erledigt. Er schätze You als Menschen und als "Exoten" in der Partei. Müller betont, dass es in der CSU ein breites Spektrum von Meinungen gebe. You Xie habe in seinen Posts seine Privatmeinung vertreten, nicht die der Partei oder der Fraktion. Allenfalls könne man ihm den Vorwurf machen, dass er sie als Repräsentant der CSU nicht deutlich genug als Privatmeinung kenntlich gemacht habe.
Die Entschuldigung von You Xie stößt auf dessen Facebookseite bei Vielen auf Zustimmung. Auch Benjamin Asen freut sich über die Erklärung, lässt allerdings auch nicht locker beim Versuch, mehr über die Einstellung von You Xie zu homosexuellen Mitbürgern zu erfahren. Hier gehe es nicht um eine Privatmeinung: "Xie ist als Stadtrat nicht nur Vertreter der CSU, sondern vertritt auch die Wähler."
"Facebook ist gefährlich"
Steht Xie hinter der Verurteilung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, wie ihm nach den einschlägigen Posts vorgeworfen wird? Dies haben wir am Dienstag den CSU-Politiker selbst gefragt: Glaubt man Xie, dann hat er das Risiko, missverstanden zu werden, sträflich unterschätzt. Er habe den Machern des Blogs "Conservo" eine Gefälligkeit erweisen wollen und Teile der geteilten Artikel als Anreißer vorneweg zitiert, "damit die Beiträge gelesen werden".
Heute ärgert sich Xie darüber, dass er sich dazu hat hinreißen lassen, ohne auf die Risiken einer solchen Praxis zu achten und sich davon zu distanzieren. Der Vorwurf, Homosexuelle oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu diffamieren, habe ihn getroffen. Er trete für traditionelle Familienbilder ein, doch das bedeute nicht, dass er Anderslebende verdamme.
Xie postete am 25. April über zwölf Beiträge, von denen drei in die Kritik gerieten. Als Konsequenz aus diesen Erfahrungen plant Xie, sich aus dem sozialen Netzwerk zu verabschieden: "Facebook ist sehr gefährlich."