Vorne gelebt, hinten gearbeitet
Autor: Redaktion
Bamberg, Donnerstag, 06. Dezember 2018
In den prachtvollen Häusern entlang der Hainstraße lebten einst erfolgreiche Hopfenhändler. Und die Bauten dahinter dienten der Lagerung des Hopfens.
"Hier möchte man gerne wohnen", sagt Franca Heinsch und blickt die mit prachtvollen Baumen gesäumte Hainstraße hinunter. In der Tat: Ein wunderschönes Haus reiht sich ans andere, schmuck, strahlend weiß, stuckverziert. Die hohen Fenster der zweistöckigen Gebäude lassen lichtdurchflutete Wohnungen dahinter erahnen. "Das Besondere sind aber nicht nur diese Häuser, sondern das Zusammenspiel mit den Gebäuden in der zweiten Reihe", erklärt die Leiterin der Bamberger Geschäftsstelle des Vereins "Geschichte Für Alle". "Die Häuser hier sind genauso hoch, aber dreistöckig."
Der Grund: All diese Gebäude wurden für die Lagerung des Hopfens errichtet. In den prachtvollen Häusern an der Straße lebten die Hopfenhändler, die durch ihr Geschäft zu Geld gekommen waren und repräsentieren wollten, in den hinteren Häusern wurde der Hopfen verarbeitet. "Die Hopfenernte fand immer Ende August bis Mitte September statt", erklärt die Historikerin.
Bei kleineren Betrieben erledigte die Hopfenbauerfamilie selbst die Ernte, aber in den größeren Unternehmen, wie denen, deren Besitzer in der Hainstraße wohnten, mussten Erntehelfer, auch Hopfenzupfer genannt, zu Tausenden anreisen. Zunächst kamen sie aus dem Bayerischen Wald und aus Böhmen, zwischen den beiden Weltkriegen aus den umliegenden Städten und Gemeinden und während des Zweiten Weltkriegs mussten nicht selten Mitglieder des Bundes Deutscher Mädel oder der Hitlerjugend Hand anlegen.
Nach dem Krieg halfen häufig Flüchtlinge aus dem Osten bei der Ernte. Die Verwendung von Hopfen hat in Bayern eine sehr lange Tradition und ist urkundlich im 9. Jahrhundert erstmals belegt. "Archäologische Nachweise zum Hopfen aus dem bayerischen Raum finden sich, anders als andernorts, erst ab dem Hochmittelalter. Schon seit der Antike durfte er als Heilpflanze Verwendung gefunden haben, beim Brauen von Bier kam er bis dahin jedoch wohl kaum zum Einsatz", schreibt Christoph Pinzl im Historischen Lexikon Bayerns.
Konservierung vor Geschmack
Besonders in den Klöstern wurde häufig mit Hopfen Bier gebraut. "Im Zentrum stand in dieser Zeit weniger die Frage nach einer Geschmacksverbesserung des Bieres als vielmehr die stark konservierende Wirkung, die der Hopfen entfaltete. Seine hohe antibakterielle Wirksamkeit durfte sich aus dem tradierten Wissen der Volksmedizin auf das Brauwesen übertragen haben", schreibt Pinzl weiter und nennt Hildegard von Bingen als Quelle.
Bevor der Hopfen in Bamberg eine Rolle spielte, musste er sich allerdings erst noch gegen andere Zutaten im Bier durchsetzen. Wichtig hierfür war das in Ingolstadt erlassene Reinheitsgebot von 1516, in dem zum Beispiel festgelegt wurde, dass nur Hopfen als Bierwürze verwendet werden darf. "Trotzdem dauerte es noch mehr als 300 Jahre, bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, bis der Hopfenanbau nach Bamberg kam", sagt Franca Heinsch. "Bier fand immer mehr Abnehmer, durch die Eisenbahn wurde der Transport der Hopfenballen viel einfacher und auch Erntehelfer hatten es nun viel leichter, von A nach B zu gelangen", nennt die Historikerin die Gründe für die Entstehung des Hopfenanbaus in der Stadt an der Regnitz.
Zunächst arbeiteten die Bamberger Bierbrauer und die Hopfenhändler aber nicht zusammen. "Die Bierbrauer vor Ort haben sehr gern den böhmischen Hopfen verarbeitet, sie waren der Ansicht, dass dieser besonders gut sei. Der Bamberger Hopfen wurde hauptsachlich exportiert und gar nicht in die hiesige Bierproduktion mit einbezogen, sondern als Verkaufsschlager in die Welt geschifft." In der Tat, erzählt die Historikerin, taten die bayerischen Kurfürsten und Bamberger Fürstbischöfe viel, um den Hopfenanbau zu fördern. Zum Beispiel mit Steuerbefreiungen, aber auch mit ausgeschriebenen Preisen, um auch dem kleinen Mann den erfolgreichen Hopfenanbau nahezubringen.