Vorahnung: Bleibt die Barriere?
Autor: Annette Gropp
Strullendorf, Donnerstag, 04. Mai 2017
Im Kampf um die Barrierefreiheit am Strullendorfer Bahnhof ziehen die Verantwortlichen vor Ort an einem Strang.
S"Liegen Ihnen zur ,Schweizer Rampe' als Zugang zum Bahnsteig in Richtung Nürnberg Beschwerden chronisch kranker und behinderter Menschen vor?" Dieser Satz aus einem Schreiben der Deutschen Bahn versetzt die Gemeindeverwaltung von Strullendorf aktuell in Aufruhr.
Die E-Mail an den Landkreis-Behindertenbeauftragten Peter Müller ist für den Ersten Bürgermeister Grund genug für eine spontane Ortsbegehung mit Betroffenen: Schließlich befindet sich Wolfgang Desel (CSU) akut mitten in den Verhandlungen rund um den Umbau des Strullendorfer Bahnhofs, interpretiert die Anfrage der Bahn als Signal für Sparmaßnahmen, fürchtet um die finanzielle Unterstützung bei einem wichtigen Teil-Aspekt der kompletten Barrierefreiheit und hat sich für das Brennpunkt-Meeting sogar einen bundespolitischen Mitstreiter an den Bahnsteig geholt.
"Im Zuge des ICE-Ausbaus sollte später sowieso etwas Anderes kommen": Andreas Schwarz ist Mitglied des Bundestages, Ex-Bürgermeister von Strullendorf und kennt die lange Geschichte um die "Schweizer Rampe" im Detail. Das potenzielle Streitobjekt wurde dementsprechend 2009 bewusst als Provisorium errichtet und offeriert den Zugang von der Unterführung zu den beiden mittig gelegenen Gleisen mit einer platzsparenden, aber anstrengenden Steigung von zwölf Prozent.
Weil das Bundesverkehrsministerium in Berlin die Zusage zum barrierefreien Umbau des Bahnhofs gegeben hat, rechnet die Gemeinde eigentlich mit der Subvention eines zusätzlichen Aufzugs von der Unterführung zum Bahnsteig, der tatsächlich in den Plänen der Bundesbahn eingezeichnet ist. Die Frage der Bahn nach Beschwerden rund um die alte Kurz-aber-Steil-Rampe verunsichert dabei nicht nur die Strullendorfer Elektro-Highspeed-Rollstuhlfahrer Edgar Zöllner und Christian Undiener, die quasi zu Testzwecken einbestellt wurden. Auch Markus Loch als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft chronisch kranker und behinderter Menschen e. V. fürchtet ein ausschließliches Festhalten an der alten Rampe, die sich beim Draußen-Date am Bahnhof ironischerweise nicht mit den Behinderten-Fahrzeugen ausprobieren lässt.
Live-Versuch vor Ort
Dass der Strullendorfer Bahnhof momentan ein Paradebeispiel für Barriere-Unfreiheit ist, bewies nun der Live-Versuch und dessen Abbruch. Der Zugang zur Unterführung und zur "Schweizer Rampe" ist von beiden Seiten bisher nur über Treppen erreichbar: Die Anreicherung der ortszugewandten Ostseite durch eine Serpentinen-Zufahrt mit einer moderaten Steigung von sechs Prozent ist deswegen beschlossene Sache - und die Kostenübernahme durch Bund und Bahn definitiv zugesagt. Aber auch nach Beseitigung dieser Barriere ist die "Schweizer Rampe" als buchstäblich einziger Ausweg aus der Unterführung zum neuralgischen Mittelbahnsteig laut Behinderten-Beauftragten Peter Müller zukünftig nicht zulässig, sondern veraltet: "Laut aktuell gültiger DIN 18040-1 ist eine sogenannte ,Schweizer Rampe' aufgrund der doppelten Steigung ohnehin nicht als barrierefrei anzusehen" und verursacht bei ausschließlicher Nutzung Probleme, die über Fragen der körperlichen Kondition oder des technischen Potenzials von Rollstuhlfahrern hinausgehen. "Gerade auch Rentner, die von Sehschwächen bis zu Bewegungs-Schwierigkeiten oft unterschiedlichste Behinderungen subsummieren, haben mit einem derart steilen Aufstieg erhebliche Schwierigkeiten."
Vorstoß in Berlin
Barrierefreier Ost-Zugang genehmigt, barrierefreier West-Zugang in Arbeit - barrierefreier Mittelteil gefährdet? Bürgermeister Desel, Vize-Bürgermeister Ludwig Werner (Bürgerblock), der Behinderten-Beauftragte Peter Müller, der Vorsitzende vom Verein Leuchtfeuer e.V,. Hans-Joachim Kräske, ARG-Vorsitzender Markus Loch und der Berliner Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz (SPD) checkten die Schweizer Rampe mit gesunden Beinen und scharfen Augen und betrachten das Engagement für den zusätzlichen Aufzug explizit als gemeinsames parteiübergreifendes Projekt. "Wir wollen es komplett barrierefrei und wir wollen es nicht bezahlen!": Mit seinem Fazit will der Bürgermeister die Bahn zur Vollendung einer runden Sache animieren und erhält dabei Unterstützung von seinem Vorgänger: Andreas Schwarz wird sich in Berlin direkt an den Vorstand der Deutschen Bahn wenden, damit auch da die letzten Barrieren beseitigt werden können.Apropos Barriere: Christian Undiener ist wegen der Hindernis-Geschichte schon nach Bamberg gezogen. Auf dem Schienenweg in die alte Heimat muss der Rollifahrer erst Buttenheim ansteuern, dort umsteigen und in den nächsten Zug zurück Richtung Bamberg steigen, damit er in Strullendorf am richtigen Bahnsteig mit Ausfahrt zum Dorf landet. Der selbsternannte "Barrierekiller" führt akribisch Buch über den aktuellen Zustand der umliegenden Bahnhöfe und hofft trotz fehlender eigener Testberichte der "Schweizer Rampe" auf ganzheitliche Modernisierung - mit praktischem Aufzug.