Druckartikel: Von Sinn für historische Werte

Von Sinn für historische Werte


Autor: Werner Baier

Hirschaid, Montag, 15. Sept. 2014

Der alte "Körbershof" in Rothensand wird von seinen neuen Besitzern in ein Schmuckstück verwandelt. Am "Tag des offenen Denkmals" erzählen sie wie.
Drin in der guten Stube: Nach der Entfernung späterer Unterzugsdecken hat der Wohnraum wieder eine normale Höhe. Fachkundiges Publikum ließ sich die Verstärkung der Deckenkonstruktion erklären. Foto: Werner Baier


13 große Mulden Schutt sind aus dem "Körbershof" verschwunden. Nun wird es noch gut sechs Jahre dauern, bis das Gehöft an der Rothensander Hauptstraße 6 denkmalgerecht erneuert ist. Über die Mühe und Sorgen, aber auch über die Freude, die eine solche Aufgabe bereitet, plauderten Julia und Thomas Nagel beim "Tag des offenen Denkmals" mit zahlreichen Besuchern. Voll der Anerkennung für das bisher Erreichte geizten die neugierigen Gäste nicht mit Zuspruch: Bei Nagels ist das zweite Kind unterwegs, die Eheleute schauen hoffnungsvoll in die Zukunft und freuen sich auch über ideelle Zuwendung.

In besten Händen

Bei Julia und Thomas Nagel ist das Baudenkmal, der im Jahr 1780 fertiggestellte Vierseithof am Ortseingang, in besten Händen: Sie meisterliche Vergolderin, er Kirchenmaler-Meister, da wirken geschickte Hände und es waltet der Sinn für historische

Werte. Vor vier Jahren wurde das Ehepaar, das in der Erlacher Mühle ein Atelier betrieb, im Hirschaider Ortsteil fündig: Der bis in die 1980er-Jahre bewirtschaftete Bauernhof wartete darauf, einer jungen Familie mit viel Platzbedarf an Werkstatt und Freiraum zur Heimat zu werden.

Die zwei haben in ihren Brotberufen viel zu tun, aber sie finden auch immer wieder Zeit, an ihrem Nest weiterzubauen. Die wichtigsten Wohnräume befinden sich mittlerweile in einem funktionalen Zustand, auch wenn das eine oder andere noch provisorisch wirkt. Reste alter Schablonenmalereien werden nicht einfach ergänzt; die Hausherren begnügen sich mit der freigelegten, grellbunten Teilfläche an der Küchenwand, die im Übrigen glatt verputzt ist. An einer Stelle schaut das blanke Mauerwerk durch. Es bleibt sichtbar und soll an die Zwischenwand erinnern, die im "Körbershof" einst das Aus tragsstübchen abgrenzte.

Aus dem Boden ragt gut 20 Zentimeter ein Balken hoch; auch er ein Relikt früherer Raumteilung und weniger eine Stolperschwelle denn ein Zeugnis langer Baugeschichte. Nach der Entfernung aller modernistischen Verunstaltungen aus dem 20. Jahrhundert kommt ein Bauernhof zum Vorschein, der noch immer seinem vermutlich wohlhabenden Bauherrn zur Ehre gereicht.

Interessante Berufe

Das Interesse der zahlreichen Besucher galt aber nicht nur dem wieder erstehenden Baudenkmal, sondern auch den interessanten Berufen seiner neuen Eigentümer. Julia Nagels Meisterstück, ein exzellent restaurierter Paravent, diente als Blickfang in der Werkstatt. Doch hier ist es noch zu zugig, um mit dem hauchdünnen Blattgold arbeiten zu können. Und auch Thomas Nagel zeigte Proben seines Könnens in der Restaurierung wertvollen Kirchenschmucks.

Darüber hinaus fanden seine Erklärungen zur traditionellen Farbenherstellung aus Erden und Steinen, Kalk, Leim oder Kasein (Magerquark) großes Interesse. Schwarz aus Kohle oder Kamin-Ruß zu fabrizieren, war noch die leichteste Übung. Für Rot musste man schon Steine aus England oder Thüringen zu feinstem Staub vermahlen, Ockerpigmente wurden aus Griechenland oder Zypern importiert. Ein großer Aufwand war also nötig, bevor ein Maler den ersten Pinselstrich ziehen konnte. Auch daran sollte man denken, wenn man das Deckengemälde einer Kirche bewundert oder ein altes Meisterwerk in einer Pinakothek.

Wie in alten Zeiten

Gemalt und gehämmert wurde auf dem "Körbershof" beim Tag des offenen Denkmals übrigens auch: Die Kinder der Besucher konnten sich die Zeit so vertreiben, wie es für ihre Großeltern noch gang und gäbe war, ganz ohne Elektronik. Und siehe da: Es machte Spaß, den Kindern und den Zuschauern.