Von Rokoko bis Industriebau
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Sonntag, 25. Juni 2017
Die "Architektouren" in Bamberg boten am Wochenende ungewohnte Einblicke in lokale Projekte von Bauherren und Architekten.
           
Der dreijährige Neo gehörte zu den jüngsten Interessenten, die sich am Wochenende in Bamberg auf die "Architektouren" begaben. Sichtlich unberührt ließen den Buben an der Hand von Papa Michael Seidenath aber Sichtbeton und unbehandelter Stahl, die den Neubau des Feuerwehrgerätehauses für die Löschgruppe 2 an der Rotensteinstraße prägen. Neos Augen leuchteten erst, als er vor den roten Feuerwagen in der Halle stand. Und als ihm Löschgruppenführer Christian Wolf anbot, sich doch in so ein riesiges Ungetüm zu setzen. Der Papa bugsierte den Kleinen denn auch hinter das Steuer des Gerätewagens Hochwasserschutz. Das Fotoshooting gefiel Neo wieder weniger.
Michael Seidenath arbeitet in der "Eis Architekten GmbH", die den Feuerwehr-Neubau im Auftrag der Stadt Bamberg verantwortet. Seidenath hat das energetische Konzept des Gebäudes erstellt. Wärmedämmung, Gebäudehülle, Fernwärme von der nahen Mälzerei: "Das hat alles einen hohen Standard", versicherte Architekt Jochen Eis den weiteren Besuchern. Er führte sie durch das gesamte Gebäude von der Feuerwehrhalle über die Umkleideräume samt Toilettenanlagen bis hin zu den Büro- und Schulungsräumen im ersten Stockwerk. "Zeitgemäße Industriearchitektur" ist nach seinen Worten der richtige Begriff für diesen zweckmäßigen und optisch schlichten Bau, dessen Fassade "auch in den nächsten zwanzig Jahren so sauber aussieht".
  
   Rokokohaus weckt Interesse
 
Ein Kontrastprogramm pur bot dagegen das Stadthaus Schillerplatz 10 im Unesco-Welterbe. Das denkmalgeschützte Rokokohaus aus dem Jahr 1760 lockte besonders viel Neugierige an. Denn das dreistöckige Haus beherbergt nach Umbau und Sanierung drei Privatwohnungen und ein Büro. Die Wohnungstüren blieben auch für die "Architektouren" verschlossen. Doch Architekt Franz Ullrich öffnete bereitwillig sein Büro im Erdgeschoss und gewährte Einblicke in den lichtdurchfluteten Innenhof sowie ins ertüchtigte Treppenhaus mit seinem harmonischen Erscheinungsbild.Ullrich ist selbst der ausführende Architekt, der im Auftrag der Bamberger Bauherrin Claudia Kaspar aus dem dunklen und verbauten Rokokohaus einen Ort erster Güte geschaffen hat. Und damit dem Motto der "Architektouren 2017" voll entspricht: "Architektur schafft Lebensqualität". So habe ihn anfangs auch die Frage umgetrieben: "Wie kann Leben in dieses Haus einziehen?", so Franz Ullrich. Nachdem er eine Nutzungsvorstellung entwickelt hatte, ist der Architekt mit "einfachen Mitteln und begrenztem Budget" ans Werk gegangen. Und machte aus der einstigen Werkstatt eines Installateurs, dessen Familie das Haus verkaufte, ein Schmuckstück. Allein schon der neu gestaltete Innenhof mit den freigelegten Laubengängen lud zum Staunen ein.