Vom Umgang mit der Geschichte
Autor: Stefan Fößel
Bamberg, Freitag, 15. November 2019
Wer auf dem kulturhistorischen Grabmalweg über den städtischen Friedhof wandert, trifft auf Politiker, Unternehmer und andere Persönlichkeiten. Dass auch bekannte Nazis aufgenommen wurden, findet ein FT-Leser unmöglich.
Wer sich ein wenig in der Bamberger Geschichte auskennt, kann am städtischen Friedhof durchaus eine spannende Stunde verbringen. Dazu trägt nicht zuletzt der kulturhistorische Grabmalweg bei. Der führt seit knapp zwei Jahren zu den Gräbern zahlreicher berühmter Bamberger, vom Kunsthistoriker Heinrich Meyer über den Stifter der Villa Remeis, Karl Remeis, oder den Luftfahrtpionier Willy Messerschmitt bis hin zu den Oberbürgermeistern der jüngeren Stadtgeschichte.
Beschwerde beim Friedhofsamt
Einer von ihnen heißt Lorenz Zahneisen, er war OB von 1933 bis 1945 - und bekennender Nationalsozialist. Als ihn die Spruchkammer nach dem Krieg als "Mitläufer" einstufen wollte, soll sich Zahneisen dagegen verwehrt haben: "Ich war stets aktives Mitglied der Nazi-Partei." Dieser OB bekam kein Ehrengrab wie seine Nachfolger, er liegt im Familiengrab. Nur eine Plakette vor dem Grab zeigt an, dass wir uns hier an einer Station des kulturhistorischen Grabmalwegs befinden.
Vor allem Lorenz Zahneisen meint unser Leser Konrad B., der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, wenn er sagt: "Es kann doch in der heutigen Zeit nicht sein, dass wir die Leute zu den Gräbern der Nazis führen." Drei der 72 Stationen am bisherigen Grabmalweg sind im Flyer wegen ihrer nationalsozialistischen Gesinnung besonders markiert, neben Zahneisen auch der Segelflieger Friedrich Harth und der Maler Fritz Bayerlein, dessen Bilder auch im Rathaus hängen. Kulturbürgermeister Christian Lange (CSU) hat in seinem Vorwort zur Broschüre darauf hingewiesen, dass mit dem Weg Vertretern des Widerstandes oder Personengruppen wie der Opfer von Gewaltherrschaft, Zwangsarbeit und Krieg gedacht werde, "doch auch kritisch zu betrachtende Personen der Zeitgeschichte, die zum Beispiel mit dem Nationalsozialismus verbunden sind, sind erwähnt".
Der Stadtrat habe das Vorhaben einstimmig unterstützt. "Wir haben das lang diskutiert. Wenn wir uns mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen wollen, dann dürfen wir auch diesen Teil der Geschichte nicht totschweigen."
Konrad B. kann das nicht nachvollziehen, er hat sich diesbezüglich auch schon beim Friedhofsamt beschwert. Dort hat er erfahren, dass der längst vergriffene Faltplan derzeit neu gedruckt wird - um einige Namen ergänzt. "Da hätte man doch die Alt-Nazis gleich rauslassen können", findet der 65-Jährige. Außerdem hätte er sich gewünscht, dass auch bekannte Bamberger, die auf dem benachbarten jüdischen Friedhof liegen, in den Grabmalweg aufgenommen werden. Willy Lessing oder Willy Aaron zum Beispiel.
Dem pflichtet Andreas Ullmann bei. Der stellvertretende Vorsitzende der Willy-Aaron-Gesellschaft hielte es durchaus für angemessen, in diesem Zusammenhang auch auf verdiente Bürger jüdischen Glaubens hinzuweisen.
B.s Befürchtungen teilt er jedoch nicht: "Ich glaube jetzt nicht, dass die Neonazis zum Grab Zahneisens pilgern." Insofern sieht Ullmann auch keine Notwendigkeit, politisch belastete Namen aus der Liste zu nehmen. "Es wäre allerdings gut, hier auch die Hintergründe aufzuzeigen und kritisch zu beleuchten."