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Viereinhalb Jahre Haft für Maßkrug-Schläger


Autor: Anna Lienhardt

Bamberg, Mittwoch, 26. März 2014

Es hätte richtig dicke kommen können für einen Bamberger: Für versuchten Mord hätte er vielleicht lebenslang ins Gefängnis gemusst. Am Zeiler Weinfest hatte er dem Exfreund seiner Partnerin aus Eifersucht einen Maßkrug über den Kopf gedroschen.
Am ersten Verhandlungstag, als dieses Foto entstand, lautete die Anklage vor dem Schwurgericht des Landgerichts Bamberg noch auf versuchten Mord. Verurteilt wurde der geständige Täter letztendlich für versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Foto: Ronald Rinklef


Was macht den versuchten Mord zum versuchten Totschlag? Das Publikum am Schwurgericht des Bamberger Landgerichts wartete gespannt auf die Urteilsbegründung von Vorsitzendem Richter Manfred Schmidt.
Der offenbarte Benjamin H. (Name von der Redaktion geändert) schließlich, wie lange er hinter Gitter muss: Vier Jahre und sechs Monate. Außerdem wird der 24-jährige Bamberger wegen seines Alkoholproblems in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Richter Schmidt betonte: "Das geht natürlich überhaupt nicht, dass man auf einem Volksfest jemandem mit dem Maßkrug über den Schädel schlägt!"

Doch genau das hat Benjamin H. getan - und vor Gericht zugegeben. Sein Motiv: Eifersucht, gepaart mit einer "erheblichen Alkoholisierung", wie es der Richter formulierte. Die Gründe dafür liegen wohl in einem nicht ganz durchsichtigen Beziehungsgeflecht zwischen Täter, Opfer und der Frau, mit der beide mehrmals zusammen waren. Täter Benjamin H. hatte eine partnerschaftliche Beziehung zu Martina C. (Name geändert), wurde aber zwei Mal von Daniel M. (Name ebenfalls geändert), abgelöst - dem späteren Opfer.

Am 3. August 2013 trafen alle drei nach Ansicht des Gerichts zufällig auf dem Zeiler Weinfest aufeinander. Martina C. pflegte zu diesem Zeitpunkt wieder eine "engere Beziehung" mit dem Täter, wie es Oberstaatsanwalt Martin Dippold beschrieb. "Später hat er bei der Polizei angegeben, dass sie seine große Liebe sei", sagte Dippold.

Als Martina C. (21) und Benjamin H. (24) vergangenes Jahr mit Freunden das Zeiler Weinfest besuchten, standen sie nicht weit weg von Daniel M. (21) und dessen Gruppe. Martina H. sei zu ihrem Exfreund hinüber gegangen, um "hallo zu sagen", wie sie selbst am ersten Verhandlungstag ausgesagt hatte.

Nachdem man sich zur Begrüßung umarmt und ein paar Worte gewechselt hatte, habe die 21-Jährige dann die Tätowierung mit ihrem Namensschriftzug auf dem Unterarm des Exfreundes sehen wollen.

"Alkoholisiert und eifersüchtig"

Der Täter habe das mitbekommen - "er war alkoholisiert und eifersüchtig. Das war der Treibstoff für die Tat", führte Oberstaatsanwalt Martin Dippold aus. "Er ist auf den Nebenbuhler losgegangen". So sehr, dass der Täter seinem Opfer geradezu den Schädel mit dem Maßkrug einschlug.

Durch die Wucht des Schlages wurde unter einer acht Zentimeter langen Platzwunde die Schädeldecke von Daniel M. eingedrückt. Eine lebensbedrohliche Verletzung, wegen der der 21-Jährige im Schweinfurter Klinikum notoperiert wurde. Nach wie vor klagt er über teils massive Kopfschmerzen. Doch der junge Mann lebt, was ob der Wucht des Maßkrugschlages nicht selbstverständlich ist.

An insgesamt drei Verhandlungstagen versuchte das Schwurgericht zu klären, ob die Tat von Benjamin H. als versuchter Mord oder versuchter Totschlag zu werten ist. Ergebnis: Versuchter Totschlag, und zwar in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Einmal mit einem "gefährlichen Werkzeug" - dem Maßkrug - und zum anderen handle es sich um "eine lebensbedrohliche Handlung", wie Richter Schmidt ausführte.

Er erklärte, dass der Täter die "Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers" nicht bewusst ausgenutzt habe. Diese "Heimtücke" müsse aber bei einer Verurteilung wegen versuchten Mordes vorliegen. "Dass er den Maßkrug dem anderen über den Schädel gezogen hat, war eine relativ kurz entschlossene Sache. Die Umarmung und das Tattoo haben das wohl ausgelöst", sagte Manfred Schmidt.

Zudem war Benjamin H. während der Tat stark betrunken: Ganze 4,01 Promille hatte er im Blut. "Der Angeklagte war gar nicht in der Lage, die Folge seines Tuns zu erkennen", sagte dessen Verteidiger Thomas Drehsen und berief sich auf die Aussage eines psychiatrischen Gutachters. Er hatte für seinen Mandanten eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gefordert.

Norbert Hahn, der Anwalt des Opfers, forderte dagegen eine Verurteilung wegen versuchten Mordes. Das Gericht entschied sich weder für das Eine noch das Andere, sondern folgte mit dem Urteil "versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung" dem Antrag von Oberstaatsanwalt Martin Dippold. Der erwähnte in seinem Plädoyer, dass es egal sei, ob ein Maßkrug nun 1,2 Kilogramm oder knapp unter einem Kilo wiege.
Der Verteidiger von Benjamin H. hatte einen Ton-Maßkrug und eine Küchenwaage mit ins Gericht gebracht, um zu zeigen, dass es auch leichtere Maßkrüge gibt.

Bereits am ersten Verhandlungstag hatte Richter Manfred Schmidt einen Stein-Maßkrug auf eine geeichte Waage gestellt, die rund 1,1 Kilogramm angezeigt hatte. Bis der 24-jährige Täter wieder einen Maßkrug mit Bier in der Hand halten wird, wird es jedenfalls dauern. Vier Jahre und sechs Monate - wenn das Urteil rechtskräftig wird.