Verkehrsunfall mit Asylbewerber: Sollte der Staat bei Schadensregulierung einspringen?
Autor: Sebastian Martin
Bamberg, Freitag, 01. Juni 2018
Ein Bamberger kämpft um die Erstattung seiner Kosten nach einem Unfall mit einem Asylbewerber. Auch OB Starke schaltet sich ein. Kann der Staat helfen?
Wenn Asylbewerber in einen Unfall verwickelt sind, bleiben Beteiligte oftmals auf den Kosten sitzen. Denn Flüchtlinge haben meist kein Geld oder eine Haftpflichtversicherung. So erging es auch einem Bamberger, der nicht genannt werden will.
Als dessen Frau am 23. April am Bahnhof mit ihrem Opel Corsa unterwegs ist, fährt ein Asylbewerber mit seinem Rad auf den Corsa auf. Dem Verursacher ist zum Glück nicht viel passiert, er soll auch sein Verschulden eingestanden haben. Allerdings bleiben der Bamberger und seine Frau auf den Kosten von rund 1000 Euro sitzen - so viel hätte die Reparatur des Schadens an Rücklicht und Kofferraumklappe gekostet. Der Verursacher hat sich wohl zwar bereit erklärt, eine behelfsmäßige und damit billigere Reparatur zu begleichen. Doch auch das ist, wenn überhaupt, dann wohl nur in kleinen Tranchen möglich.
Keine Versicherungspflicht
Der Bamberger wendet sich daraufhin schriftlich an die Stadt Bamberg und an die Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO), da es sich bei dem Unfallverursacher um einen AEO-Bewohner gehandelt haben soll. Allerdings - so wird deutlich - haben die Behörden keine Haftpflichtversicherung für Asylbewerber und Flüchtlinge abgeschlossen. Eine Verpflichtung dazu bestehe nicht, heißt es dazu.Dennoch hat sich auch Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) nach einem Gespräch in der Bürgersprechstunde in die Sache eingeschaltet. In einem Schreiben an die Regierung von Oberfranken bittet der OB, eine staatliche Privathaftpflichtversicherung auf freiwilliger Basis für Asylbewerber und Flüchtlinge abzuschließen. Schließlich häuften sich die Vorfälle, so sein Eindruck. In Bamberg sind bekanntlich knapp 1400 Bewohner in der AEO im Osten der Stadt untergebracht.
Auch bei anderen Gruppen der Fall
Laut Ralf Kämmer, Anwalt für Verkehrsrecht in Bamberg und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein, ist es grundsätzlich so, dass jeder mit dem Risiko leben muss, dass ihm am Auto oder einem anderen Gegenstand ein Schaden entsteht und er diesen nicht unbedingt ersetzt bekommt, auch wenn er einen Anspruch darauf hätte. Kämmer sieht die Frage, ob der Staat für Schäden zahlen soll, die Flüchtlinge verursachen, kritisch: "Es ist kein probates Mittel, den Staat einspringen zu lassen." Schließlich stelle sich dann die Frage, wo man anfangen und wo man aufhören sollte. Er verweist auf andere Gruppen, die häufig ebenso nicht leistungsfähig seien: Hartz-IV-Empfänger, Leute aus dem Niedriglohnsektor oder mit geringem Einkommen und hohen Unterhaltspflichten. Und Schadensersatz sei rechtlich erst ab einer relativ hohen Pfändungsfreigrenze zu holen. Kämmer weiß, wovon er spricht: Er hat jährlich mit einer einstelligen Zahl von Fällen zu tun, bei denen mangels Einkommen oder Haftpflichtversicherung Schadensersatzansprüche nicht durchgesetzt werden können, weil die eigentlich Zahlungspflichtigen einer der bereits genannten Gruppen angehören.
Beim ADAC Nordbayern zieht man ebenfalls die Parallele zu anderen Gruppen: "Derartige Schadensfällen von Autofahrern sind durchaus auch anderswo schon vorgekommen", sagt Sprecher Florian Wagner. "Im Grunde kann man da nicht viel machen", so die ernüchternde Auskunft.
Auch bei der Regierung von Oberfranken verweist man darauf, dass niemand verpflichtet sei, eine allgemeine Haftpflichtversicherung für sich abzuschließen. Ein nicht leistungsfähiger Schädiger könne demzufolge genauso gut wie Asylbewerber auch Deutscher sein.
Darüber hinaus ist laut Sprecher Martin Steiner der Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung durch den Freistaat nicht möglich. Eine Absicherung von Haftpflichtschäden sei in den sogenannten Leistungstatbeständen des bundesweit gültigen Asylbewerbergesetzes nicht vorgesehen. Zur Bitte von OB Starke, eine freiwillige Versicherung abzuschließen, erklärt der Sprecher: "Es ist den Ländern nicht gestattet, darüber hinaus freiwillig eine derartige Leistung zu erbringen." Ohnehin sei es kritisch, in diesem Punkt die Bewohner der AEO anders zu behandeln als die anderen, nach dem Asylbewerbergesetz Leistungsberechtigten.
Regierung versucht zu vermitteln
Steiner gibt aber zu verstehen, dass die Regierung dennoch bemüht sei: "Wenn Bürger uns einen Sachverhalt schildern, in dem sie von einem Bewohner der AEO geschädigt worden sind, versuchen wir mit Hilfe der Asylsozialberatung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger zu vermitteln." Ein schwacher Trost für den genannten Bamberger. Dieser stand bereits über eine Sozialarbeiterin der AEO mit dem Verursacher in Kontakt. Dennoch könnte er, trotz des Aufwandes, am Ende auf dem Schaden an seinem Opel sitzen bleiben. Mitarbeit: Frank Jung