Der Heimkehrer...
... hat sein Kreuz im Kalender längst gemacht. Die Sandkerwa ist ein Muss für ihn - egal, wohin es ihn verschlagen hat: Spätestens für den Tag des Bieranstichs ist der Urlaub eingereicht. Selbstredend war er vergangenes Jahr auch bei der "wilden Kerwa" im Sandgebiet. Doch freut er sich heuer wieder besonders: Alte Schulfreunde treffen - wo könnte das besser, unverbindlicher gelingen als auf der Sandkerwa? Er redet ja so gerne über "alte Zeiten" und "damals in der Schule". Da werden bis zum letzten Schnaps Geschichten ausgepackt. Am 26. August rollt dann der Heimkehrer - mit dickem Schädel, aber glücklich - wieder mit dem Zug in Richtung München, Stuttgart oder Berlin. Ein Wiedersehen im nächsten Jahr: Garantiert!
Der Anwohner...
... ärgert sich nur kurz über die vielen Menschen, die vor seiner Tür bis in die Nacht feiern, denn er weiß, dass er trotzdem früher als gewohnt zur Ruhe findet. In der Zeit ohne Sandkerwa muss er schließlich länger mit grölenden Nachtschwärmern rechnen. An der Sandkerwa ist bereits um 1 Uhr nachts die Straße wie leer gefegt. Der Anwohner schaut noch einmal ungläubig zum Fenster hinaus, wirft sich aufs Bett und freut sich über den erholsamen Schlaf. Wenn er es doch nicht aushält, flüchtet er aus der Stadt - und überlässt die Wohnung seinem 18-jährigen Enkel.
Der Tourist...
... hat daheim in Livorno, Tianjin oder Indianapolis gehört, dass es in Bavaria ein great Beerfest geben soll und ist erwartungsvoll angereist. Dass die Franken keine Bayern sind, nicht permanent jodeln oder "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" singen - egal. Der Tourist erwartet, dass jedes seiner Klischees bedient wird. Bewaffnet mit einem Selfie-Stick kämpft er sich durch das Getümmel und ist, mangels Gewöhnung, schon nach knapp einem Seidla restlos betrunken. Stolz bringt er von der Reise ein Sandkerwa-Retter-T-Shirt mit nach Hause, ohne die Geschichte dazu zu kennen. Das Lebkuchenherz mit der Aufschrift "Schee dast do bist" nimmt ihm leider am Flughafen der Zoll ab.
Die Tussi...
... sieht sich als eigentliche Attraktion der Sandkerwa und ist immer schön geschminkt, schick gekleidet - auch oft im knappen Dirndl - und überall da unterwegs, wo es etwas anderes als Bier gibt. Die Haare extra vom Friseur aufwendig geflochten, trinkt die Tussi schließlich kaum Bier, sondern am liebsten Prosecco, Aperol oder Hugo. Mit dem Bier posiert sie höchstens für ein Selfie. Für sie ist die Sandkerwa eine Bühne, auf der sie die Aufmerksamkeit genießt. Insgeheim glaubt die Sandkerwa-Tussi, dass sie das einzig wahre Sandmadla ist. Beim Fischerstechen würde sie aber auf keinen Fall in einen Schelch steigen - wenn sie was nicht ausstehen kann, dann sind das böse Überraschungen.
Der Rundläufer...
... ist ständig unterwegs, will nichts verpassen, probiert überall mal was, lässt sich berieseln und will gesehen werden. Auf seiner Rundtour zwischen Brudermühle, Schlenkerla und Popcorn-Stand trinkt er mit verschiedenen Bekannten ein Seidla, beißt in einen Liebold-Leberkäs, will sich aber auf keinen Stand und keine Kneipe festlegen. Er sieht und erfährt eine ganze Menge, was er sofort weitergibt an andere Rundläufer im Gegenverkehr und an die Verwirrten, die froh sind, wenn sie selber nicht so viel reden müssen. Ein Teil der Rundläufer dreht im Laufe des Abends immer weiter auf. Ein anderer ist irgendwann fertig mit dem Fest und verschwindet, ohne Ade zu sagen.
Der Brunzer...
... hat's geschafft, alle Wildpinkel-Verbotshinweise erfolgreich zu ignorieren. Steuert zielgerichtet die nächste Hauswand im Sand an. Ihm ist mit seinen zwei Komma irgendwas Promille ziemlich wurscht, dass ihm bei seiner Schandtat ein ganzes Publikum zuschaut und die Sauerei dabei gegen seine Beine spritzt. Für eine der zahlreichen Toiletten hat er aus Prinzip keinen Blick. Der Sand-Saacher fühlt sich cool, übersieht aber, dass er in Wahrheit ein Doldi ist. Gleiches gilt für den Regnitz-Brunzer.
Der Motzer...
... hält die ganze Sandkerwa für ein zum Touristen-Fest hochstilisiertes Spektakel, kann sich dem Treiben aber nicht entziehen, weil er wahlweise von einer Tussi, den Arbeitskollegen oder einem anderen Motzer zum Lästern mitgeschleppt wurde. Warum er in Lärm und Getöse und zwischen all dem Getrappel Speisen zu überhöhten Preisen zu sich nehmen soll, ist ihm vollkommen unerklärlich. Ach, könnte er doch nur zu denen gehören, die in der Lage sind, dieses "Event" souverän zu ignorieren - und die Stadt für diese Zeit am besten zu verlassen...
Texte: Sebastian Martin, Sebastian Schanz, Jennifer Hauser, Katrin Geyer