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Untreue im Rathaus Scheßlitz: Angestellte rechtskräftig verurteilt


Autor: Sebastian Martin

Scheßlitz, Dienstag, 17. Mai 2016

Das Urteil im Prozess gegen die ehemalige Leiterin der Stadtkasse Scheßlitz ist nun rechtskräftig.
Die ehemalige Leiterin der Stadtkasse in Scheßlitz hatte zwischen 2009 und 2013 rund 100 000 Euro an öffentlichen Geldern veruntreut. Ein Schuldgeständnis hat die 57-Jährige jedoch nicht abgelegt.  Foto: Ronald Rinklef


Der Fall könnte einen packenden Kriminalroman füllen. Zumindest klang es im Gerichtssaal so, als ob in der Geschichte mehr als nur ein spannendes Kapitel steckt. Selbst der Name Schneiderbanger geisterte durch den Gerichtssaal.

Verteidiger Thomas Drehsen hatte den wegen Untreue verurteilten ehemaligen Zapfendorfer Bürgermeister am ersten Verhandlungstag im Berufungsprozess gegen die Ex-Leiterin der Stadtkasse Scheßlitz vor dem Landgericht Bamberg erwähnt.

Drehsen wollte damit seine These untermauern, die lautete, dass nicht seine Mandantin 102.200 Euro von der Stadt Scheßlitz veruntreut hatte, wie ihr vorgeworfen wurde, sondern die ehemalige Leiterin des Standesamts. Diese war bereits im vergangenen Jahr wegen Untreue verurteilt worden. Die Ex-Standesamtsleiterin hatte eine genauere Kontrolle der Stadtkasse durch den Kommunalen Prüfungsverband ausgelöst, dabei zugegeben, rund 12.000 Euro aus der Standesamtskasse abgezweigt zu haben. Offenbar wegen eines Liebhabers, der Geld brauchte. Vielleicht hatte sie noch mehr Geld benötigt?


92 700 Euro Schaden

Doch die Berufungskammer folgte am zweiten Verhandlungstag der These nicht. Sie bestätigte am Dienstag stattdessen das Urteil des Amtsgerichts vom 7. Mai 2015. Das sieht die Schuld der ehemaligen Leiterin der Stadtkasse als erwiesen an. Die Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung bleibt somit bestehen. Nur bei der Schadenssumme hat sich etwas getan: Die Frau muss laut dem erneuten Gerichtsurteil noch 92.700 Euro zurückzahlen.

Denn in einigen der 39 Untreue-Fälle, in denen zwischen Dezember 2009 und Februar 2013 Geld aus der Kasse gestohlen worden war, hatte es Rückzahlungen gegeben. Insgesamt 9500 Euro waren so wieder aufgetaucht.
Die 57-Jährige hatte laut Gerichtsurteil unter anderem durch manipulierte Buchungen ihren Gelddiebstahl geschickt getarnt. Auf diese Weise wurden Gelder vom Konto der Stadt abgehoben oder aus der Kasse entnommen, aber nicht gebucht oder durch gefälschte Buchungen verschleiert.


57-Jährige bestritt ihre Schuld

In der gesamten Verhandlung wurde deutlich, wie komplex die Manipulationen durchgeführt worden waren. Bis zuletzt hatte die Möglichkeit bestanden, dass vielleicht doch ein anderer Täter das Geld gestohlen haben könnte. Unter anderem ging es darum, zu klären, wie das elektronische Buchungssystem der Stadt funktionierte. Dazu zog das Gericht am letzten Verhandlungstag einen Sachverständigen zu Rate. Dieser widerlegte mit den Auswertungen der Buchungsvorgänge in besagtem Zeitraum die These der Verteidigung, die einen Freispruch erreichen wollte.

Die Angeklagte gab an, dass noch andere Mitarbeiter Zugriff zum Buchungssystem der Stadt hatten. Diese könnten die Manipulationen ebenso - ohne ihr Wissen - durchgeführt haben. Der Sachverständige belegte dagegen, dass alle Buchungen eines Tages, auch die gefälschten, auf einmal geschehen seien. "Es ist ausgeschlossen, dass jemand anderes die Buchungen vorgenommen hat, außer sie selber", betonte Stephan Schäl, Staatsanwalt als Gruppenleiter. Er riet der 57-Jährigen zu einem Geständnis. Doch die beharrte: "Ich habe nichts gestohlen!"

Aus Sicht der Berufungskammer hatte sich ebenso "der Eindruck verschärft, dass es tatsächlich die Angeklagte gewesen sein muss, die die Gelder abgezweigt hat." Gegen die 57-Jährige sprach auch die Tatsache, dass sie ein Motiv hatte. Laut dem Gericht war ihr Konto und das ihres Mannes in dem relevanten Zeitraum deutlich überzogen. Der Ehemann der 57-Jährigen, ein selbstständiger Handwerker, hatte offenbar Zahlungsschwierigkeiten. Die Verteidigung hatte dies teilweise anders dargelegt.


Luft wurde immer dünner

Auch die Zahlungen, die immer wieder auf die privaten Konten eingingen, konnte die Angeklagte aus Sicht des Gerichts nicht schlüssig erklären: Sie gab eine Erbschaft über 30.000 Euro an, die sie angeblich Bar im Gefrierschrank zu Hause aufbewahrt hatte.

Die Luft wurde für die Angeklagte immer dünner. Beharrte Verteidiger Thomas Drehsen zu Beginn der Berufungsverhandlung noch auf einem Freispruch, änderte sich das: Es hatten sich Unklarheiten ergeben, die zu einem Berufungsteilverzicht führten. Auch Staatsanwalt Stephan Schäl zog seine Berufung zurück. Die Staatsanwaltschaft forderte bis dahin eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.

Kopfschüttelnd hinterließ den Staatsanwalt vor allem eines: In der Verwaltung wurden Zettel in die Kasse gelegt, wenn ein Mitarbeiter etwas Geld - kleinere Beträge - kurzfristig benötigt hatte, um einen privaten Einkauf zu erledigen. Am nächsten Tag wurde die Summe wieder beglichen. Auch das bemängelte der Kommunale Prüfungsverband. "Es wurde Ihnen leicht gemacht", befand Schäl zur Angeklagten, die bisher weiterhin bei der Stadt angestellt ist.

Dennoch: Die 57-Jährige ist nun rechtskräftig verurteilt. Neben der Bewährungsstrafe muss sie monatlich 500 Euro bei der Stadt Scheßlitz abstottern und 300 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten.