Unterricht in "Zwergensprache"
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Mittwoch, 16. Januar 2013
"Guck mal, wer da gebärdet": Janet Bauduin unterrichtet Eltern samt Nachwuchs in "Zwergensprache". Schließlich haben die Kleinen schon viel zu sagen, bevor sie sich verbal artikulieren können, wie die Bamberger Sprachtherapeutin weiß.
Superlecker! Der Obstbrei war klasse. Zweimal streicht sich Jonas in Kreisen über die Brust, wie er 's bei Mama gesehen hat. Nachschlag fordert der Knirps, indem er mit den Fingern der rechten in die Fläche der linken Hand tippt. - Währenddessen meint Papa, dass es Zeit für Julia sei, zu Bett zu gehen. Nur ist die Kleine putzmunter und stapelt lieber weiter Klötze zu Türmen auf (die sie zwischendurch juchzend mit lautem Gepolter umreißt). Wie war noch mal das Zeichen für Weiterspielen, beziehungsweise Weiterbauen?
Haben Julia und ihr Papa in Janet Bauduins Kurs aufgepasst, dann klappt's auch mit der Verständigung - ohne Worte: Denn die "Zwergensprache", die die Sprachtherapeutin Interessenten in und um Bamberg vermittelt, setzt auf Gesten und Gebärden, die Kinder zwischen sechs und 24 Monaten parallel zur verbalen Kommunikation lernen.
Ein Schlüsselmoment
"Als mir eine befreundete Logopädin vor drei Jahren von der ,Zwergensprache' erzählte, war ich zunächst eher skeptisch", erinnert sich Janet Bauduin. Zumal jede Mutter die Bedürfnisse des eigenen Sprösslings zu kennen und Signale richtig zu deuten glaubt. Dennoch übte die Wahlbambergerin die Babyzeichen mit ihrem damals sechs Monate alten Sohn. "Und vier Wochen später kam die erste Situation, in der Nicolas losquengelte, während ich meine übliche Checkliste (müde, hungrig oder gelangweilt?) zunehmend ratlos durchging, bis ich sein Milchzeichen sah", so die 38-Jährige: "Für mich ein faszinierender Moment, in dem ich begriff: Das Zwergensprachen-Prinzip funktioniert!"
Eine Erkenntnis, die in der Sprachtherapeutin den Wunsch weckte, tiefer einsteigen. Zumal sie über Nicolas begriff, welches Kommunikationsbedürfnis Babys haben und normalerweise kaum ausleben können. "Verbal sind die Kleinen ja anfangs auch nicht in der Lage, Eindrücke mitzuteilen, wenn sie beim Spazierengehen beispielsweise eine Katze sehen und ihrer Mama davon erzählen möchten." So rätselte Janet Bauduin bei Nicolas älteren Brüdern noch wie andere Eltern, was "dada" nun bedeuten mag, die Knirpse über Körpersprache, Mimik und Gestik auszudrücken suchten. Missverständnisse und Frust auf beiden Seiten waren zuweilen die Folge. "Dagegen erlebte ich bei Nicolas erstmals, was es bedeutet, in die Gedankenwelt eines Babys zu blicken."
Als vierfache Mutter wünschte sich die Wahlbambergerin, andere Eltern von ihren Erfahrungen profitieren zu lassen: "Ich begann eine Ausbildung, um nach abgeschlossener Prüfung selbst Kurse in Zwergensprache anbieten zu können." Während man das "baby signing" in den USA und England ab den 80ern erforschte und entsprechende Offerten entwickelte, "verbreitete sich die Zwergensprache bei uns ja erst in den letzten Jahren - dank Vivian König, über die ich sie ebenfalls lernte." Im Bamberger Raum ist Janet Bauduin auch noch immer die einzige praktizierende Zwergensprachenvermittlerin, wie die 38-Jährige betont, die darüber hinaus weiterhin als Sprachtherapeutin tätig ist.
In England hatte auch Vivian König die Babyzeichensprache kennen gelernt und mit ihrem Sohn Max so erfolgreich angewandt, dass sie die Idee exportierte. "Unser Alltag wurde dadurch wesentlich entspannter", berichtet die Pionierin, die das Zwergensprache-Netzwerk in Deutschland, Österreich und der Schweiz initiierte. "Mit Emilia dürfen wir nun zum zweiten Mal durch die Babyzeichen erleben, wie spannend die Welt bereits für die Kleinsten ist und wie schön es ist, sich darüber auszutauschen", liest man auf ihrer Homepage, über die man sich auch weiter zu den Bamberger Kursen von Janet Bauduin klickt.
Kein Frühförderwahn
Frühförderwahn? "Nein, darum geht's bei der Zwergensprache nicht, die eine Brücke zwischen der eingeschränkten Kommunikation im Babyalter und der Sprache eines Kleinkindes schlägt, dabei aber viel Spaß und Abwechslung in den Alltag bringt", meint Bauduin. Was Kerstin Fries nur bestätigen kann, die einen ihrer Kurse mit Jonas und Lukas besuchte. "Nach einer BBC-Reportage suchte ich ein entsprechendes Bamberger Angebot und stieß auf Janets Anzeige", berichtet die 33-Jährige.
Gerade als Zwillingsmutter lernte Kerstin Fries die Zwergensprache schätzen. "Allein beim Wickeln sind die Zeichen eine große Hilfe, nachdem sich die beiden dann nicht mehr wie ein Karussell drehen, sondern ruhig liegen bleiben." Auch der anfangs skeptische Vater kommuniziert mittlerweile mit den Knirpsen per Babyzeichen. "Auf diese Weise haben wir weitaus weniger Stress mit unseren Zwillingen als andere Eltern mit ihren Kindern."
300 Zeichen gibt es für die Kommunikation mit den Zwergen, basierend auf der deutschen Gebärdensprache, wie Janet Bauduin noch erläuterte. "Allerdings helfen schon wenige Zeichen, Babys besser verstehen zu lernen." Und nicht mehr als sechs oder sieben Beispiele stehen bei jedem Treffen auf dem Kursprogramm, an dem auch maximal acht Mütter beziehungsweise Väter teilnehmen. "Schließlich geht es darum, dass die Kleinen spielend lernen - beziehungsweise singend und tanzend, durch die Anregung aller Sinne."