Es ist ein guter Monat für Alleinerziehende: Zahlt der Ex nach der Trennung nicht fürs Kind, hilft der Staat. Die Regelung wird zum 1. Juli ausgeweitet.
Da gab's Ärger im Hause Jürgens: Lian hat sich sein Fahrrad klauen lassen. "Es war das erste Mal, dass ich ein neues Rad gekauft habe, alle anderen waren gebraucht", schimpft Mutter Ricarda. "600 Euro!" Monatelang sei das in den Familienfinanzen zu Buche geschlagen. Und dann: einfach weg! Der 12-Jährige kann ja eigentlich nichts dafür. Aber jetzt läuft er. Seit Wochen. Zur Schule und zum Fußballtraining und in den Hort, denn seine Mutter muss viel arbeiten. Ricarda Jürgens ist alleinerziehend. Lians Vater hat noch nie Unterhalt gezahlt.
Unterhaltsanspruch gerichtlich festgelegt
Lian ist in Frankreich geboren, sein Vater ist Franzose. Ricarda Jürgens trennte sich von ihm, als der Junge ein paar Monate alt war. Ein französisches Gericht legte den Unterhaltsanspruch auf monatlich 300 Euro fest. "Das war vor zehn Jahren. Heute schuldet er Lian eine Menge Geld." Damals zog sie von Frankreich zurück nach
Bamberg. Dass der Ex im Ausland lebt, macht den Papierkrieg komplizierter. Ansonsten ist der Fall der 41-Jährigen nichts Besonderes: Der Bertelsmann-Stiftung zufolge bekommt nur ein Viertel der Alleinerziehenden in Deutschland den Unterhalt, der ihnen für das Kind zusteht. Ein Viertel bekommt unregelmäßig oder zu wenig Geld. Die Hälfte kriegt gar nichts.
Ein Armutsrisiko für Kinder
Kinder von Alleinerziehenden sind fünf Mal häufiger von Armut bedroht als Kinder von Paaren. Zahlt der Ex-Partner nicht, springt der Staat mit Unterhaltsvorschuss ein. Bisher nur, bis der Nachwuchs 12 Jahre alt ist und für insgesamt maximal sechs Jahre. Ab 1. Juli wird dies bis zum 18. Lebensjahr ohne Beschränkung ausgeweitet.
"Seit Januar klopfe ich beim Jugendamt an." Ricarda Jürgens lacht. "Im Juni habe ich den Antrag bekommen." Der war schnell ausgefüllt. "Ich musste kaum was neu einreichen. Die sind total nett, und sie haben schon alle Unterlagen von uns." Bis 2014 bekam Lian Unterhaltsvorschuss nach der alten Regelung. Dann waren die sechs Jahre um. "Es war gerade der Zeitpunkt, wo es mir finanziell nicht mehr das Genick gebrochen hat. Aus dem ganz tiefen Loch hatte ich mich da schon rausgekämpft."
60 Prozent aller alleinerziehenden Mütter arbeiten - die meisten aber in Teilzeit. Und das reicht nicht
In ihrer Stimme schwingt Bitterkeit mit, wenn sie von Zeiten spricht, in denen das Geld Mitte des Monats aufgebraucht war. Ricarda Jürgens will nie wieder Angst haben, in den Briefkasten zu gucken, weil eine Rechnung drin sein könnte. Also arbeitet sie als Lehrerin an einer Schule in Schweinfurt und unterrichtet zusätzlich an vier anderen Stellen französisch. Finanziell steht sie besser da als die meisten Alleinerziehenden. "Und mir gefällt meine Arbeit." Sie kann um 16 Uhr aufhören, und wenn Lian abends ins Bett geht, noch Schülerarbeiten korrigieren. Dabei kommen schon mal 50 Stunden pro Woche zusammen.
Andere Mütter haben mehr Zeit für ihre Kinder als Ricarda. Sie sind auch oft entspannter. Es ist nicht leicht, die kleine Wohnung im Hain und Lians Wünsche alleine zu finanzieren. Doch obwohl der Unterhaltsvorschuss für sie eine große Hilfe ist, hadert die Bamberger Mutter damit: "Mich stört, dass der Steuerzahler dafür aufkommt. Eigentlich möchte ich, dass der Vater in die Verantwortung genommen wird."
Den Steuerzahler kostete es 650 Millionen euro jährich - bisher
Etwa 2,3 Millionen Kinder in Deutschland wachsen derzeit bei nur einem Elternteil auf. 440 000 Alleinerziehende haben vom Staat Unterhaltsvorschuss bekommen, weil der andere Elternteil nicht für die Kinder zahlte. Von der Ausweitung der Regelung profitieren Schätzungen zufolge künftig 260 000 weitere Kinder. Es wird also teurer für den Steuerzahler.
Schon nach der alten Regelung zahlte der Staat jährlich etwa 850 Millionen Euro Unterhaltsvorschuss an Alleinerziehende. Nur 20 Prozent davon trieben die Behörden bei den Unterhaltspflichtigen wieder ein. Die Gründe reichen von Personalmangel bis zur - zumindest rechnerischen - Armut der säumigen Eltern. Dass es auch anders geht, beweist die niedersächsische Stadt Aurich, die bekannt dafür ist, Unterhaltsbetrüger rigoros zu verfolgen. Sie hat eine Rückholquote von über 40 Prozent.
Das neue Luxusleben der Alleinerziehenden
Lians Vater hat er schon bei der Trennung angekündigt, dass er nicht zahlen wird. Der erweiterte Unterhaltsvorschuss nimmt jetzt ein wenig Druck von Ricarda Jürgens. "Ich werde ein bisschen Geld auf die Seite legen. Unsere Waschmaschine ist 13 Jahre alt." Außerdem bekommt Lian wieder ein Fahrrad. Und er wird bald nicht mehr jeden Tag in den Hort gehen. "Ich werde weniger arbeiten, das kann ich mir dann leisten." An einem Tag in der Woche will sie künftig daheim sein, wenn ihr Sohn von der Schule kommt. "Ich kann mehr für mein Kind da sein: Das ist der größte Luxus."
Lesen Sie hier ein
Interview mit Thomas Beyer, Professor an der Hochschule Nürnberg und Experte für Armutsfragen.
Lesen Sie hier, welche Gesetzesänderungenaußerdem zum 1. Juli anstehen.
Also so wie ich das herauslese, hat sich Frau J. finanziell erfreulicherweise wieder erholt und arbeitet ganztags als Lehrerin. Ob sie auch in Frankreich berufstätig war ist unbekannt. Leider gibt der Bericht auch keine Zahlen her und man kann sich nur oberflächlich ein Bild über ihre Lage (zum Bsp. Mietkosten) machen. Lehrer sind nach meinem Kenntnisstand häufig in A12, beziehungsweise E 11 eingestuft und jeder kann im Internet herausfinden, wie viel das monatlich ist. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass Väter für den Unterhalt ihrer Kinder mit aufkommen müssen, egal wo sie wohnen und egal was die Kindesmutter beruflich so macht. Es bleibt zu hoffen, dass Frau J. vielleicht irgendwann einen Partner findet, der mehr Verantwortungsbewusstsein ihr und ihrem Sohn gegenüber zeigt als ihr bisheriger Mann.
Da kann sich jeder sein Gedanken machen...
Aber anscheinend ist es ja modellhaft, für sein Leben und das seiner Kinder nur teilweise Verantwortung zu übernehmen.
http://www.infranken.de/regional/bamberg/Das-sind-unsere-Modell-Familien;art212,1792906
Unterstützung finde ich gut, aber es bleibt die Frage: warum wird der Vater nicht herangezogen? Zahlungsunwillig? Auch da muss der Staat handeln und zwar ohne Wenn und Aber.
Zunächst möchte ich Frau Jürgens gratulieren, dass sie ihre Lebensumstände offensichtlich geordnet hat. Ich bin ihr sogar dankbar, dass sie im Gegensatz zu so vielen anderen Alleinerziehenden ihre Situation in die Hand genommen hat und wohl weitgehend auf Transferleistungen (Sozialhilfe etc.) verzichtet. Das hat sie übrigens gemein mit all den Kriegerwitwen, die es nach dem 2. WK irgendwie es geschafft haben, ihre Halbwaisen über die Runden zu bringen. Das war dann die Generation, die unseren Staat zur heutigen Blüte aufgebaut hat. An Frau Jürgens und anderen tüchtigen Frauen in vergleichbarer Situation können sich jene Alleinerziehende ein Beispiel nehmen, die glauben, sie müssen ihre Kinder derart bemuttern, dass sie erst gar keine Erwerbstätigkeit aufnehmen und sich lieber vom Staat, also von uns Steuerzahlern, alimentieren lassen. Deren Kinder tun mir leid, die Mütter nicht.
Beim Kindsunterhalt verstehe ich nicht, dass der Staat nicht schärfer dahinter her ist, dass die Väter zur Kasse gebeten und notfalls gepfändet werden. Ich kenne einen Litauer, der aufgrund der Forderungen aus seiner alten Heimat tapfer jeden Monat einen dreistelligen Betrag an die Mutter seines Kindes nach Litauen schickt, ein wenig zähneknirschend sogar während einer mehrmonatigen Arbeitslosigkeit. Diesen Kindsunterhalt können die Väter ja sogar steuerlich wirksam machen. Aber es ist wohl so, dass unsere Behörden in Deutschland lieber in die prall gefüllte Steuerkasse greifen, als die Herren Erzeuger in die Pflicht zu nehmen. Das Finanzamt schenkt dem kleinen Steuerzahler ja auch nichts (eher schon mal den großen).
Noch etwas wird an dem Beispiel deutlich: Eine finanziell nicht auf Rosen gebettete Mutter kauft ihrem 12jährigen ein Fahrrad für 600 Euro. Also da fehlen mir die Worte. Und wenn die 13 Jahre alte Waschmaschine den Geist aufgibt? Für 300 Euro bekommt man bei Otto ein neues Markengerät. Man kann's auch abstottern in kleinsten Raten. Daher: Immer kühlen Kopf bewahren!
Viele Stunden sind vergangen und keine einzige Reaktion von Menschen, die der Frau gerne helfen würden ?
Wenn Einheimische in Not geraten, dann ist totale Ebbe.
Warum überrascht mich das nicht ?
Ich geb aber mal die Hoffnung nicht auf, dass sich da doch noch was tut.