Unter welchen Voraussetzungen kann AEO-Bewohnern Taschengeld gekürzt werden?
Autor: Stefan Fößel
Bamberg, Montag, 26. März 2018
Unter bestimmten Voraussetzungen können Asylbewerbern Leistungen gekürzt werden. Das Landessozialgericht bemängelt in zwei Fällen vor allem die Form.
Innerhalb weniger Wochen hat das bayerische Landessozialgericht zwei Mal zugunsten von Bewohnern der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken entschieden, denen vom Bamberger Sozialamt das Taschengeld gekürzt worden war. Im ersten Fall, dem einer iranischen Asylbewerberin, mangelt es dem Gericht an einer nachvollziehbaren zugrundeliegenden Entscheidung. "Es geht hier nicht um den Umstand, dass der Bescheid mündlich ergangen ist, sondern darum, dass nicht klar wird, was der Frau überhaupt vorgeworfen wurde", sagt Gerichtssprecherin Christiane Rohrmoser. Im zweiten Verfahren gegen einen Asylbewerber aus Sierra Leone habe es zwar einen schriftlichen Bescheid des Sozialamt gegeben, dieser sei jedoch unbefristet ausgestellt worden. "Das ist ein grober formaler Fehler, es hätte zumindest nach sechs Monate eine erneute Leistungseinschätzung erfolgten müssen", erklärt die Richterin am Landessozialgericht. Aufgrund der formalen Fehler sei es dann zu keiner materiellen Prüfung der Gründe für die Leistungskürzung mehr gekommen. Dass die Bescheide mittlerweile schriftlich ergehen, begrüßt Rohrmoser. Das sei zwar nicht verpflichtend, doch es schaffe Erleichterung.
"Das materielle Recht muss in beiden Verfahren noch geprüft werden", stellt Richard Reiser fest, der das Sozialamt der Stadt Bamberg leitet. Wenn die Zentrale Ausländerbehörde für Oberfranken darauf hinweist, dass Gründe für eine Leistungskürzung vorliegen, lasse sich seine Stelle die Unterlagen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kommen. Dann werde der Betroffene angehört und entschieden - inzwischen auch mit einem schriftlichen Beschluss. "Dann werden wir künftig halt immer auch die Frist ergänzen", kommentiert er die Begründung des Landessozialgerichts. "Wenn jemand nur eingereist ist, um Sozialleistungen zu erlangen, rechtfertigt das die Kürzungen." Das werde zum Beispiel ersichtlich, wenn der Asylbewerber zuvor in einem sicheren Drittstaat war oder es in seiner Anhörung eindeutig so formuliert hat.
"Wie kommt man überhaupt auf die Idee, diesen Menschen noch Sozialleistungen zu kürzen?", fragt hingegen Enno Jochen Zerbes vom Flüchtlingshilfeverein "Freund statt fremd". "Diese Menschen stehen ohnehin schon unter erheblichem Druck. So wird ihre Lebenssituation noch bewusst erschwert." Viele würden sich auch nicht trauen, sich gegen den Kürzungsbescheid zu wenden - aus Angst, unangenehm bei den Behörden aufzufallen. "Wenn sie kein Geld mehr haben, ist jede Möglichkeit der persönlichen Lebensgestaltung eingeschränkt", sagt Ulrike Tontsch, die für "Freund statt fremd" mit Flüchtlingen arbeitet. "Sie können ihren Kindern keine Bonbons kaufen und auch das Hygieneangebot ist sehr eingeschränkt." Seit Sommer 2017 seien viele zu ihr gekommen, die plötzlich kein Geld mehr bekommen hätten. "Wir begrüßen es außerordentlich, dass das Bayerische Landessozialgericht die Sozialleistungssanktionen in der Aufnahmeeinrichtung in Bamberg für rechtswidrig erklärt hat", kommentiert Katrin Rackerseder vom Bayerischen Flüchtlingsrat die Entscheidung und sieht darin "eine schallende Ohrfeige für die Stadt Bamberg". Nun müsse das Sozialamt "unverzüglich alle Sanktionen aufheben und allen betroffenen Flüchtlingen die ihnen vorenthaltenen Sozialleistungen nachträglich ausbezahlen".