Druckartikel: Ungewohnt: Kampfabstimmung bei der Awo

Ungewohnt: Kampfabstimmung bei der Awo


Autor: Anette Schreiber

LKR Bamberg, Montag, 19. November 2018

Awo- Krisenmanager Klaus Stieringer konnte sich gegen Überraschungs-Konkurrent Jonas Merzbacher durchsetzen. Doch sein Rest-Team ist komplett neu.
Der Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt i gehört zu denn größten Arbeitgebern der Region und wählte ein neues Vereins-Führungsteam.Foto: Anette Schreiber


Das hat der Awo-Kreisverband mit seinen heute gut 700 Mitgliedern zumindest in den letzten der insgesamt 99 Vereinsjahre noch nicht gesehen: eine Kampfabstimmung um den Vorsitz. So sieht es der bisherige Vorsitzende Reinhard Schmid, der aus gesundheitlichen Gründen dieses Jahr pausierte und sich nun nicht mehr zur Wahl stellte. Er schlug in der Jahreshauptversammlung Klaus Stieringer vor, der ihn als kommissarischen Vorsitzenden vertreten und vor allem das Krisenmanagement nach dem Missbrauchsfall in der Awo-Kita Bischberg "sehr gut gemacht hat". Doch völlig überraschend hatte Jonas Merzbacher am Tag vor der Wahl noch seinerseits Interesse bekundet.

Engagement wichtig

Wenn man das früher gewusst hätte, hätte man wohl eher reagieren können, so dass es nicht zur Kampfabstimmung hätte kommen müssen, so Schmid. Prinzipiell findet er gut, dass sich der Gundelsheimer Bürgermeister und SPD-Kreistagsfraktionssprecher Merzbacher engagieren will. Er hatte ihn noch umstimmen wollen, was nicht gelang und Merzbacher "hat dann verloren".

Mit 84:70 Stimmen bei sechs ungültigen Stimmen, so die Nachfrage bei Stieringer, seines Zeichens SPD-Fraktionssprecher im Bamberger Stadtrat. Dem neuen Vorsitzenden war es bei der Wahl dann aber nicht gelungen, die von ihm vorgeschlagenen beiden bisherigen Stellvertreter, Johann Pfister (Landratsstellvertreter und Bischberger Bürgermeister) und Gerd Schneider (Memmelsdorfer Bürgermeister) durchzusetzen. Hier machte das Duo Jonas Merzbacher und Carsten Joneitis (Oberhaids Bürgermeister) das Rennen. Sie sind ebenso Neulinge im Awo-Führungsteam wie die Beisitzer: Inge Goppert (ehemalige Awo-Betriebsrätin), Sigrid Reinfelder (Breitengüßbbacher Bürgermeisterin, ehemalige Awo-Mitarbeiterin), Wolfgang Heyder (SPD-Kreisrat), Ingeborg Eichhorn (Bamberger SPD-Stadträtin).

Die neue Bamberger Grünen-Landtagsabgeordnete Ursula Sowa, die als Gast bei der Versammlung in Oberhaid dabei war, stellte fest, dass die Ergebnisse bei einigen (Anmerkung: die nicht mehr gewählt worden waren) wohl Spuren und auch Verwerfungen hinterlassen hätten.

Wie sieht es Johann Pfister? "Ich habe gewonnen, Freizeit!" Ob es Absprachen gab oder nicht, sei ihm egal. "Das Ergebnis der Wahl ist klar und damit basta."

Klaus Stieringer macht indes keinen Hehl aus seiner Wertschätzung Pfisters wie Schneiders: "Wenn sich jemand vier Jahre engagiert, hat er die Erwartung, dass es gewürdigt wird."

Von Merzbachers Kandidatur sei er überrascht gewesen, zolle aber Respekt, wenn sich jemand einer ehrenamtlichen Aufgabe stelle, "die zeitlich und inhaltlich nicht leicht ist". Eine Herausforderung sei es nun, mit einem Team zu arbeiten - alle ohne Vorstandserfahrung. Schließlich sei die Awo einer der größten Arbeitgeber der Region. Man sei inzwischen gesellschaftsrelevanter Wohlfahrtsverband, der in der Region Bamberg mit Stadt und Landkreis 60 Einrichtungen betreibt, davon 36 Kindereinrichtungen, der Rest Pflege- und Migrationseinrichtungen. So müsse man auch wirtschaftlich hinterfragen. Er frage sich, ob die Vereinsstruktur für ein Unternehmen wie die Awo das Richtige ist. "Für Parteipolitik ist sie nicht geeignet."

Politisch eingreifen

Merzbacher hingegen fordert gerade von einem bundesweit agierenden Verband, "in die politische Debatte einzugreifen". Denn Awo und SPD seien beide aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen. An ihn, so Merzbacher auf Nachfrage, seien viele im Vorfeld der turnusmäßigen Wahlen herangetreten, ob er sich den Vorsitz zutraue. Merzbacher zufolge wünschen sich einige "eine klarere, eine verlässlichere Struktur". Es gebe wohl immer wieder Kompetenzgerangel.

Die Erwartungen an die neue Führung seien groß. Wichtig sei nun ein geschlossenes Auftreten, was er gerade in diesem Jahr vermisst hätte. Das Verhältnis zwischen Stieringer und Merzbacher bezeichnet der nun zum Ehrenvorsitzenden ernannte Reinhard Schmid als "nicht so einfach" und fordert, dass sie sich "halt zusammenraufen müssen".

Bereits nächste Woche ist bei der Sitzung Gelegenheit dazu.

KOMMENTAR:

Im Spannungsfeld

Eigentlich wäre es gelaufen, wie es immer gelaufen ist. Klaus Stieringer hatte sich in der Zeit des Krisenmanagements nach dem Bischberger Kita-Missbrauchsskandal als kommissarischer Vorsitzender bewährt und der bisherige Vorsitzende ihn als Nachfolger vorgeschlagen. Alles geklärt also. Dann kamen Jonas Merzbacher und dessen Kandidatur für den Vorsitz ins Spiel. Vor allem wohl überraschend, zumindest für die bisherige Führungsriege. Der Missbrauchsfall allein kann es wohl nicht gewesen sein, so musste im Hintergrund wohl anderes gegärt haben.

Dies lässt sich gewissermaßen an Richtungsdifferenzen festmachen, die in dem Spagat zwischen Verein und Unternehmen gründen. Kurzum es geht um Politisches, wie viel SPD, wie viel Unternehmen. Politisch, das gilt ein wenig wohl für das Amt des Vorsitzenden, durch das man sich immerhin für größere Aufgaben in Position bringen könnte. Es wird spannend zu beobachten, wie sich die Awo ausrichten wird und bleibt zu hoffen, dass sich kein neues Spannungsfeld aufbaut. Zwischen den Antipoden Stieringer und Merzbacher gibt es zum Glück den als Mann des Ausgleichs bekannten Carsten Joneitis. a.schreiber@infranken.de