Umweltschützer lehnen Ostumfahrung Bamberg ab
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Dienstag, 27. November 2012
Gegen den Neubau einer Bahnstrecke im Bamberger Osten regt sich erster Widerstand. Umwelt- und Verkehrsverbände beklagen den drohenden Flächenfraß und mehr.
Mit manchen Ideen ist es wie mit Güterzügen. Es dauert, bis sie ins Rollen kommen. Doch haben sie einmal Fahrt aufgenommen hat, sind sie kaum noch zu stoppen. Ähnlich erging es der Bürgerinitiative Bahnsinn mit ihrer vor zwei Monaten ins Spiel gebrachten Trassenvariante einer Güterzugumfahrung Bambergs. Anfänglich belächelt, hat der Vorschlag mittlerweile Interesse geweckt.
Auch beim Treffen des Koordinierungskreises Bahn-Ausbau kam es nicht zu der von Robert Bartsch und seinen Mitstreitern befürchteten Kollision zweier widerstrebender Denkrichtungen.
Im Gegenteil. Der Plan, Bamberg vom Lärm der Güterzüge zu befreien, indem man den lauten Verkehr entlang der Autobahnen A 70 und A 73 um Bamberg herumführt, wird im Auftrag des Koordinierungskreis nun auch von der Bahn geprüft. Dies hat Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) im Gespräch mit unserer Zeitung bestätigt. Ergebnisse seien im ersten Quartal zu erwarten.
Ostumfahrung hilft nur bei Zielrichtung Nord oder Süd
Zur Unterscheidung der beiden vorliegenden Umgehungsvorschläge muss man wissen: Die Ostumfahrung, wie sie im Sommer die Bahn selbst als Idee eingebracht hatte, würde Personen- und Güterzüge an Bamberg vorbei leiten, wenn diese mit Zielrichtung Norden oder Süden unterwegs sind. Alle Verbindungen Richtung Westen müssten weiter durch Bamberg.
Eine vollständige Güterzugumfahrung hätte dagegen den Charme, dass der Stadt künftig der laute Verkehr erspart bliebe, nicht aber der ICE. Ein erwünschter Nebeneffekt: Die Gefahr, dass der Schnellzug künftig einen Bogen um Bamberg macht, wäre minimiert.
Trotz mancher Sympathien, die "Bahnsinn Bamberg" für seine Aktivitäten zwischenzeitlich einheimste - einen konfliktfreien Königsweg, wie es manche erhofft hatten, gibt es auch im Osten der Stadt nicht. Bezeichnenderweise kommt der schärfste Widerstand nicht von den Tausenden durch eine Neubaustrecke betroffenen Anwohnern in Kramersfeld, Lichteneiche und Gundelsheim, sondern von drei Verbänden, die sich dem Naturschutz und ökologischen Verkehrsmodellen verschrieben haben: vom LBV als Verband für Arten- und Biotopschutz, von der Naturforschenden Gesellschaft Bamberg und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Nur Lösung für Innenstadtbewohner
"Eine Osttrasse schiebt den Lärm, den die Anwohner der bestehenden Trasse nicht haben wollen, nur den Bewohnern am Rande Bambergs zu. Sie missachtet den Wert von Grund und Boden heute und für die künftigen Generationen", lautet der vereinte Protest der Naturschützer. Für sie ist eine Umfahrung Bambergs derzeit nur eine "St.-Florians-Lösung der Innenstadtbewohner". Diese heute als Bamberger Weg auszurufen, wie es die Initiative Bahnsinn getan hat, sei mehr als dreist, formuliert Dieter Volk.
Ein Wort fällt im Plädoyer gegen den Neubau einer Bahnstrecke durch ein Waldgebiet gleich mehrfach: Flächenfraß. Wie die Umweltschützer vorrechnen, reichen die von den Befürwortern bisher genannten Flächen für eine neue Zugstrecke bei weitem nicht aus. Rechne man alle nötigen Abstände inklusive Baufeld und Zugangswege zusammen, kommt Dieter Volk vom Verkehrsclub Deutschland auf eine Trassenbreite von bis zu 40 (!) Metern, die zusätzlich durch den Wald geschlagen werden müsste. Davon betroffen wären Wiesen- und Aulandschaft, vor allem aber der Hauptsmoorwald, der durch verschiedene Straßenprojekte ohnehin stark gelitten hat.
Viele Bäume müssten fallen, sagen die Gegner. Ihr Fazit ist deshalb kompromisslos: "Der Hauptsmoorwald ist kein Bauland auf Abruf. Wer den Wert eines Bannwaldes für Erholung, Klima und Umweltschutz schmälert, beeinträchtigt die Lebensqualität der Bamberger und aller Einwohner rundum."
Doch Bahnsinn Bamberg hält dagegen. Die Schneisenwirkung, die die Autobahn schon heute entfalte, werde sich durch eine Güterzugstrecke auf der Westseite kaum verstärken, sagt Armin Moritz. Ein breites Baufeld sei bei einer Bauweise zwischen Spundwänden gar nicht nötig. Der Experte von Bahnsinn kommt bei den niedrigeren Sicherheitsanforderungen für eine Güterstrecke deshalb im Unterschied zu seinen Kontrahenten nur auf eine Trasse von 20 bis 25 Metern Breite. Von einem Kahlschlag, von Flächenfraß und Umweltzerstörung kann aus seiner Sicht keine Rede sein: "An vielen Stellen, etwa auf dem Golfplatz oder dem Flugplatz stehen heute schon keine Bäume neben der Autobahn. Nur ein kleiner Abschnitt der 12 Kilometer langen Neubaustrecke ist wirklich Wald."
"Eingriff in die grüne Lunge der Stadt"
Doch die Kritiker einer Umfahrung im Osten - ob mit oder ohne Personenzüge - sind nicht allein. Schützenhilfe bekommen sie vom Bamberger Bundestagsabgeordnete Thomas Silberhorn (CSU). Für den Aufschrei der Naturschutzverbände sei er dankbar: "Dass eine Ostumfahrung ein massiver Eingriff in die grüne Lunge der Stadt ist, das liegt doch auf der Hand", sagte Silberhorn. Dennoch sei es zu früh, sich auf eine Variante festzulegen. Silberhorn will erst Fakten sammeln, unter anderem über eine tiefer gelegte Trasse im Stadtbereich.
Interessant sind die Überlegungen, die Bahnsinn über die Bauweise einer Güterzugstrecke im Bamberger Osten anstellt. Eine Grafik der Initiative zeigt eine Umfahrung, die teils eingetieft, teils komplett unter einer Decke aus Beton verschwinden soll. "Die Menschen in Gundelsheim und Hallstadt werden von den Güterzügen nichts hören", verspricht Robert Bartsch. Sein Kollege Armin Moritz geht sogar noch weiter: "Auf der Abdeckung einer solchen Strecke könnte zusätzlicher Lärmschutz gegen die Autobahn geschaffen werden."