Um Kopf und Kragen gechattet
Autor: Sebastian Schanz
Bamberg, Donnerstag, 22. November 2018
Protokolle der internen Kommunikation der "Weisse Wölfe Terrorcrew" Bamberg belasten die Angeklagten im Neonazi-Prozess. Der bundesweite, rechtsextreme Verein zeichnete sich durch Straftaten aus. Ein Anklagepunkt wackelt.
"In der Sandstraße ewig durchgedreht. An der Brücke Punker mit Müllsäcken beworfen. Später mit Flaschen und Steinen gejagt": In den Chats mit Bamberger "Kameraden" lieferte mancher Angeklagter im Neonaziprozess schriftliche Aufzählungen seiner Straftaten, die gestern im Landgericht vorgelesen wurden. "Nach der Demo gibt's eine Aktion in Bamberg. Nur die guten Hauer. Dann gibt's keine Antifa mehr", steht da zu lesen, oder auch "Hurendrecksstaat. Die kriegen wir auch noch. Der Staat ist am Ende." Teilweise hatte Richter Nino Goldbeck Schwierigkeiten, die Nachrichten vorzutragen: wegen Rechtschreib- und Grammatikfehlern oder der fränkischen Schreibweise. Doch er las stoisch weiter.
"Nach der Kneipe noch die Security am Asylantenheim bedroht. Wir werden hier alles anzünden. Entweder für uns oder gegen uns", berichtet Oliver B. von seinen nächtlichen Erlebnissen. Die Antwort im Chat: "Du Spasti. Klingt lustig."
Überhaupt nicht lustig fand Thorsten P. dagegen den Brief der Staatsanwaltschaft, der ihn bezichtigte, bei den Drohungen am Bamberger Asylheim ebenfalls dabei gewesen zu sein. "Scheiße, dass der Brief vom Landgericht ist, das heißt nichts Gutes. Habe das Gefühl, die sperren mich echt weg", schrieb er an seine Frau.
Vorahnung von der U-Haft
Aus der Luft gegriffen war diese Vorahnung nicht, wie sich Monate später zeigen sollte. Thorsten P., mutmaßlicher Sektionsführer der "Weissen Wölfe Terrorcrew Bamberg", sitzt heute in Untersuchungs-Haft.
Seine alten Chats werden ihm und seinen politischen Mitstreitern nun zum Verhängnis. Zwar ermahnen sich die Bamberger Rechtsradikalen darin immer wieder, nichts Belastendes in die Chats zu schreiben und vereinbaren sogar konspirative Treffen "am Wald, nach der Arbeit, ohne Handys". Doch dann besaufen sie sich und texten früh um 3 Uhr wild, wie viele Linke sie gerade verprügelt haben wollen. Oder sie schildern, wie die Führungsstruktur der "Weissen Wölfe Terrorcrew" deutschlandweit funktioniert, bis hin zur Vernetzung mit Pegida oder der Partei Die Rechte. Und auch auf den alten Schachzug der Ermittler fielen sie herein: Ein Polizist ruft bei Jennifer P. an und teilt ihr mit, dass ihr Mann Thorsten wegen der Drohung am Asylheim im Verdacht steht - und die ruft sofort danach ihren Mann an. "Woher wissen die, dass ich dabei war? Ich war doch hinter einem Auto gestanden", ärgert sich Thorsten. Und die Ermittler hören alles mit.
An die Drohungen konnte sich der angepöbelte Sicherheitsmann vor Gericht gestern noch erinnern. "Ich bin angesprochen worden, ob ich mich nicht schäme, solche Menschen zu bewachen. Es sei eine Schande, dass ich als deutscher Staatsbürger solche Leute bewachen würde", berichtete der Mann. Auch sei ein Bezug zu Rostock 92 gefallen, den Brandanschlägen auf ein Asylbewerberheim. "Solche Vorfälle hat es öfter mal gegeben, aber nicht so deutlich und so präzise", sagte der Security-Mitarbeiter. Es habe sich klar um einen verbalen Angriff auf die geschützten Personen im Haus gehandelt, den er seiner Leitung melden musste. In der Folge habe es ein Gespräch zwischen den Betreiber der Flüchtlingsunterkunft, der Sicherheitsfirma und der Polizei gegeben - die Alarmstufe sei aber nicht erhöht worden.
Störung des öffentlichen Friedens
Reicht dieser Vorfall für den Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens? "Wenn das Gespräch unter Zwei geblieben ist, ist das laut geltender Rechtssprechung eher nicht erfüllt" meldete der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt gestern Zweifel an. Doch Staatsanwalt André Libischer wollte den Anklagepunkt nicht fallen lassen. "Aus Sicht der Staatsanwaltschaft bleibt der Tatvorwurf aufrecht." Das Gespräch mit dem Wachmann, der die Drohung den Behörden melden musste, könne ausreichen, um eine Bedrohungslage zu generieren.