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Überfall im Mai: 78-jähriger Pater aus Bamberg verzeiht Räuber


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Dienstag, 20. Januar 2015

Im Mai 2014 überfiel ein Oberpfälzer einen Ordensmann in dessen Bamberger Wohnung. Für den schweren Raub muss der 28-Jährige nun ins Gefängnis und auf Entzug. Er war bei der Tat von Drogen gezeichnet und so geschwächt, dass es dem 50 Jahre älteren Opfer gelungen war, ihn zu überwältigen.
Symbolbild Foto: Matthias Hoch


Es sei ein "Geschenk des Himmels" gewesen, dass er, ein 78 Jahre alter Comboni-Missionar, im Mai 2014 einen jungen Räuber in seiner Wohnung überwältigen und der Polizei übergeben konnte. Sein Beten "während der ganzen Aktion" sei erhört worden.

Das gab der Priester am Dienstag vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichts zu verstehen. Er war Zeuge im Prozess gegen den 28-jährigen Felix D. (Name von der Redaktion geändert), der in der Nähe von Neumarkt zu Hause ist.

Zum Vorwand um Essen gebeten

Am Abend des 18. Mai 2014 hatte D. an der Wohnung des Geistlichen im Bamberger Berggebiet geklingelt. Er bat um etwas zu essen und die Gelegenheit, auf die Toilette zu gehen.

Beides erwies sich als Vorwand: Kaum im Haus, fesselte der Oberpfälzer sein Opfer mit Paketband an einen Bürostuhl und forderte es mit Hilfe einer echt aussehenden Pistole auf, sein Geldversteck preis zu geben. Als der Pater sagte, es gebe nichts zu holen, durchsuchte der Räuber selbst viele Schubladen und Schränke.

Er fand einige hundert US-Dollar und D-Mark sowie wenige Euro. Später band er den 78-Jährigen los und ließ ihn den Inhalt seiner Hosentaschen auf den Tisch zu legen. In der Börse befanden sich rund 560 Euro - Geld, das der Ordensmann schon für einen am nächsten Tag geplanten Ausflug mit seiner Gemeinschaft eingesteckt hatte.

Als der Räuber nach der Geldbörse griff und dafür kurz die Waffe weglegte, erkannte der Pater seine Chance und suchte das Weite.
Vom Täter verfolgt kam es im Treppenhaus zu einem Gerangel. Der 78-Jährige rief um Hilfe und hatte den jungen Mann bereits nieder gerungen, als zwei Ordensfrauen ihm tatkräftig zu Hilfe kamen. Sie alarmierten die Polizei und halfen mit, den Täter festzuhalten.

Damals muss D. schlechter als heute ausgesehen haben. Abgemagert wie ein Bettler sei er ihm erschienen, sagte der Zeuge am Dienstag mit Blick auf den Angeklagten.

Der junge Mann war im Mai wohl noch gezeichnet von langjährigem Drogenkonsum. In einer Blutprobe, die nach der Festnahme von ihm genommen worden war, hatten sich Hinweise auf eine ganze Reihe von Betäubungsmitteln und Medikamenten gefunden.

Es war Beschaffungskriminalität

"Eine saudumme Aktion" sei das gewesen, urteilt D. inzwischen selbst. Er habe dringend Geld gebraucht, um alte Schulden bezahlen zu können.

Nach Überzeugung der Richter war er jedoch auch auf Geld für neuen "Stoff" aus. Seit Ende 2013 war der 28-Jährige arbeitslos und finanziell völlig abgebrannt.

Er nahm das Urteil gleich an: fünf Jahre Freiheitsstrafe wegen schweren Raubes in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung. Außerdem wird er nach 15 Monaten vom Gefängnis zu einer Therapie in eine Drogenklinik verlegt. Eine noch nicht verbüßte ältere Strafe von knapp drei Monaten bezogen die Bamberger Richter in ihr Urteil ein.

Der Ordensmann war ein Zufallsopfer, das Bamberger Berggebiet aber kein zufälliger Tatort. Von einem Mithäftling, der von einem Einbruch in Dom-Nähe berichtete, will D. auf die Idee gebracht worden sein.

Mit Brille und Bart getarnt

Der Angeklagte stellte den Raub als "Kurzschlussreaktion" dar. Das nahm ihm die Zweite Strafkammer nicht ab. Erstens, weil er ortsfremd ist und sich erst im Internet grob orientieren musste.

Und zweitens, weil er neben einer - ungeladenen - Softair-Pistole auch Klebeband, Kabelbinder, Handschellen, einen Kissenbezug, Handschuhe, eine Brille, einen Schnurrbart zum Ankleben und mehr dabei hatte.

Vorsitzender Richter Manfred Schmidt sprach von einem "Überfall-Notfallkoffer". Zu D.s Gunsten nahm er an, dass dieser diese Ausstattung nicht immer griffbereit daheim hatte . . .

Mit Brille und Bärtchen hatte sich der Oberpfälzer getarnt, als er am Abend des 18. Mai bei dem Ordensmann klingelte. Auch die Handschuhe trug er.

Der 78-Jährige kam buchstäblich mit einem blauen Auge davon. Er sei jetzt vorsichtiger, wenn es klingelt, habe ansonsten den Überfall aber gut verkraftet, antwortete er auf Fragen des Gerichts.
Dem Täter hat er verziehen und nahm im Gerichtssaal dessen mündliche Entschuldigung an. Schriftlich hatte Felix D. schon wenige Wochen nach der Tat bei ihm Abbitte geleistet.