Der Karfreitagsbittgang ist alles andere als eine sportliche Übung. Mit Erzbischof Ludwig Schick machte sich eine große Schar auf den Weg.
Polizeioberwachtmeister Dominik Neblicht versprüht gute Laune. Frühmorgens um kurz vor fünf Uhr. Lächelnd sitzt er am Steuer seines Dienstfahrzeugs am Kaulberg. Nur der Vollmond am dunklen Himmel strahlt heller. "Ich bin für die Verkehrsregelung hier, mein Kollege Nikolas Deli
ist weiter vorn", sagt Neblicht. Nun, der Autoverkehr ist um diese Uhrzeit alles andere als rege, nur die Sanitätswagen des Malteser-Hilfsdienstes sind angerollt.
Dafür füllt sich die Straße mit Menschen. Junge und Ältere, vereinzelt sogar Kinder. Es mögen Tausend und mehr sein, die sich zum Karfreitagsbittgang am Missionskreuz der Oberen Pfarre versammelt haben.
"Weil es Tradition ist und aus Überzeugung"
"Weil es Tradition ist und aus Überzeugung", begründet etwa Robert Hassfurther sein Hiersein. Der 54-Jährige gehört zum Helferkreis um den Initiator des Bittgangs: Robert Dennefeld aus der Pfarrei St. Heinrich. Seine Vorfahren haben den Karfreitagsbittgang Ende des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufen, zusammen mit anderen frommen Stadtbürgern. Weil der Karfreitag damals noch ein Werktag war, mussten die Bittgänger schon um fünf Uhr morgens losziehen, um anschließend rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.
Heute haben die meisten Gläubigen aus Bamberg und Umgebung am Karfreitag keine beruflichen Verpflichtungen. Trotzdem tauschen sie das warme Bett gegen eine gewisse Mühsal. Denn der Gang hinauf zur Altenburg über den Rinnersteig bis hin zu St. Getreu ist alles andere als eine sportliche Übung: "Es ist eine christliche Übung!" betont der Stegauracher Gerhard Albert, der mit Christian Krapp als Vorbeter dabei ist. Und das ohne Lautsprecher, denn die seien mit Rücksicht auf die Anwohner um diese Uhrzeit nicht erlaubt.
Erzbischof marschiert an der Spitze
Wie jedes Jahr marschiert Erzbischof Ludwig Schick an der Spitze des Zuges, gleich hinter dem hölzernen Kreuz, das Robert Dennefeld trägt. Doch unzählige unsichtbare Kreuze lasten auf den Schultern der Bittgänger. Eigene Schuld und Versagen. Kummer und Sorgen. Verluste und Ängste. Diese Kreuze drücken schwer beim Aufstieg. Der "Schmerzhafte Rosenkranz", den die Vorbeter anstimmen, lässt keuchen. "Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat...", "Jesus, der für uns gekreuzigt worden ist...".
Langsam wird es hell. Der Mond legt sich schlafen. Die zwitschernden Vögel bieten einen Hauch Frühling. Leise Hoffnung, dass nach der Finsternis des Todes österliches Licht am Horizont aufscheint. Doch der Karfreitag ist noch gegenwärtig. In der Litanei vom Leiden Jesu. In der Bitte um die erlösende Kraft Jesu Leidens. In den himmelstürmenden Gebeten für die Feinde, Verachteten, Geschlagenen. In der flehentlichen Anrufung Gottes um Hilfe gegen Krieg, Terror, Hunger. So viele Kreuze.
"Im Kreuz ist Hoffnung"
Doch der Erzbischof gibt vor: "im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung." Und die Schar wiederholt diese Worte. Gläubig die einen, zweifelnd die anderen. Doch alle geeint an diesem Karfreitag. Schulter an Schulter Zeugnis gebend.
Seit 55 Jahren ist Georg Heller so ein Zeuge für Christus. "Ich habe kein Jahr ausgesetzt", erklärt der 72-Jährige zu seiner Treue zum Karfreitagsbittgang. Die sei dem "alten Dennefeld" zu verdanken, der ihn zum Mitgehen aufgefordert habe. Georg Heller meint Heiner Dennefeld, Vater von Robert und dessen Bruder Wolfgang, die den Bittgang im Familiensinne fortführen.